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Ich möchte auf einem Hausboot wohnen - geht das?

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„Gutes Leben, aha..." sagt die Dame vom Wasser- und Schifffahrtsamt misstrauisch, als ich erzähle, dass ich einen Lexikoneintrag über das Leben auf einem Hausboot schreibe. Je mehr sie von den Fallstricken des öffentlich-rechtlichen Genehmigungsverfahrens spricht, desto deutlicher wird mir, dass ein Verwaltungsapparat schwerlich zwischen bloßer Existenz und gutem Leben unterscheiden kann. Und das wir damals Glück hatten, meine Ex-Freundin und ich, weil unser Boot gemietet war und wir uns nicht durch den Behördendschungel schlagen mussten.

Ich habe sie damals schon mit Boot kennengelernt. Und das Boot war vielleicht auch ein Grund, warum ich mich in sie verliebte. Aufgetan hatte sie es, nachdem sie aus ihrer vorherigen Beziehung geflüchtet war. Es sollte ein radikaler Tapetenwechsel sein, eine Abkehr von der neuen Spießigkeit des Latte-Macchiatto-Viertels, in dem sie davor wohnte, und ein Kontrast zum Bürojob. Sie sagte, es tue ihr gut, sich um elementare Dinge kümmern zu müssen. Dinge wie Justus.

Justus hieß unser Gasofen. Bei Sturm war er sehr unzuverlässig. Fuhr eine Windböe in sein Rohr, ging er aus, und dann saßen wir bei Minusgraden in einem kleinen, schlecht isolierten Zwei-Zimmer-Kahn, Baujahr 1920, in einem Seitenarm des Hamburger Hafens. Um Justus artgerecht zu füttern, kauften wir an Tankstellen schwere Gasflaschen. Dinge funktionieren nämlich nicht einfach so auf einem Hausboot, sie müssen zum Funktionieren gebracht werden. Aber wer seinem Ofen dann die Wärme mit Geduld abringt, weiß sie mehr zu schätzen.

Das Leben auf solch einem Hausboot ist romantisch und sehr schön, aber buchstäblich nichts für Warmduscher. Beim Duschen auf warmes Wasser warten ist nämlich nicht drin. Wasser ist schlicht zu wertvoll und zu teuer. Nicht selten bestehen die Toiletten nur aus einem Loch über einem Komposthaufen. Stinken tut trotzdem nix. Auch litt ich nicht mehr unter Insektenstichen. Abertausende von Hafenspinnen haben alles aufgefuttert, was fleuchte und zwickte. Leider war eine derart dramatische Verbesserung meiner Lebensqualität dem deutschen Verwaltungsapparat herzlich egal. Dessen Verhältnis zu Hausbootsbesitzern ist nämlich ein wenig gestört.

Tim Rittmann, 33, vermisst das Leben auf dem Hausboot. Selbst die Spinnen.
Fünf Tipps für alle, die sich künftig auf einem Hausboot sehen:  

1. Zuerst den Liegeplatz suchen. Man darf ein Boot nicht einfach irgendwo mit einem Seil an einen Baum binden. Mit den Besitzern abgelegener Wassergrundstücke über Mietbedingungen sprechen. Sich fragen: Muss es wirklich Deutschland sein? Hausboot-freundliche Länder sind: Frankreich (Elsaß), Belgien, die Niederlande.

2. Neue Designer-Hausboote, teuer wie Einfamilienhäuser, gibt’s überall, aber so gut wie nie mit Liegeplatz. Gebrauchte kosten ab 30.000 Euro aufwärts. Da muss aber noch viel Zeit und Material hineingesteckt werden. Boote mit Stahlrumpf benötigen zudem ein Boots-TÜV, das heißt offiziell Schwimmfähigkeitszeugnis. Am besten nicht im Netz suchen, sondern in Bootsbörsen, Avis und dem Anzeigenteil von Tageszeitungen. Auch gut: Mund-zu-Mund-Propaganda unter Bootsbesitzern. 

3. Die Kosten realistisch einschätzen. Liegeplätze werden meist pro Quadratmeter pro Jahr bezahlt, 10 Euro sind nicht unüblich. Hinzu kommt die Erschließung des Grundstücks. Wasser und Strom legen kostet einmalig knapp 40.000 Euro. Da hilft oft nur ein Kredit oder ein Vorschuss aufs Erbe.

4. Am Lieblingssee, mit Blick auf die Alpen oder den Stadtpark, wird das nichts mit dem Liegeplatz. Besser: Ein Faible für Industrieromantik besitzen. In Binnen-Häfen und ausgesuchten Marinas (Yachthäfen) stehen die Chancen etwas besser. Und sie bieten auch was fürs Auge.

5. Standhaft bleiben. Das Behördenhickhack in Deutschland ist beachtlich, weil man in die Zuständigkeitsbereiche von Land- als auch Wasserbehörden fällt. Einfach mal Hausbootbesitzer ansprechen. Die geben gerne Auskunft und machen Mut. Denn für die meisten ist ihr Lieger ein Stück Lebensphilosophie.

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