- • Startseite
- • Kochbuchkritik
-
•
Marcella Hazan – Meine italienische Kochschule
Die Gran Signora der italienischen Küche tritt noch einmal mit einer umfassenden Kochschule auf den Plan. Marcella Hazan dem passionierten Nachvollzieher der klassischen italienischer Küche vorzustellen, erübrigt sich eigentlich, denn wenn es so etwas wie eine allwissende Nonna, die Großmutter, am Herd der Stiefelküche gibt, ist es sie.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Aufgewachsen in Cesenatico, gelegen an der Adriaküste der Emilia Romagna, verschlug es sie mit ihrem Mann nach New York, wo sie begann, zuhause in ihrer kleinen Küche Kochkurse zu geben. Später übersiedelte sie zurück nach Italien, eröffnete eine Kochschule in Bologna, später in Venedig. Ihre Kochkurse waren auf Jahre ausgebucht. Zuletzt lies sie nur noch ganz kleine Topfguckergruppen in ihre Küche, zu ihren Meisterkursen. Mit über 80 Jahren hat sie sich nun ihren Altersruhesitz in Florida genommen und vermutlich ihr letztes Werk geschaffen. “Marcellas Geheimnisse”. Bereits vor zehn Jahren erschien mit “Die klassische italienische Küche” eine Zusammenfassung ihrer ersten beiden Kochbücher, die so etwas wie einen Bibelstatus auf dem Markt italienischer Kochbücher besitzt. Den 450 Rezepten, die dieses Buch bietet, ist die wohl beste und genaueste Einführung in die italienische Küche vorangestellt. Die einzelnen Zutaten und Zubereitungen werden intensiv behandelt, die Kunst des Insapiore bei der die einzelnen Aromen auf den Punkt heraus gekitzelt werden und sich miteinander vermengen, der Schlüssel zum Gelingen eines typischen Gerichts, wurde exakt herausgearbeitet. Was soll jetzt in einer Kochschule noch kommen? Marcella Hazan stellt diesmal nichts geringeres, als ihren Meisterkurs voran. Dieser versteht sich als Überarbeitung und Ergänzung des Bekannten. Alles in allem kommt er jedoch kompakter daher, konzentriert sich auf das Wesentliche, ohne die Details vermissen zu lassen. So hat sie alleine dem Paniermehl ein ganzes Kapitel gewidmet. Butter und Öl kommen vielleicht etwas zu kurz. Dafür verrät sie nicht nur, wann man besser einen Topf und wann besser eine Pfanne benutzt, sondern setzt sich umfassend mit dem exakten Garpunkt auseinander und spricht sich dabei wohlbegründet gegen die Modeerscheinung des unbedingt knackigen Gemüses aus. Erfrischend in einer Zeit, in der jedes Kochbuch ewig langweilig die verkochten Gemüsegerichte der Großelterngeneration stigmatisiert. Ohnehin kriegen so einige zwischen den Zeilen ihr Bratfett weg. Wenn sie in einem Rezept von ausgezeichneter industriell hergestellter Pasta spricht, weiss man nach den 100 Seiten, die Einleitung und Meisterkurs enthalten und die wie im Fluge vergehen, dass sie nicht Barilla meint. Wer anhand des folgenden Rezeptteils die Klassiker wie Penne all’arrabiata, Bollito Misto oder Panna Cotta erlernen will, ist hier fehlbedient. Es werden nahezu ausschließlich neue Rezepte vorgestellt, die sich in den Vorgängerbüchern nicht finden. Wer die Klassiker sucht, sei auf ihre “klassische italienische Küche” verwiesen. Wer einfache italienische Küche liebt und und erlernen will oder einfach von Hazan nicht genug bekommen kann, liegt hier goldrichtig. Die 120 Gerichte sind durch die Bank weg unkompliziert nachkochbar und dem Umstand gedankt, dass “Marcellas Geheimnisse” in Florida entstand, kann man sich sicher sein, die Zutaten auch in hiesigen Gefilden in entsprechender Qualität zu begegnen. Zur Not sind einige deutsche Lieferanten in den Bezugsquellen verzeichnet. Wer auf bunte Bilder steht, wird auch dieses Mal wieder enttäuscht. Die Rezepte sind, wie bei Hazan üblich, nicht bebildert. Sogar auf Zeichnungen wurde verzichtet. Aber, hey! Wer braucht den Schnickschnack? Das Wasser läuft einem beim Lesen im Munde zusammen und die Beschreibungen sind perfekt. Diese Frau hat 40 Jahre lang kaum etwas anderes gemacht, als Kochkurse gegeben. Foto: Rolf Heyne Collection