Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Wie bleibt man nach der Schule befreundet?

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Mein letzter Schultag war, zumindest für eine Weile, der beste Tag in meinem Leben. Er bedeutete aber auch: Die fünf, sechs Leute in der Klasse, die ich am meisten mochte, mit denen ich jede Pause verbrachte und die ohne Zögern die Lateinhausaufgaben abschreiben durften, die waren plötzlich nicht mehr jeden Tag da. Ebenso die beste Freundin, neben der ich in jedem gemeinsamen Fach saß und die mich als einzige auf dem Klo heulen sehen durfte. In den letzten Sommerferien nach diesem letzten Schultag war es noch einfach, sich am See oder zum Eisessen zu verabreden. Erst jede Woche, dann ein Mal im Monat – bis wir uns irgendwie nur noch ein Mal im Jahr trafen, und das auch erst nach mindestens drei Terminverschiebungen. 

Auch, wenn mich das nur wenig tröstet, so geht es vielen Schulfreundschaften. Viele zerbrechen aus dem einfachen Grund, dass man zu weit auseinander wohnt und sich einfach zu selten sieht. „Innerhalb von sieben Jahren geht die Hälfte aller Freundschaften auseinander, weil wir das Interesse verlieren, sie nicht mehr wichtig sind“, sagt Dr. Wolfgang Krüger, Dipl.-Psychologe und Autor des Buches „Wie man Freunde fürs Leben gewinnt: Vom Glück einer besonderen Beziehung“.

Wolfgang Krüger hat aber auch gute Nachrichten: „Grundsätzlich ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass aus Freundschaften, die in der Schule entstehen, lebenslange Bindungen werden.“ Der Psychologe erklärt sich das so: „Über viele Jahre hinweg teilt man regelmäßig die gleichen Sorgen, man ärgert sich über Klassenlehrer und teilt die Angst vor Klausuren. Diese Bindungen sind manchmal ähnlich intensiv wie bei Geschwistern.“ So viel Zeit wie in der Schule verbringt man im späteren Leben nicht mehr mit seinen Freunden. „Darum sind die Freundschaften, die später entstehen, weniger prägend“, sagt Wolfgang Krüger.   
Ob man allerdings eine intensive Beziehung aufrecht erhält, hängt für ihn davon ab, ob man sich weiter sieht und in der gleichen Stadt lebt. Und auch davon, wie stark die Bindung ist. „Eine Herzensfreundschaft, in der man alles über sich erzählen kann, hat die größte ‚Überlebensrate‘“, sagt Wolfgang Krüger, „sogar, wenn man sich nur ein oder zwei Mal im Jahr sieht, aber dafür mailt, simst oder telefoniert. Wenn man sich schon sehr lange und gut kennt, kann der technische den direkten Kontakt ein bisschen ersetzen, Facebook macht es leichter, in Kontakt zu bleiben.“ Aber: „Beim Augenkontakt erleben wir viel besser, wie es dem anderen geht. Wir wollen auch Freunde haben, denen wir spontan erzählen können, dass der Chef schwierig ist und die Freundin rumzickt, und ein Bier trinken gehen. Für solche Themen taugen Emails eben doch nicht,“ sagt er und nennt das den „seelischen Puls“, den der andere spüren muss: „Dazu ist ein regelmäßiger, echter Kontakt wichtig.“   

Und wenn man sich nur selten sieht? Auch dann können Freundschaften halten. „Es ist sinnvoll, wenn man sich mindestens ein Mal im Jahr sieht“, sagt Wolfgang Krüger. Sonst besteht die Gefahr, dass man ein Klassenfoto braucht, um sich an die Mitschüler zu erinnern. „Gut ist es, wenn man sich an einem festen Tag im Jahr trifft“, rät der Psychologe, „das kann ein Ritual wie ein Weihnachtstreffen oder der ‚Tag der offenen Tür’ an der alten Schule sein.“ 

Klassentreffen findet Wolfgang Krüger weniger geeignet, um Freundschaften zu pflegen. Wichtiger sind Gemeinsamkeiten und ein gegenseitiges Interesse für das, was den anderen beschäftigt. Dazu soll man sich drei Fragen stellen: „Denke ich manchmal an den Freund und habe das Gefühl, das muss ich ihm sagen? Träume ich von ihm? Könnte ich mit ihm auch gemeinsam schweigen? Kann man das alles mit ja beantworten, ist eine tiefe Bindung entstanden, die jeden Umzug überstehen wird. Ansonsten werden neue Lebensereignisse und Herausforderungen fast immer die alten Bindungen ‚überwuchern‘, sodass sie oft keine Rolle mehr spielen. Oder es bleibt eine sogenannte ‚Jahresfreundschaft‘: Man trifft sich ein Mal im Jahr, tauscht Neuigkeiten aus, fühlt sich vertraut und sieht sich dann in einem Jahr wieder.“ 

Das ist auch der Grund, aus dem man bei Klassentreffen gleich wieder das Gefühl der Vertrautheit hat. Und bei jedem anderen Treffen, ob virtuell oder analog, hoffentlich auch.

Kathrin Hollmer, 24, ist froh, dass sie ihrer Lieblingsfreundin aus der Schule immer noch alles erzählen kann, auch wenn sie sich fast nie „analog“ zu Gesicht bekommen.
Fünf Tipps, wie Schulfreundschaften halten:

Mindestens ein Mal im Jahr sollten sich Schulfreunde sehen. „Sonst braucht man irgendwann Fotos, um sich an die Klassenkameraden zu erinnern“, sagt Wolfgang Krüger. Für Fernfreundschaften sind Rituale wichtig. Das kann eine gemeinsame Reise sein oder der „Tag der offenen Tür“ in der alten Schule, an dem die Erinnerungen automatisch hochkommen. Wolfgang Krüger: „Vielleicht trifft man sich jedes Jahr am gleichen Tag und jeder nimmt was zu essen mit. Oder nur alle fünf Jahre und verbringt dafür gleich mehrere Tage zusammen in einer Jugendherberge.“ Klassentreffen sind so eine Sache. Irgendwie Pflichttermin, irgendwie auch nett, zum Freundschaften-Auffrischen sind sie nur bedingt geeignet. „Eine Freundschaft basiert auf einer persönlichen Bindung, in der man dem anderen alles über sich erzählen kann“, sagt Wolfgang Krüger, „Das setzt ein Vertrauensverhältnis voraus. Freundschaften sind im Kern immer eher eine Zweierbeziehung.“ Wenn man mehr gemeinsam hat als nur die Schule, hat man gute Chancen, dass die Freundschaft lange hält. Das kann der Sportverein sein, ein gemeinsames Hobby oder die Lieblings-Band, von der man gemeinsam Konzerte besucht. Um langfristig eine Vertrauensbasis zu schaffen, rät Wolfgang Krüger, die richtigen Fragen zu stellen: „Was weiß man vom Leben, von der Kindheit des Freundes? Welche Ziele hat er, was erwartet er vom Leben? Was macht ihn glücklich, worauf ist er stolz, wie würde er gern in 20 Jahren leben? Solche Fragen können eine Nähe erzeugen, die auch nach Jahren noch besteht.“ 

  • teilen
  • schließen