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Ayla ist lesbisch – und traut sich nicht, sich vor ihren Freundinnen zu outen

Foto: inkje / photocase.de

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Mit guten Freund*innen teilt man fast alles: Erlebnisse, große Träume, Sorgen und Geheimnisse. Gute Freund*innen haben immer ein offenes Ohr füreinander und suchen gemeinsam Lösungen, wenn der*die beste Freund*in nicht weiterweiß. Bei Ayla (Name von der Redaktion geändert*) und ihren engsten Freundinnen aus der muslimischen Gemeinde ist das anders. Denn obwohl Ayla das starke Bedürfnis hat, mit ihren Freundinnen über ihr Geheimnis zu sprechen, unterdrückt sie es, zieht sich aus Gesprächen zurück und schweigt.

Zwei Jahre geht das nun schon so. Ungefähr zu diesem Zeitpunkt merkte Ayla, dass sie lesbisch ist. „In verschiedenen Filmen fühlte ich mich immer mehr zu weiblichen Schauspielern hingezogen. Als ich dann auch immer mehr Artikel über Homosexualität gelesen habe, konnte ich mich eindeutig mit den Protagonist*innen identifizieren“, erzählt die 17-Jährige.

Ayla ist selbst gläubige Muslimin, trotzdem glaubt sie nicht, dass ihre sexuelle Orientierung eine Sünde ist. Ayla ahnt aber, dass nicht alle aus ihrer muslimischen Gemeinde so tolerant sein werden, wie sie selbst es gegenüber LGBTQ ist. Denn wie in vielen anderen Religionen ist gleichgeschlechtliche Liebe im Islam ein Tabu. Besonders traditionelle, gläubige Muslim*innen interpretieren Homosexualität als Verstoß gegen den Koran. In der Geschichte von Lot steht schließlich geschrieben, dass Männer lieber mit Frauen, statt mit anderen Männern verkehren sollen.

 „Oft liege ich lange wach und denke darüber nach, ob und wie sie es ihnen sagen würde.“

Ihre gläubigen Freundinnen tragen anders als Ayla fast alle ein Kopftuch. Hätten auch sie nach ihrem Outing ein Problem damit, sie weiterhin als gläubige Muslimin zu akzeptieren? „Diese Frage geht mir immerzu durch den Kopf. Oft liege ich lange wach und denke darüber nach, ob und wie sie es ihnen sagen würde.“ Denn das Risiko, dass sie mit ihrem Coming-out eingehen würde, ist hoch. Im schlimmsten Fall würde Ayla auf einen Schlag den Großteil ihrer Freundinnen verlieren. Acht Freundinnen, die sie seit über zehn Jahren kennt, mit denen sie aufgewachsen und in dieselbe Klasse gegangen ist, mit denen sie den gleichen Humor teilt, gemeinsam zu Gottesdiensten, abends Essen oder ins Kino geht – oder mit denen sie manchmal einfach nur zusammensitzt und stundenlang diskutiert.  

Oft reden sie dann auch über Liebe, Beziehungen und heimliche Schwärmereien. Obwohl der Großteil ihrer Freundinnen selbst noch keinen festen Freund hatte, steht für ihre Clique fest: Wenn sie einen Freund haben sollten, dann jemanden mit dem gleichen Glauben. In solchen Situationen fühlt Ayla sich jedoch besonders unwohl, denn diese Gespräche sind für die Schülerin meist sehr belastend. „Gelegentlich fragen meine Freundinnen dann auch mich, ob es denn keinen Jungen gäbe, der mir gefällt. Dann muss ich mich immer verstellen, ziehe mich aus dem Gespräch zurück und antworte, dass ich mich gerade lieber auf die Schule konzentrieren möchte.“

Zwar hatte auch Ayla bisher noch keine Beziehung, trotzdem wird ihr Drang, sich jemandem zu öffnen, immer größer. Aber auch nach nächtelangem Grübeln bleibt ihr Geheimnis geheim. Selbst, nachdem Aylas beste Freundin Pinar (Name von der Redaktion geändert) ihr gebeichtet hat, eine Beziehung mit einem Jungen zu haben, den ihre Eltern nicht akzeptieren würden. Denn er ist zwar Moslem, kommt aber anders als Pinar und Ayla nicht aus dem Libanon, sondern aus der Türkei und ist damit kein Mitglied ihrer libanesisch-muslimischen Gemeinde.

Wie Ayla hat auch Pinar Angst vor der Reaktion ihrer Eltern und Freundinnen. Ihre Beziehung muss also auch sie vor den meisten Menschen geheimhalten. Trotz der Offenheit ihrer Freundin fällt es Ayla noch schwer, sich ihr ebenfalls anzuvertrauen. Stattdessen unterstützt sie ihre Freundin, gibt ihr Ratschläge und ist für sie da. „Ich hätte mich ihr gerne geöffnet, aber ein Coming-out vor ihr hätte wahrscheinlich nicht nur für meinen Freundeskreis Konsequenzen.“ Aylas Eltern sind mit den Eltern ihrer Freundinnen befreundet und ebenfalls Mitglied in der muslimischen Gemeinde. „Die Wahrscheinlichkeit, dass auch meine Familie davon erfährt, wenn ich es meinen Freundinnen sage, ist zu hoch. Brisante Neuigkeiten verbreiten sich sehr schnell in unserer Gemeinde“, erzählt sie.

„Gelegentlich kommt es zu Diskussionen, in denen unsere Meinung stark voneinander abweicht.“

Im Juli dieses Jahres platzte das Geheimnis trotzdem aus Ayla heraus. Sie wollte sich endlich jemandem anvertrauen. Jemandem, der sie versteht und ihr zuhört, anstatt sie zu verurteilen. Über Whatsapp schrieb sie ihrer Freundin Elena (Name von der Redaktion geändert). „Elena ist Atheistin und kein Mitglied unserer Gemeinde, daher dachte ich, dass es gut wäre, es zuerst ihr zu erzählen. Sie hat dann nur darauf geantwortet: ‚Irgendwie habe ich das schon gewusst. Die Hauptsache ist ja, dass du glücklich bist.‘ Das war für mich eine echte Erleichterung.“ Danach fasste Ayla Mut und verriet es noch einer weiteren, muslimischen Freundin. Die akzeptierte ihre sexuelle Orientierung zwar, riet ihr aber, vorsichtig zu sein und ihre Gefühle zu unterdrücken. Das ist für Ayla zwar nicht leicht, trotzdem versucht sie es auch weiterhin.

Denn dass ihre muslimische Clique LGBTQ gegenüber nicht besonders tolerant ist, wurde Ayla unter anderem nach einer zufälligen Unterhaltung über Transsexualität klar. „Einmal sind wir auf Facebook auf die Geschichte einer arabischen Frau gestoßen, die sich zum Mann umoperieren ließ. Da meinten meine Freunde: ‚Das kann man nicht machen, Gott hat sie als Frau erschaffen.‘ Nach diesem Gespräch hatte ich Zweifel, ob meine Freundinnen mich akzeptieren können.“ Auch andere Situationen lassen Ayla immer mehr daran zweifeln, ob ihre Clique schon bereit ist, von ihrer Homosexualität zu erfahren. Denn im Gegensatz zu ihr sind einige ihrer Freundinnen sehr konservativ. „Gelegentlich kommt es zu Diskussionen, in denen unsere Meinung stark voneinander abweicht.“

Für einige unter ihnen ist es manchmal schwer, andere Perspektiven zu verstehen. Beispielsweise lehnen einige von ihnen es grundsätzlich ab, wenn Menschen, egal welchen Glauben sie haben, Alkohol trinken.“ Auch das Thema Kopftuch hätte bisher oft eine Rolle gespielt: „Ich selbst trage keins, weil ich mich damit unwohl fühle. Für meine Eltern ist das in Ordnung, vor meinen Freundinnen musste ich mich aber oft dafür rechtfertigen.“ Obwohl der richtige Zeitpunkt noch nicht gekommen ist, steht für Ayla fest: Früher oder später wird sie darüber sprechen – selbst wenn ihre Freundinnen sie daraufhin ablehnen würden. „Mich ein Leben lang zu verstecken, ist für mich keine Option. Ich betrachte Homosexualität nicht als etwas Negatives. Und eine Freundschaft, in der ich nicht sein kann, wie ich bin, fühlt sich auf Dauer nicht echt an.“

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