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Schwarzfahren – was droht mir?
Jahrelang die gleiche Situation. Ich saß in einer U-Bahn, und statt zu lesen scannte ich mit panischem Blick den Bahnsteig jeder Station, in die wir einfuhren. Damit ich den Überblick hatte, stieg ich vorne ein. Weil die Kontrolleure oft an den Ausgängen statt in Fahrzeugen kontrollieren, fuhr ich mit dem Aufzug für Gehbehinderte. Das war der Weg an die Oberfläche, auf dem man den Kontrolleuren entging.
Das Ziehen im Bauch nervte, und die Momente, in denen ich hastig aus einer Tram hüpfte, weil der Mann mit der Mütze verdächtig aussah. Ob ich eine Fahrkarte hatte oder nicht, richtete sich dennoch danach, wie viel Geld ich in dem Monat schon für Drinks und Klamotten ausgegeben hatte.
Erwischt wurde ich fünf Mal insgesamt. Raus kam ich aus dem Schlamassel immer. Als ich noch lange Zöpfe und eine Brille hatte, weinte ich auf Kommando. Später schrieb ich einen falschen Namen in die Formulare. Über die pseudo-jugendlichen „Bauchkribbeln hole ich mir lieber bei meinem Freund"-Plakate der Transportunternehmen lachte ich. Der Hinweis darauf, dass jeder „Verstoß gegen die Beförderungsvorschriften" zur Anzeige gebracht würde, erschien mir absurd. Ein paar Mal musste ich zahlen. 40 Euro werden fällig, das ist „erhöhtes Beförderungsentgelt" und wird für die „Beförderungserschleichung" erhoben.
Über ernste Konsequenzen dachte ich nie nach. Die würden mich schon nicht anzeigen. „Aber ein Auge zudrücken ist für Kontrolleure nicht vorgesehen", erläutert Norbert Specht vom Münchner Verkehrs- und Tarifverbund. Ist mir trotzdem gelegentlich passiert, und ich sah es als Beweis, dass Schwarzfahren eher ein Kavaliersdelikt als ein echtes Verbrechen ist.
Genau das ist das Problem. „Für viele ist das keine richtige Zuwiderhandlung. Die haben ein eigenes Unrechtsbewusstsein", wundert sich Specht. Schon, wenn man beispielsweise das Datum handschriftlich verändert, gilt das als Betrugsversuch und wird angezeigt. Nach drei Mal erwischt werden in zwei Jahren ist das definitiv der Fall – und damit ein Verfahren garantiert. Geldbuße sind Standard, „meist mehrere hundert Euro" laut Experte Specht. Und bei jungen Menschen werden gerne Sozialstunden verhängt, „damit die Eltern nicht einfach die Strafe zahlen und der Lerneffekt weg bleibt", erklärt Specht.
Dabei schadet man, wenn man ehrlich ist, seinen Mitmenschen. Denn wenn wieder Bushaltestellen gestrichen und Nachttrams eingestellt werden, liegt das auch daran, dass zu wenig Geld da ist. Und je weniger Leute Geld für ihr Ticket zahlen, desto höher sind die Preise pro Ticket, zumindest theoretisch. Klar ist das trotzdem sehr teuer. Aber dagegen gibt es beileibe andere Protestmittel als schwarzfahren.
Lea Hampel hat für diesen Text Kristina, 26, aus München protokolliert. Sie fährt mittlerweile nur noch mit Fahrschein.
Fünf Tipps zum Thema Schwarzfahren:
1. Wenn Du erwischt wirst, gib' es zu. Kontrolleure haben schon jede Ausrede gehört, und auch wenn das Leben manchmal verrückt spielt – sie werden Dir nicht glauben. Und müssten, selbst wenn sie es tun, Dir trotzdem 40 Euro in Rechnung stellen. Das ist ihre Dienstvorschrift.
2. Kauf' Dir für die nächste Fahrt am gleichen Tag definitiv eine Fahrkarte. Denn das 40-Euro-Papier gilt nur bis zu der Haltestelle, die Du bei der Kontrolle als Ziel angegeben hast. Es ist entgegen Gerüchten kein Freifahrtschein für den Rest des Tages.
3.Wenn Du erwischt worden bist und vorhast, abermals schwarz zu fahren, warte eine Zeit. Wirst Du innerhalb von zwei Jahren drei Mal erwischt, gibt es eine Strafanzeige. Bei einem Verfahren musst Du nicht nur Strafe zahlen und wahrscheinlich Sozialstunden ableisten, sondern auch die Verfahrenskosten tragen.
4. Theoretisch kann man auch fürs Schwarzfahren ins Gefängnis kommen. Das passiert zwar selten, ist aber kein Gerücht, sondern Wahrheit und manchmal das letzte Mittel ratloser Richter.
5. Wenn Du Dich tatsächlich falsch behandelt fühlst, gibt es meist eine offizielle Stelle des Verkehrsunternehmens, die für Einsprüche zuständig ist.