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Mit dem Zug durch Europa - was muss ich beachten?

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In meinem Kopf setze ich seit meiner Pubertät Interrail mit dem Gefühl absoluter Freiheit gleich. Das liegt maßgeblich an meiner Mutter, die wahnsinnig stolz darauf ist, zum ersten Interrail-Jahrgang von 1972 zu gehören. Ich habe mich verliebt in ihre Geschichten von Wegwerfunterhosen, blonden Spaniern mit blauen Augen, Fidel-Castro-Gesängen in Kneipen und Nächten am Strand. Mir war immer klar: Irgendwann will ich meine eigene Interrail-Geschichte schreiben.

Jetzt, nach Abschluss meines Studiums, war der Zeitpunkt dafür perfekt. Ich besorgte mir den Interrail-Global-Pass. Für Personen bis 25 Jahre kostet der 442 Euro. Wer älter ist, zahlt 668 Euro. Damit konnte ich einen Monat lang kreuz und quer durch 30 Länder Europas Zug fahren, so oft und so lange ich wollte. Mein Freund begleitete mich auf der Reise, wir hatten nichts geplant außer, dass wir Portugal bereisen möchten. Alles, was zwischen dort und München liegt, wollten wir spontan entdecken.

Doch schnell merkten wir, dass es ganz ungeplant doch nicht reibungsfrei geht. „Das liegt schlichtweg an der Hauptreisezeit“, sagt eine Sprecherin der Deutschen Bahn, „denn Interrailer mit dem Global-Pass reisen vorwiegend in den Sommermonaten Juni bis September, hinzu kommen Zugreisende mit anderen Tickets, da sollte man sich schon um Reservierungen kümmern“. Zugreservierungen im Süden Europas seien nicht als die Reservierungen zu verstehen, die wir in unseren deutschen Zügen haben, erklärt sie. Bei uns gönnt man sich eine Reservierung als Luxus, damit man beim Einsteigen nicht drängeln und auch nicht um einen Platz kämpfen muss. Die Portugiesen, Spanier und Franzosen behandeln ihre Züge hingegen wie Flugzeuge: Eine Reservierung ist Pflicht, wenn alle Sitzplätze reserviert wurden, - quasi boarding completed - dann lassen sie auch niemanden mehr rein. Stehplätze sind nicht zugelassen. Das gilt für fast alle Züge, ausgenommen ist nur die Regionalbahn.

Zu Beginn unserer Reise war uns das in dieser Härte nicht klar. Dieses Kapitel fehlte mir schlichtweg bei den Reiseschilderungen meiner Mama. „Gut möglich, dass es 1972 noch nicht so eng war. Während zu Zeiten ihrer Mutter 85.000 junge Leute auf Europa-Rundreise mit dem Interrail-Ticket gingen, sind es heute etwa 225.000“, erklärt die Sprecherin der Bahn. Es kam, wie es kommen musste: Der Schaffner kontrollierte unsere Tickets, die Reservierung fehlte, wir flogen aus dem Zug. Nach diesem Schock reservierten wir immer brav vorab, doch oft waren unsere Wunschzüge schon längst ausgebucht. Meistens wichen wir dann auf die nicht-reservierungspflichtige Regionalbahn aus - ein zeitintensives Vergnügen, das sich so anfühlte, als raube uns die Bimmelbahn bei jedem Halt unsere kostbare Reisezeit. Ein paar Mal gaben wir deshalb unsere Spontanität auf und buchten die Reservierung bis zu einer Woche im Voraus, so auch unsere zwei Schlafwagenplätze im Nachtzug von Lissabon nach Madrid.

Dass auf meinem Ticket ein „S“ und auf dem meines Freundes ein „H“ stand, irritierte uns nicht weiter, immerhin saßen wir in anderen Zügen öfter auf den Plätzen A und B oder B und D. Während wir gemeinsam nach unserer „S“ und „H“ Kabine suchten, stürmte ein Schaffner wild gestikulierend auf uns zu. Er rief spanische Wörter, packte meinen Freund und schleifte ihn in ein anderes Abteil. Mir gab er deutlich zu verstehen, dass ich bleiben soll, wo ich bin. Er sah mich finster an und knallte mir ein überdeutlich artikuliertes „Señora“ ins Gesicht. Da fiel der Groschen: Wenn ich eine „Señora“ bin, dann ist mein Freund ein „Hombre“, und die Spanier trennen ihre Passagiere in Nachtzügen nach Geschlechtern.

Meine Erfahrung zeigt, dass sich die Interrail-Idee von „Wenn ich hier keine Bleibe finde oder wenn es mir hier nicht gefällt, dann fahre ich eben mit dem nächsten Zug weiter“ während der Hauptsaison in Ländern wie Spanien, Frankreich oder Italien nicht immer umsetzen lässt. „Diese drei Länder werden von Interrailern aber auch am häufigsten bereist, weil man zwischen ihnen schnell hin- und herreisen kann“, sagt die Bahn-Sprecherin. Weit weniger kompliziert sei es, durch Ländern wie Slowenien oder Großbritannien zu fahren.

So anstrengend das Getuckere im jeweiligen Moment auch war, im Grunde waren es genau diese völlig ungeplanten Augenblicke, die uns wirklich Spontanität abverlangten. Durch sie sahen wir Städte, die wir nie auf dem Schirm gehabt hätten: Wir tranken in Tunes Kaffee mit einem alten Portugiesen, erkundeten ganz unverhofft das sehr hübsche Städtchen Montpellier, stapften widerwillig durch Ventimiglia und entdeckten dabei das beste Focaccia-Brot unserer Reise. 

Katharina Häringer, 26, hat am Ende 14 Stunden gebraucht, um mit diversen Regionalbahnen von Genua nach München zu kommen. Im Moment hat sie erstmal genug vom Zugfahren, generell könnte sie sich aber vorstellen, wieder mit Interrail zu reisen, nur nicht mehr in der Hauptsaison.

5 Tipps für erfolgreiche Interrail-Reisen

Wähle den richtigen Pass. Ganz grob sollte man schon wissen, was man sich von der bevorstehenden Reise erwartet und je nachdem den entsprechenden Interrail-Pass kaufen. Mit dem Global-Pass kann man in einem Monat 30 Länder bereisen, es gibt aber auch Ein-Land-Pässe für nur drei Tage und viele Zwischenlösungen, die sich preislich enorm unterscheiden. Lade die Interrail-App der Deutschen Bahn auf dein Smartphone. Sie gibt Auskunft, wie man auch über Ländergrenzen hinweg am besten von A nach B kommt. Das erspart die Suche nach dem richtigen Fahrplan am Bahnhof. Überfrachte die Reise nicht, sonst wird aus ihr ganz schnell ein Gehetze. Die Expertin der Bahn empfiehlt: „Pro Stadt sollten mindestens zwei Nächte Aufenthalt eingeplant werden, bei Großstädten zwischen drei und fünf Nächte.“ Man darf nicht unterschätzen, wie viel Zeit das Zugfahren in Anspruch nimmt. Plane im Reisebudget Kosten für Reservierungen ein, denn viele Bahngesellschaften verlangen für Reservierungstickets nochmal zwischen fünf und zehn Euro zusätzlich. In Nachtzügen fallen sogar rund 30 Euro Reservierungsgebühr an. „Mit einem Global-Pass für einen Monat sind Interrailer im Schnitt an 16 Tagen unterwegs, dementsprechend sollte man knapp 100 Euro für Reservierungen einkalkulieren“, sagt die Sprecherin der Deutschen Bahn. Specke dein Gepäck ab, denn du wirst jedes Gramm auf deinem Rücken spüren. Der Weg zum Hostel kann lang sein, gerade dann, wenn man sich in einer Stadt noch nicht gut auskennt. In fast allen Hostels kann man Kleider waschen und trocknen. Und für den Notfall kommt man auch einige Tage mit „Rei in der Tube“ über die Runden.

Text: katharina-haeringer - Cover-Bild: schnee von gestern / photocase.de

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