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Wie schieße ich erfolgreich einen Elfmeter?

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Man lernt ja aus der Geschichte und aus Statistiken. Hier gleich zwei Geschichten und eine Menge Statistiken. Im EM-Halbfinale 1968 (Italien gegen die damalige UdSSR) stand es nach 120 Minuten unentschieden. Deswegen griff der Schiedsrichter zum allerallerletzten Mittel: Er loste den Sieger aus, Italien gewann. Zwei Jahre später wurde von der Uefa der Elfmeter verbindlich eingeführt. Der ist, neben der Roten Karte, die schärfste Sanktion eines Schiedsrichters. Aber er wird auch als Entscheidungshilfe benutzt, wenn zwei Teams gleich gut sind. Denn ein Elfmeterschießen bringt immer einen Sieger hervor.

Meine letztes eigenes Elfmeterschießen war vielleicht nicht schicksalhaft, aber lehrreich. Ich war auf einer Party, gerade hatte Italien im Elfmeterschießen gegen England gewonnen. Nach meinem dritten Drink wettete ich um einen Kasten Bier: Fünf von fünf Elfmetern würde ich verwandeln, man müsse mir nur einen Ball, ein Tor und einen Torwart zur Verfügung stellen. Die ersten drei Elfer gingen mit etwas Glück sogar rein, den vierten wollte ich dann in die Mitte lupfen. Was folgte war eher ein bisschen peinlich.

Die Statistik sagt: In 75 Prozent aller Fälle führt ein Strafstoß zu einem Treffer. Die Gewissheit, dass Dreiviertel aller Elfer reingehen, ist jedoch wenig beruhigend. Jeder, der schon mal Fußball gespielt hat weiß: Am Punkt beginnt das große Zittern. Drei Dinge gilt es zu überwinden, um einen Treffer zu landen.

Zum einen den Torwart. Dessen pure Anwesenheit mit ausgebreiteten Armen deckt 5 Quadratmeter ab. Dann die Versagensangst. Der Elfmeterschütze ist in der Bringschuld". Der Treffer wird erwartet, und ein persönliches Scheitern macht das Scheitern der ganzen Mannschaft wahrscheinlicher. Zu guter Letzt: das unangenehme Gefühl, beobachtet zu werden. Ich kenne das aus öffentlichen Toiletten: Es braucht keine aufgepeitschten Achtzigtausend, damit es nicht läuft.

Noch etwas mehr Fußball-Mathe: Profis schießen den Ball mit etwa 100 Sachen auf das Tor. Die elf Meter legt der Ball in 0,4 Sekunden zurück. Die Reaktionszeit eines Torwarts beträgt knapp 0,2 Sekunden. 44 Prozent der Schüsse landen in der natürlichen Ecke des Schützen, also in Schießrichtung des stärkeren Fußes. Die andere, schwächere Seite, wird immerhin in 41,5 Prozent aller Fälle gewählt. In den restlichen 14,5 Prozent wird einfach in die Mitte geschossen. Das sieht sehr gut aus, wenn der Torwart aktionistisch in eine Ecke hechtet und ziemlich dumm, wenn er einfach stehen bleibt ([link=http://www.20min.ch/em2012/news/story/Als-Pirlo-am-Panenka-Penalty-scheiterte-15036465" target="_blank">hier eine Sammlung missratener Lupfer). Bei mir sah es superdumm aus und hat mich einen Kasten Helles gekostet.

Zum Psychokrieg: Der Torwart weiß um die erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass der Schütze seine starke Ecke aussucht. Der Spieler weiß wiederum, dass der Torwart das weiß, und der Torwart ist sich abermals dessen bewusst, dass der Spieler weiß, und so weiter. Diesen entzückenden Kommunikationszusammenhang nennt man doppelte Kontingenz. Egal wie bescheiden das sportliche Niveau der Protagonisten ist, die Spannung ist tatortverdächtig.

Dabei kann man Elfmeter durchaus trainieren. Die Gefahr, kurz vorm Schuss auszurutschen wie einst

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