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Wie finde ich die richtige Kamera?

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Ich habe ein schlechtes Gewissen. Meine kleine kompakte Digitalkamera begleitet mich seit mehr als drei Jahren. Ich habe sie immer dabei, sie passt in jede meiner Handtaschen, wenn es sein muss, sogar in meine Hosentasche. Wenn mir spontan etwas auffällt oder gefällt, ist damit schnell ein passables Bild geknipst. Sie war mir immer treu und hat mehrere Stürze tapfer überstanden. Doch in letzter Zeit denke ich immer öfter darüber nach, fremdzugehen.  

Es sind Kleinigkeiten. Wenn die Fotos vom Weggehen oder dem Konzert entweder unterbelichtet oder überblitzt sind. Wenn die Fotos auf der Straße irgendwie langweilig sind und einfach nicht so ausdrucksstark sein wollen wie die, die ich mit der Spiegelreflexkamera aus der Redaktion mache. Ich bin mir nicht sicher, ob es Sinn macht, mir eine eigene zu kaufen. An der Uni hatte ich sechs Semester Fotografie als Fach im Stundenplan und zusätzlich einen Porträtfotografie-Workshop belegt. Doch wenn ich am Ende nur mit den Automatikeinstellungen fotografiere, kann ich bestimmt auch bei meiner alten bleiben. Trotzdem lässt mich diese Frage nicht los.  

Meine erste Station ist der Elektronikmarkt um die Ecke. 25 verschiedene Spiegelreflexkameras, dazu Bridge- und Systemkameras, von den 60 Kompakten ganz zu schweigen. Und alle haben sie Pixel-Angaben, Verschlusszeiten und die Objektive seltsame Namen und Millimeterangaben. Ich nehme einfach mal eine in die Hand. Ein bisschen was ist von den Kursen hängen geblieben. Ohne nachzudenken beginne ich, Blende und Schärfe einzustellen, um den Verkäufer zu fotografieren, als er gerade nicht hersieht. Welches Modell ist nur das richtige? Immerhin, den ersten Schritt habe ich schon richtig gemacht. Der Münchner Fotograf Juri Gottschall rät beim Kamerakauf als oberste Regel: „Man sollte jede Kamera in die Hand nehmen und sich dann entscheiden, ob sie einem liegt. Manche Modelle haben eine Funktion mehr, andere eine weniger, zum Beispiel die Möglichkeit zu filmen. Ob man das braucht und wie viel Aufpreis einem das wert ist, muss man selbst entscheiden.“

Juri Gottschall benutzt verschiedene Kameras, beruflich fotografiert er meistens mit einer Nikon D700. „Ich fotografiere schon immer mit Nikon und habe darin ‚meine Marke‘ gefunden. Natürlich könnte ich genauso gut das Äquivalent von Canon benutzen, da wäre vermutlich kein Unterschied zu sehen. Das ist mehr eine Glaubensfrage.“ Angst, dass man mit einer Spiegelreflexkamera nicht umgehen kann, muss man seiner Meinung nach nicht haben. „Die digitalen Spiegelreflexkameras von heute sind so einfach aufgebaut, dass sie für jeden verständlich sind. Selbst, wenn man zu Beginn vielleicht aus Unwissenheit nur im vollautomatischen Modus fotografiert, kann man sich später weiterentwickeln und dazulernen – und braucht dafür nicht gleich eine neue Kamera.“  

Worauf muss man beim Kauf einer Spiegelreflexkamera achten? „Generell gilt: Das Objektiv ist wichtiger - und teurer - als die Kamera, egal von welchem Hersteller. Günstige Spiegelreflexkameras werden oft mit einem Standard-Objektiv verkauft, von dem man sich – wenn noch Geld übrig ist – möglichst schnell trennen sollte. Es ist erstaunlich, was man aus günstigen Kameras mit guten Objektiven rausholen kann“, sagt Juri Gottschall, „Hochwertige Objektive sind lichtstark, besitzen also niedrige Blendenstufen. Man erkennt sie an der Verarbeitung: weniger Plastik, mehr Glas und Metall. Auch die Größe ist ein Indikator, hochwertige Technik kann man  einfach nicht klein schrumpfen, und nicht zuletzt der Preis.“   

Was ist noch wichtig? Praktisch sei ein Bildstabilisator, der zittrige Hände ausgleicht, Zoom dagegen „Geschmackssache“, findet Juri Gottschall: „Je mehr Zoom in ein Objektiv reingepackt wird, desto schlechter ist die Gesamtleistung, das kostet meist Bildqualität und Lichtstärke, außer bei Profi-Objektiven, die dafür sehr viel Geld kosten. Ein bisschen Zoom ist im Alltag sehr praktisch, es muss aber kein Riesen-Zoom sein.“ 

Für Urlaubsfotos, Schnappschüsse oder wenn man Belichtung und Schärfentiefe nicht selbst einstellen will, reicht ohnehin eine Kompaktkamera. „Weil man das Objektiv nicht wechseln kann, sollte man beim Kauf darauf achten, dass es halbwegs hochwertig ist. Je größer die maximal mögliche Blende, also je kleiner die Zahl, desto mehr Licht kann die Kamera einfangen. Das ist bei Kompaktkameras besonders wichtig, da sie durch ihren sehr kleinen Sensor schlechter mit Dunkelheit umgehen können als die großen. Außerdem sind Objektive von Markenherstellern empfehlenswert wie von Canon, Leica, Nikon, Schneider oder Zeiss“, so Juri Gottschall. Ein Wert wird meist überschätzt, bei kompakten Modellen wie bei Spiegelreflexkameras: die Pixel. „Die sind meistens nur eine Masche, um höhere Zahlen auf die Verpackung drucken zu können, die dann vermeintlich höhere Qualität vermitteln sollen. Der normale Hobbyfotograf, der keine Modekataloge oder riesige Poster druckt, braucht keine Kamera mit 24 Megapixeln. Im Gegenteil, er braucht - wenn überhaupt - die gängigen zehn“, erklärt Juri Gottschall.

Eine weitere Möglichkeit ist, analog zu fotografieren. Auch Juri Gottschall knipst zwischendurch gern mit einer analogen Kamera. Die ewige Frage „Digital oder Analog“ kann auch er nicht pauschal beantworten. Für ihn ist die analoge Fotografie aber noch lange nicht tot: „Man fotografiert durch die geringere Menge an verfügbaren Fotos viel bewusster, die Bildqualität von analogem Filmmaterial ist unübertroffen, außerdem schult man das genaue Hinsehen und übt sich in Geduld.“    

Kathrin Hollmer, 23, ist bei ihrer Kamerasuche einen Schritt weiter: Im Laden hat sie sich in die EOS 550D von Canon verliebt.  


Fünf Tipps auf dem Weg zur perfekten Kamera:

1. Für den Urlaub oder um Ideen festzuhalten, reicht eine digitale Kompaktkamera, sofern die Umgebung einigermaßen hell ist und man nichts manuell einstellen möchte. „Wer bei schlechtem Licht ohne Blitz oder mit hochwertigen Objektiven fotografieren will und nicht alles einer Automatik überlassen will, für den ist eine Spiegelreflexkamera eine gute Idee“, empfiehlt Juri Gottschall.

2. Weitere Möglichkeiten sind Bridge- und Systemkameras. „Bridgekameras haben keine wechselbaren Objektive, dafür aber hochwertige eingebaute. Sie haben ein etwas größeres Gehäuse, sind aber trotzdem noch kompakt und qualitativ besser als Kompaktkameras. Systemkameras sind quasi Spiegelreflexkameras ohne Spiegel. Sie sind kompakter, meist ein bisschen günstiger und man kann die Objektive wechseln. Systemkameras sind auch bei schlechten Lichtverhältnissen noch relativ gut einsetzbar, oft haben sie aber einen schlechten oder gar keinen Sucher und weniger Komfort in der Bedienung“, so Juri Gottschall.

3. Wichtiger als die Kamera selbst ist das Objektiv. Dabei sollte man auf die Blende achten: „Eine Blende von 2.8 ist ziemlich lichtstark, 1.8 oder 1.4 sind so ziemlich das Optimum“, sagt Juri Gottschall. Ein Bildstabilisator ist seiner Meinung nach praktisch, Zoom und Pixel dagegen findet er nicht so entscheidend.

4. Am wichtigsten ist, dass man sich mit der Kamera wohlfühlt. Juri Gottschall rät: „Man sollte jede Kamera in die Hand nehmen und sich dann entscheiden, ob sie einem liegt. Man sollte gut an alle Knöpfe kommen, ohne sich die Finger zu verbiegen. Die Bedienung sollte intuitiv sein.“

5. Kaufen sollte man die Kamera am besten im Fotoladen. „Dort kann man verschiedene Modelle in die Hand nehmen und mit fachkundigen Verkäufern Vor- und Nachteile diskutieren. Wenn man schon weiß, was man will, findet man aber auch im Elektromarkt oder im Internet gute Angebote“, sagt Juri Gottschall. 

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