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Wie tröste ich jemanden bei Liebeskummer?
Es war mitten in der Nacht, vielleicht drei Uhr, als mein Telefon klingelte. Zuerst verstand ich nicht, wer am anderen Ende der Leitung war, denn ich hörte nur ein herzzerreißendes Schluchzen. Plötzlich war ich hellwach. So weinte nur eine Person. Meine Freundin L. Wegen ihrer Affäre. Er hielt sie hin. Traumhaft harmonische Phasen wechselten sich mit jenen ab, in denen er sich wochenlang nicht meldete und sie mit Gerüchten darüber gequält wurde, er habe auch mit anderen Frauen etwas. L. hatte nicht daran glauben wollen. In jener Nacht aber hatte sie es live mitbekommen, jetzt saß sie heulend in der U-Bahn und brauchte meine Unterstützung.
Als sie die ganze Geschichte erzählt hatte, war ich nicht nur wach. Endlich hatte ich auch den Beweis für das, was ich schon zu wissen geglaubt hatte: dass T. ein ganz besonders mieser Typ war. Munter begann ich eine Reihe von Beschimpfungen über ihn los zu werden. Sagte, dass ich es schon immer gewusst hätte, dass er sie ohnehin nicht verdient habe und dass er mich doch sehr an eine meiner eigenen schlimmen Bekanntschaften erinnere. Als es L. wieder ein wenig besser ging und sie sich in Rachephantasien zu verlieren begann, bestärkte ich sie und half ihr darüber nachzudenken, was wir ihm und der fremden Frau antun könnten. Ich war eine gute Freundin. Dachte ich. Dabei hatte ich alles falsch gemacht, was man beim Trösten einer von Liebeskummer heimgesuchten Person machen kann.
„Es gibt ein paar wirkliche No-Gos", sagt Daniela van Santen. „Niemals sollte man den Partner des Trauernden schlecht reden, niemals sollte man von den eigenen Erfahrungen berichten. Besonders schlimm sind Sätze wie „Sei doch froh, dass du ihn/sie los bist. Stattdessen sollte man Empathie zeigen und trösten. Gut ist es auch, den Betroffenen anzubieten, für einige Zeit bei ihnen einzuziehen oder die eigene Wohnung für ihn oder sie zu öffnen."
Daniela van Santen ist Liebeskummer-Coach und Leiterin der „Hamburger Liebeskummerpraxis". Zu ihr kommen Menschen, die vor lauter Liebeskrankheit nicht mehr weiter wissen. Auf die Frage, was das Wichtigste beim Trösten sei, rät sie, dass es im Grunde nur ein optimales Vorgehen gebe: „Zuhören, zuhören, zuhören, trösten und nachfragen, wie es so geht. Und zwar immer und immer wieder. Lieber zu häufig als zu selten." Unglücklich Verliebte neigen oft dazu, die Geschichten, die sie belasten, so oft zu erzählen, bis man sie simultan mitsprechen kann. Und spätestens beim zehnten Mal verliert auch die beste Freundin ein wenig die Geduld. Doch sie sollte verzeihlich sein: „Jeder bestimmt selber, wie lange man trauern möchte. In der Trösterposition darf man niemals sagen, dass es jetzt genug sei", betont Daniela van Santen. „Sprüche wie 'Jetzt reiß dich mal zusammen' sind vollkommen unangebracht."
Da hilft im Zweifel nur eines: Sich selbst vor Augen zu führen, wie häufig man schon mit verweinter Stimme bei der Freundin angerufen hat und sich daran zu erinnern, wie geduldig sie war, als O. sich wieder einmal eine Woche lang nicht gemeldet und man immer und immer wieder die gleiche Frage gestellt hatte: „Warum ist er nur so zu mir?"
Marie-Charlotte Maas, 28, weiß heute, dass sie mit ihrer Meinung über T. nicht ganz recht hatte: Seit drei Jahren sind er und L. nun ein Paar und doch ziemlich glücklich. Sie hat gelernt: Ihre Meinung zählt nicht. Zumindest nicht in diesem Fall.
Fünf Tipps für den perfekten Liebeskummertrost:
1. Zuhören, Zuhören und fragen! Auch wenn der Betroffene die Geschichte zum 100sten Mal erzählt, muss man da als guter Freund/gute Freundin durch. Mit der eigenen Meinung hinter dem Berg halten, denn die spielt in der ersten Zeit keine Rolle. Die betroffene Person möchte sich jetzt eigentlich nur aussprechen und ausweinen.
2. Sprich auf keinen Fall über deine eigenen Erfahrungen. Die gute Idee dahinter, nach dem Motto „Mir ging es doch auch schon mal so schlecht", bringt in diesem Fall keinen Trost.
3. Behalte Sprüche wie „Das wird schon wieder", „Andere Mütter haben auch hübsche Söhne/Töchter" für dich. Bei wirklichem Liebeskummer sind sie unangebracht, sie helfen nicht weiter und die betroffene Person fühlt sich nicht ernst genommen, wird vielleicht sogar traurig oder wütend.
4. Sich die Rachegedanken des Gegenübers anzuhören ist eine Sache – zu ermuntern oder sogar beim Umsetzen zu helfen, strikt verboten. Rachegedanken helfen beim Verarbeiten, durchziehen sollte man sie nie. Später wird man sich nur dafür schämen.
5. Bitte niemals von der eigenen glücklichen Beziehung erzählen. Für diese Gespräche müssen dann andere Freunde herhalten, denn Personen mit Liebeskummer tut so etwas einfach zu weh.
Text: marie-charlotte-maas - Cover: mademoiselle2608 / photocase.com