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Wie geht Konvertieren?

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Tanja und ich teilen uns ein Hostelzimmer in Jerusalem. Irgendwann spricht man hier ganz automatisch über Religion. Sie ist Christin, ein paar Jahre älter als ich und mit einem Muslim zusammen. Die beiden wollen heiraten, er will, dass sie zum Islam konvertiert. „Machst du das?“, frage ich. Sie hat sich noch nicht ganz entschieden, hätte aber eigentlich kein Problem damit.

Ich frage mich, ob das geht: Kann man denn einfach so vom Christentum zum Islam konvertieren? Und was ist mit dem Judentum? Wäre der Wechsel in eine jüdische Gemeinde schwieriger? Auf was muss man beim Religionswechel achten?

Wie wird man Muslim/a?

„Ganz, ganz kurz und individuell“, so beschreibt mir Ahmed Al-Khalifa vom Islamischen Zentrum in München den Weg eines Konvertiten zum Islam. Ich wäre demnach bereits Muslima, wenn ich an „den Schöpfungsgott und an dessen Barmherzigkeit“ glauben würde – und daran, dass Mohammed der letzte Prophet war, den Gott auf die Erde geschickt hat.

„Der Glaube ist eine Sache zwischen Mensch und Gott“, sagt Al-Khalifa, kein Mensch könne über den Glauben eines anderen urteilen. Deswegen müssen muslimische Konvertiten auch keine Prüfung vor anderen Muslimen ablegen.

Vor einigen Wochen habe zum Beispiel eine Frau aus einem niedersächsischen Dorf bei ihm angerufen und das erste Mal überhaupt mit jemandem über ihren Glauben gesprochen, erzählt Al-Khalifa. „Die Frau war seit 14 Jahren Muslima und niemand außer ihr und Allah wusste es.“

Konvertiten können ihren Glauben anderen Muslimen zeigen, indem sie sich öffentlich zu Gott und seinen Propheten bekennen oder regelmäßig in einer Moschee beten gehen. Eine feste Moscheegemeinde muss man dabei nicht haben: Man kann die Moschee frei wechseln. Oder einfach zu Hause beten. Die Beschneidung bei Männern ist keine Pflicht.

Wer mehr über den Islam erfahren will, kann sich bei Moscheen in der Nähe erkundigen oder bei dem Zentralrat der Muslime um Rat bitten. 

Evangelisch werden

An der Infohotline der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) sagt man mir, dass man der evangelischen Kirche sogar telefonisch beitreten könnte – vorausgesetzt, man wäre bereits christlich getauft und aus seiner alten Kirchengemeinde ausgetreten. In diesem Fall bräuchte man nur die kostenlose Eintrittshotline (0800-813-813-8 oder 0711-22-27-673) zu wählen und könnte mit einer Pastorin über seinen Kircheintritt sprechen und sich die nötigen Unterlagen nach Hause schicken lassen. Nicht getaufte Konvertierungswillige können sich über die Eintrittsstellen der einzelnen Landeskirchen oder direkt im Pfarramt um die Ecke informieren. Ihnen werden Erwachsenentaufkurse angeboten, die sie auf den Eintritt in die Kirchengemeinde und ihre Taufe vorbereiten. Wie oft diese Kurse stattfinden, hängt von der Landeskirche und der Gemeinde ab.

Der Kircheneintritt an sich kostet kein Geld, allerdings muss man als Gemeindemitglied Kirchensteuer zahlen.

Der Weg in eine katholische Gemeinde

Wenn man den Katechumenatsweg bestreiten möchte, also katholisch werden will, muss man als erstes mit einem katholischen Seelsorger oder Pfarrer reden und erklären, warum man konvertieren möchte. Auf das Treffen mit dem Pfarrer folgt dann der Besuch eines katholischen Glaubensgesprächkreises. An diesem sollte man mehrmals teilnehmen, um mehr über die Feiertage und heiligen Sakramente der katholischen Kirche zu lernen.

Fühlt man sich bereit, geht’s zurück zum Pfarrer, der den Kircheneintritt des Konvertiten bei einem Bischof beantragt. Es gibt keine Prüfung oder ähnliches. Man muss während des Antrags nur konfessionsfrei sein, was heißt, dass man keiner Kirchengemeinde angehören darf. Nach einem „Ja“ des Bischofs müssen nicht getaufte Konvertierungswillige noch ihre Taufe feiern, um Mitglieder der Gemeinde zu werden. Wer bereits in einer evangelischen Gemeinde getauft wurde, muss das nicht. Auch Katholiken unterscheiden bei Konvertiten nicht zwischen katholischen und evangelischen Taufen.

Wie in der evangelischen Kirche müssen Mitglieder katholischer Gemeinden nach ihrem Kircheneintritt Kirchensteuer zahlen.

Wie lange dauert es, jüdisch zu werden?

Am aufwändigsten ist die Konversion zum Judentum. Das erfahre ich im Gespräch mit Konstantin Pal, Rabbiner und Leiter der Kultusverwaltung der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. „Das Judentum hat nie missioniert, nie gesagt ‚werdet ein Teil von uns’“, erklärt Pal. Daher müsste man erst einmal einen Rabbiner in intensiven Gesprächen von seinen Motiven überzeugen. Bloßes Interesse ist kein Grund.

Ist der Rabbi überzeugt, beginnt die Lernphase. „Wer konvertieren möchte, der muss erstens lernen, jüdisch zu sein und zweitens, ein Teil der Gemeinde werden“, sagt Pal. Konversions-Anwärter müssen daher mindestens ein Jahr lang an Kursen über das Judentum teilnehmen, die Speiseregeln und jüdische Feiertage verinnerlichen und sollten auch Hebräisch lernen. In dieser Zeit kann man bereits passiv an Gottesdiensten in der Synagoge teilnehmen - damit man selbst die Gemeinde kennenlernt und die Gemeinde den Konvertiten.

Die Gemeinde und der Rabbiner sind es auch, die beschließen, wann man zur Prüfung vor dem Rabbinatsgericht Beit Din bereit ist. Das Beit Din besteht aus mindestens drei Rabbinern, die nach einem Gespräch mit dem Konvertit über dessen Eintritt in die Gemeinde entscheiden. Für Männer steht vor dem Besuch des Rabbinatsgerichts noch die Beschneidung an. Wenn nach dem Gespräch auch die Rabbiner des Beit Din einverstanden sind, ist man Teil der jüdischen Gemeinde und die Mikwe, ein religiöses Taufbad, wartet auf einen. „Das Untertauchen in die Mikwe symbolisiert einen Akt der Erneuerung, ein neues Leben“, erklärt Pal.

Ähnlich wie Christen zahlen auch Juden einen monatlichen Betrag, allerdings geht dieser direkt an die Gemeinde und variiert von Ort zu Ort.

Nadine, 24, hat seit der Reise nichts mehr von Tanja gehört und fragt sich, ob sie mittlerweile konvertiert ist – vielleicht liest sie diesen Artikel ja zufällig und meldet sich bei ihr. Fünf grundlegende Tipps zum Religionswechsel:
1. Grundsätzlich kann jeder zu allen drei abrahamitischen Religionen (also Islam, Christentum und Judentum, die sich alle auf Abraham als Stammvater berufen) konvertieren.

2. Denkt man über einen Religionswechsel nach, sollte man als erstes mit anderen Gläubigen aus der Zielreligion über ihren Glauben sprechen.

3. Auch mit der jeweiligen Schrift (Koran, Bibel, Thora) sollte man sich schon einmal auseinandersetzen und eventuell einen Gottesdienst besuchen.

4. Ist man nach der Recherche immer noch überzeugt, seinen Glauben wechseln zu wollen, sollte man sich mit offiziellen Vertretern der betreffenden Religionen in Kontakt setzen.

5. Der Weg in die neue Religion ist unterschiedlich lang. Zum Judentum zu konvertieren ist zum Beispiel viel aufwändiger als Muslim/a zu werden. Der Aufwand, den ein Religionswechsel mit sich bringt, sollte einem bewusst sein.

Text: nadine-wolter - Cover-Collage: Daniela Rudolf

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