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Lesen mit Links (3): Techno aus Tiflis
Das Buch
„Techno der Jaguare" führt den Leser mit Erzählungen ans schwarze Meer und rückt junge georgische Autorinnen ins Rampenlicht, die ihr Land für den Aufbruch ins 21. Jahrhundert vorbereiten. „Früh am Morgen, gleich nach dem Aufwachen, wurde ihr klar: Das Leben steckt voller Überraschungen. Ihr Spiegelbild teilte ihr mit, dass ihr über Nacht ein Buch aus dem Kopf gewachsen war." Als Mensch ist Tino abends ins Bett gegangen. Als langsam wachsende Bibliothek wacht sie wenige Stunden später auf. Die Short Story „Eine mit Buch und ihre erlesene Leserschaft" von Maka Mikeladze ist noch nicht einmal das Wunderlichste an diesem großartigen Sammelband „Techno der Jaguare". Zwei Jahre suchte die Frankfurter Herausgeberin Manana Tandaschwili die aufregendsten Erzählerinnen Georgiens. Was bestimmt nicht einfach war, weil man ehrlicherweise sagen muss: Kennt irgendwer überhaupt eine Autorin oder einen Autor aus diesem fernen Land am Schwarzen Meer? http://www.youtube.com/watch?v=K56g2U19q9E Text: jan-drees - Illustration: Katharina Bitzl
„Früh am Morgen, gleich nach dem Aufwachen, wurde ihr klar: Das Leben steckt voller Überraschungen. Ihr Spiegelbild teilte ihr mit, dass ihr über Nacht ein Buch aus dem Kopf gewachsen war." Als Mensch ist Tino abends ins Bett gegangen. Als langsam wachsende Bibliothek wacht sie wenige Stunden später auf. Die Short Story „Eine mit Buch und ihre erlesene Leserschaft" von Maka Mikeladze ist noch nicht einmal das Wunderlichste an diesem großartigen Sammelband „Techno der Jaguare". Zwei Jahre suchte die Frankfurter Herausgeberin Manana Tandaschwili die aufregendsten Erzählerinnen Georgiens. Was bestimmt nicht einfach war, weil man ehrlicherweise sagen muss: Kennt irgendwer überhaupt eine Autorin oder einen Autor aus diesem fernen Land am Schwarzen Meer?
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Das Video zum Song "London" von Asea Sool kommt von der georgische Regisseurin Nana Jorjadze, die als eine der ersten Künstlerinnen den "neuen Feminismus" Georgiens beschrieben hat und Vorbild für viele Autorinnen im "Techno der Jaguare"-Band ist.
Georgien hat eine zehntausend Jahre alte Vergangenheit und eine instabile Gegenwart. Erst krachte die Sowjetunion zusammen. Dann brachen in direkter Nachbarschaft Bürgerkriege aus. Das sind „hard facts\" aus einer anderen Welt, die sich nur langsam an unsere Popkultur, an den westlichen Lifestyle und an emanzipierte Rollenvorstellungen wagt. Die sieben Autorinnen stehen mit ihrer Literatur für diesen Aufbruch ins 21. Jahrhundert. „Georgien mit seiner traditionell eher patriarchalischen Gesellschaft durchläuft zurzeit einen bedeutenden Wandel. Die Frauen, die zuvor eher im Hintergrund agierten und denen bestimmte soziale Rollen zugeschrieben wurden, gewinnen an Bedeutung\", sagt die Herausgeberin.
Bei „Techno der Jaguare" sind unter anderem dabei: Anna Kordzai-Samadaschwili, die Übersetzerin von Rainald Goetz ( „Rave\" ), Shootingstar Nino Haratischwili und die sehr wilde Nestan (Nene) Kwinikadze . Es geht um Christina Aguilera, um eine Clique von Möchtegern-Transvestiten, um wilde Asiaten, die mit Piercings übersäten Mädchen den Kopf verdrehen, und um einen blinden Bildhauer, der sein Modell abtastet. In Tamta Melaschwilis Thriller „Killer's Job" stellt der Berufsmörder kaltschnäuzig fest, dass man nur zwischen zwei Möglichkeiten wählen kann: „flachlegen, oder flachgelegt werden." Das ist archaisch. Das klingt nach Krieg. In den georgischen Geschichten steht die Zivilisation der Barbarei noch Auge in Auge gegenüber. In „Techno der Jaguare" gibt es viele Strategien, um diese Gegensätze auszuhalten. Die bemitleidenswerte Tino mit ihrer Bücherstirn zum Beispiel wird einen ganz und gar phantastischen Weg zurück finden.
Wer „Techno der Jaguare” gelesen hat, wird ein Stück weit in Georgien bleiben, und ab sofort neugierig hinschauen, wenn weitere Autorinnen und Autoren mit der Endung „-schwili” (die übersetzt übrigens „Kind” bedeutet) irgendwo auftauchen.
Manana Tandaschwili, Jost Gippert (Hg): Techno der Jaguare: Neue Erzählerinnen aus Georgien , FVA, 248 Seiten, 19,90 Euro.
Die Querverweise
Mehr georgischer Lesetoff: Der 85-jährige, deutsch-georgische Schriftsteller Giwi Margwelaschwili lebt in Tiflis und ist der vermutlich älteste Michael Jackson-Fan der Welt. Manchmal schreibt er über Graffiti, wie im wirklich sehr schönen Buch „Der verwunderte Mauerzeitungsleser" . Noch mehr georgische Literatur, allerdings ausschließlich von Männern, hat Manana Tandaschwili 2010 in einem Sammelband veröffentlicht. Der Debütroman „Abzählen" von Tamta Melaschwili ist im Unionsverlag erschienen .
Die Updates
Notizen, die unter die Haut gehen: Die Lyrikstudentin Kathrin Bach schreibt im LitFlow-Magazin über den Erinnerungschip Skindle . Dieser kleine Recorder, 1000 Euro teuer, wird unter die Haut gespritzt. „Das Skindle listet alle sprachlichen, alle literarischen Gedanken des Tages auf, ordnet sie nach Stimmungen und Atmosphären. Es verschriftlicht mitgehörte Dialoge. Sortiert ganz ordentlich Ideen." Bislang noch Zukunftsmusik, entstanden im Uniseminar "found. literary artifacts from the future", inspiriert durch eine Wired-Serie .
Täglich neue Texte: Die Klischeeanstalt ist eine neue Online-Literaturzeitschrift. Jeden Monat darf sich hier ein Autor nach Herzenslust austoben. Im Januar sorgte als Erster der steirische Lyriker Christoph Szalay für „stürme" . Im Februar wird der Musiker und Schriftsteller Johannes Weinberger für die Anstalt schreiben. Auf Soundcloud könnt ihr zwischendurch seine "electroacoustic noise poems" hören, oder wie Johannes es zusammenfasst: „eine Kombination aus elektronisch erzeugten Klängen, Umweltaufnahmen und Stimme."
Preise über 25: Als wir in der vergangenen Woche auf die Ausschreibung des „Hattinger Förderpreises für Junge Literatur 2013" für Autorinnen und Autoren bis 25 hingewiesen haben, meldeten sich Ü25-User, die auch gerne etwas gewinnen würden. Deshalb gibt es heute Infos zum „17. Klagenfurter Literaturkurs" , für den man sich bis zum 28. Februar bewerben kann. Wer gewinnt, bekommt auch eine schöne Zeit im Seeschwimmbad , wo sich während des Bachmann-Wettlesens alle Autoren, Kritiker und Verlagsmenschen zum Plantschen verabreden.