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Wie gebe ich einen fairen Korb?

Foto: erdbeersüchtig / photocase.de

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Kaum eine Stille ist quälender als die eines Telefons, das nicht klingelt, obwohl es soll. Am Wochenende hatte ich beim Ausgehen einen Typen kennengelernt. Er war lustig, smart und sah gut aus. Wir hatten Spaß, lachten und tanzten. Als der Abend zu Ende ging, tauschten wir Telefonnummern. Zwei Tage später rief ich ihn an, aber er nahm nicht ab. Am Tag darauf schrieb ich eine Nachricht: „Hey Du! War sehr lustig mit Dir neulich. Sollen wir das mal wiederholen?“ Nichts. Kein Anruf, keine Nachricht. Ich war ratlos und durchlief die üblichen Phasen. „Er ist bestimmt beschäftigt. Er wird sich schon noch melden“, dachte ich optimistisch in Phase 1. „Vielleicht hat er sein Handy verloren?“, beruhigte ich mich in Phase 2. „Ihm ist bestimmt etwas zugestoßen!“, mutmaßte ich voller Panik in Phase 3. „Ob er wohl eine Freundin hat und sich deshalb nicht meldet?“, grübelte ich kleinlaut in Phase 4. Um dann schließlich in Phase 5 der wahrscheinlichsten aller Möglichkeiten deprimiert ins Auge zu blicken: „Er war wohl nicht ganz so begeistert von mir, wie ich von ihm und hat einfach keine Lust, mich wiederzusehen.“

Eine Erkenntnis, die nicht leicht fällt, wenn man sie nicht teilt. Wäre es da nicht fair, wenn das angehimmelte Gegenüber gleich sagen würde, was Sache ist? Wie leicht könnte man Phase 1 bis 4 so überspringen. Aber warum fällt das vielen so schwer?

„Ein Korb ist eine Zurückweisung und wird als bedrohlich empfunden“, sagt Milly Pfleiderer, Therapeutin für Psychotherapie nach dem Heilpraktikergesetz. „Sie rührt an eine der menschlichen Urängste, die Angst isoliert und ausgegrenzt zu sein.“ Werde man von einem anderen Menschen abgelehnt, der einem etwas bedeutet, fühle man sich beurteilt und als für nicht gut befunden, führt die Therapeutin aus. „Das trifft das Selbstwertgefühl und das ist immer heikel.“ Mit anderen Worten: Menschen, die sich nicht mehr melden, versuchen der Konfrontation mit den negativen Gefühlen, die ein Korb unweigerlich hervorruft, aus dem Weg zu gehen. Pfleiderer hat dafür Verständnis.

„Wir sind alle soziale und emphatische Wesen“, erklärt sie. „Fügen wir jemandem Leid zu, ist das in der Regel auch für uns selbst unangenehm.“ Außerdem verändere ein Korb die Stimmung. Wo zuvor alles leicht und unbeschwert war, weil man geflirtet und sich dadurch gegenseitig Bestätigung gegeben hat, lässt eine Zurückweisung die Situation ernst und schwer werden. Ein Gefühl, dem sich niemand gerne aussetzt. Stattdessen hoffen die meisten Menschen, dass das Gegenüber die nonverbalen Signale auch so versteht.

Will man das Gegenüber aber dennoch nicht im Ungewissen lassen, gerade weil einem etwas am anderen liegt, kann man einen Korb zwar selten schön, aber doch zumindest einigermaßen fair gestalten. „Wichtig ist, dass das Gespräch unter vier Augen stattfindet“, sagt Pfleiderer. „Ein Korb in der Öffentlichkeit kommt einem Gesichtsverlust gleich, ist also nicht nur unangenehm, sondern auch beschämend.“ Im Gespräch gelte es, einen möglichst ehrlichen Grund zu nennen, ohne zu sehr ins Detail zu gehen. „Hier kann man sich immer überlegen, wie man selbst gerne behandelt werden möchte und sich dann so verhalten“, rät Pfleiderer. Danach sei es wichtig, dem Zurückgewiesenen die Handlungsfähigkeit zurückzugeben. „Jeder, der Gefühle offenbart hat und zurückgewiesen wird, hat sich dem anderen ein Stück weit ausgeliefert“, erklärt sie. Das ließe sich abfedern, wenn man dem anderen die Möglichkeit gebe, zu entscheiden, wie er mit der Sitaution umgehen will. „Willst Du jetzt alleine sein?“, könnte man fragen. „Oder hilft es Dir, wenn wir noch einen Spaziergang machen, um auf andere Gedanken zu kommen?“

Am wichtigsten sei aber, so Pfleiderer, aus einem Korb kein Drama zu machen. „Wenn man nie etwas wagt, vergibt man viele Möglichkeiten im Leben“, sagt die Therapeutin. Das Risiko zurückgewiesen zu werden, schwinge immer mit. „Schlechte Gefühle lassen sich im Leben nicht vermeiden“, sagt sie. „Aber man wächst daran.“

Marlene Halser ist 35 Jahre und hat schon viele Körbe einstecken müssen. Weil sie weiß, wie unangenehm es ist, im Ungewissen gelassen zu werden, hat sie sich angewöhnt, immer möglichst klare Ansagen zu machen.

Fünf Tipps für einen fairen Korb:

  • Beide Parteien sollten Mitgefühl miteinander haben. Einen Korb zu bekommen ist ebenso unangenehm, wie einen Korb zu geben. Die Situation macht also in der Regel keinem von beiden Spaß.
  • Ein fairer Korb findet immer in einem persönlichen Gespräch unter vier Augen statt. Eine Zurückweisung in der Öffentlichkeit beschämt den anderen nur unnötig und macht die Situation noch unangenehmer.
  • Es gilt das Prinzip: Verhalte Dich so, wie Du gerne von anderen behandelt werden möchtest. Eine ehrliche Begründung ist meist am fairsten. Ins Detail zu gehen, ist nicht angebracht. Das verletzt nur unnötig.
  • Um den Zurückgewiesenen nach dem Korb nicht handlungsunfähig zurück zu lassen, kann man ihn fragen, was er nun gerne tun möchte. Damit gibt man demjenigen, der sich zuvor ausgeliefert hat, die Möglichkeit aus der Erstarrung heraus wieder aktiv zu werden. Das fühlt sich meist besser an, als das ohnmächtige Gefühl, das ein Korb hinterlässt.
  • Zurückweisungen nicht zu sehr dramatisieren. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Unangenehme Erfahrungen, so schlimm sie manchmal sein mögen, sind ganz normal und gehören zum Leben.

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