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Wie mache ich bessere Fotos mit meinem Smartphone?
Das Ruderboot, mit dem wir gleich auf den See rausfahren, der Geburtstagskuchen, auf dem die Kerzen brennen, der Hund, der gerade auf der Wiese Purzelbäume schlägt – dass ich, um das alles festzuhalten, nicht meine Kamera suchen oder immer dabei haben muss, ist natürlich praktisch. Nur: Irgendwie sehen die Handy-Fotos dann doch immer langweilig aus. Farb- und kontrastlos. Nach nichts Besonderem. Und was dann? Dann kann ich nicht anders und lege doch wieder "Earlybird", "Amaro" oder einen anderen Filter über das Bild, bevor ich es auf Instagram hochlade. Das ist zwar doof, aber es sieht halt doch besser aus als ein fades Foto.
Wars das wirklich schon? Heute treffe ich jemanden, der diese Frage mit einem klaren "Nein" beantwortet: Richard Gray, von Beruf "iPhoneographer". Die Fotos des Londoners werden auf der ganzen Welt ausgestellt, er gibt Kurse in iPhone-Fotografie und arbeitet für die Agentur Empics, die zur Nachrichtenagentur Press Association gehört – dabei fotografiert er ausschließlich mit seinem Smartphone. Er muss wissen, wie man das Beste aus seiner Handy-Kamera herausholt.
Als er mich bei unserem Treffen mit meinem Handy herumhantieren sieht, geht er gleich dazwischen. "Wenn du den Lautstärkeregler als Auslöser nimmst, wackelst du nicht so fest", sagt er. Tatsächlich: Das Smartphone kann ich so viel besser halten, ich verwackle kaum noch ein Foto. Richard ist aber noch nicht zufrieden: "Du musst auf das Timing achten. Die Aufnahme wird nicht gemacht, wenn du den Finger vom Auslöser nimmst, nicht, wenn du ihn berührst. Ein paar Sekunden können viel ausmachen!", so Richard.
Worüber ich mir fast nie Gedanken mache, wenn ich statt der Spiegelreflexkamera "nur" mein Smartphone in der Hand halte: die Bildkomposition. Ein Fehler, außer bei richtigen Schnappschüssen natürlich. "Ich plane immer, was im Vordergrund, Hintergrund und in der Mitte des Fotos zu sehen sein soll, ich versuche, interessante Details zu betonen und probiere verschiedene Blickwinkel aus", sagt Richard. "Das lohnt sich auch, wenn man mit dem Handy fotografiert. Aber man sollte auch nicht zu viel nachdenken." Immerhin: Diesen letzten Rat habe ich bisher ganz intuitiv befolgt.
Vielleicht hätte es geholfen, wenn ich die Bedienungsanleitung meines Smartphones beziehungsweise seiner Kamera schon mal aufgeschlagen hätte. Die Symbole, die angezeigt werden, sobald ich die Kamera-App öffne, sind mir überwiegend ein Rätsel.
Aber auch ohne Anleitungswälzen hat Richard ein paar Tipps. "Am besten wählt man einen gut beleuchteten Ort", sagt er. Die Smartphone-Kameras werden zwar immer besser, schlechtes Licht überfordert sie aber noch. Weder die Zoom-Funktion noch den eingebauten Blitz empfiehlt der "iPhoneographer". "Man braucht beides auch nicht wirklich", sagt er. Mit dem Fokus spielt er dagegen gern: "Wenn man auf dem Display die Stelle berührt, die man hervorheben will, stellt die Kamera auf diesen Punkt scharf und berechnet aus der Helligkeit dort die Belichtung für das gesamte Foto. Dadurch wird der Bereich schön herausgestellt."
Am Schluss hat Richard noch einen banalen, aber nicht unwichtigen Rat: "Stell dir vor, du entdeckst das perfekte Motiv und dein Akku ist fast leer." Er hat deswegen immer ein mobiles Akkuladegerät dabei.
Kathrin Hollmer, 25, hat sich erst mal ein Instagram-Filter-Verbot auferlegt. Falls es damit nicht klappt, hat sie aber kein schlechtes Gewissen. Immerhin sagt Richard: "Filters make the spice." Na dann.
Fünf Tipps für bessere Smartphone-Fotos:
1. Mit dem Smartphone fotografiert man am besten an einem gut beleuchteten Ort. "Helle Lichtquellen wie Verkehrs- oder Straßenbeleuchtung sollten aber keine Überstrahlungen auf dem Foto erzeugen", so Richard Grey. "Der eingebaute Blitz ist meistens nicht stark genug und sorgt für einen fiesen Blaustich. Außerdem blitzt man direkt von vorne, was nie gut aussieht”, sagt er. Vor allem für Porträts bei schwacher Beleuchtung ist eine mobile LED-Leuchte eine gute Alternative.
2. Im Gegensatz zu den meisten Kameras hat die am Smartphone in der Regel keinen Verwacklungsschutz – schon leichte Bewegungen sorgen für Unschärfen. Bei vielen Smartphones kann man den Lautstärkeregler an der Seite als Auslöser verwenden – dadurch fotografiert man mit ruhigerer Hand. Wer trotzdem wackelt: Auch für Smartphones gibt es kleine Stative.
3. Beim Fotografieren tippt man auf dem Display am besten auf den Bereich, den man hervorheben will. Die Kamera stellt dann auf diesen Punkt scharf und berechnet aus der Helligkeit dort die Belichtung für das gesamte Foto. "Wenn man auf dem Bildschirm den Finger auf den hellsten Teil oder Punkt des Bildes hält, verblassen Farben und Details nicht durch helle Lichtquellen", sagt Richard. Viele Handys haben eine praktische "AE/AF-Sperre" (AE = automatic exposure = Belichtungsautomatik, AF = Autofokus), das bedeutet, dass der Autofokus vorübergehend deaktiviert ist und der fokussierte Lichtpunkt erhalten bleibt, wenn man die Kamera bewegt.
4. "Smartphones haben keinen optischen Zoom: Wenn man zoomt, schneidet man einfach nur das Bild zu und bekommt eine niedrigere Auflösung. Besser ist es, wenn man nicht zoomt und das Foto später zuschneidet", sagt Richard. "Es gibt zwar für Smartphones spezielle Zoom-Objektive zum Anschrauben, aber die sind nicht besonders gut. Und zur Smartphone-Fotografie gehört es auch, nicht so viele Details einfangen zu müssen."
5. Eine der besten Bildbearbeitungs-Apps ist "Snapseed" (für Android und iOS). "Damit kann man Bilder zuschneiden, die Schärfe und das Detailreichtum verändern. Helligkeit, Kontrast und Sättigung können auch nur in einzelnen Bildbereichen justiert werden", sagt Richard. Besonders kontrastreiche Fotos bekommt man mit der App "Pro HDR" (für Android und iOS): "Die ist noch besser als die HDR-Funktion (High Dynamic Range), die viele Smartphone-Kameras haben", sagt Richard. "Beides nutzt man am besten, wenn Licht und Schatten ohnehin schon kontrastreich sind, etwa bei Sonnenschein."
Text: kathrin-hollmer - Cover: PNetzer / photocase.com