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„Plötzlich hatte ich ständig Nasenbluten“

Hania lebt in Pakistan und wurde mit 13 Jahren zur Klimaaktivistin.
Foto: Hania Imran

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Die Auswirkungen der Klimakrise bedrohen die Lebensgrundlage von Menschen weltweit. An manchen Orten sind die Folgen schon heute besonders zu spüren. In den Klimatagebüchern berichten Menschen davon, wie sich das Leben in ihren Regionen durch die Klimakrise verändert. 

In der sechsten Folge berichtet Hania Imran, 19, aus Pakistan, wie sie die große Flutkatastrophe vom Sommer 2022 in ihrer Heimat erlebt hat und warum sie trotz vieler Gefahren weiter für Klimaschutz auf die Straße geht. In einem Land, in dem Frauen systematisch unterdrückt werden. 

„Vergangenen Sommer hatten wir Temperaturen von fast 50 Grad. Während solcher Hitzewellen kann man das Haus quasi nicht verlassen. Auch wenn ich privilegierter bin als viele Menschen in Pakistan, weil ich eine Klimaanlage und einen Ventilator habe, spüre ich die Klimakrise deutlich am eigenen Körper. Ich hatte zwar keinen Hitzeschlag, aber mir war übel, ich war total erschöpft. Man muss eigentlich die ganze Zeit Wasser trinken und sich am besten viel im Haus aufhalten. Aber es gibt hier sehr viele Menschen, die draußen arbeiten müssen – bei so einer Hitze ist das unvorstellbar. In anderen Sommern war die Luft so extrem trocken und staubig von der Hitze, dass die Schleimhäute gereizt waren. Plötzlich hatte ich ständig Nasenbluten. Das habe ich vorher noch nie erlebt und ich weiß von vielen anderen, denen es genauso ging.  

Die massiven Überflutungen vergangenes Jahr haben vieles verändert. Bei mir haben sie kurzzeitig zu einer Art Schock und Trauer geführt. Ich habe ernsthaft überlegt, meinen Aktivismus hinzuschmeißen. Zu der Zeit war ich für eine Klimakonferenz in Österreich und ich habe mir fast die Augen ausgeweint: Ich fühlte mich so schuldig dafür, dass ich in Sicherheit war und irgendwie auch Spaß hatte, während zuhause Millionen Menschen litten. Ganze Gemeinden wurden einfach ausradiert, unzählige Familien starben. Viele bekamen nach den Überflutungen Malaria, Durchfallerkrankungen und Hautausschläge, vor allem Kinder waren davon betroffen. Sie hatten keine Kleider, keine Schuhe, alles war weg.

Es war schlimm, all das zu sehen und mitzubekommen. Und das ist auch der Grund, warum ich weitermache mit meinem Klimaaktivismus: Denn die betroffenen Menschen haben keine Zeit, sich Gedanken über Klimaangst zu machen oder darüber, wer Schuld ist an der Klimakrise – sie versuchen einfach nur zu überleben und ihre Kinder durchzubringen. Sie sollten sich nicht auch noch Gedanken über Dinge wie Nachhaltigkeit machen müssen. Es sind die Mächtigen der Welt, die etwas verändern müssen.

Seit den Überflutungen habe ich aber zumindest das Gefühl, dass die Klimakrise in der pakistanischen Gesellschaft anders wahrgenommen wird. Viele sind aufgewacht und sehen das Problem. Früher haben die Leute nicht verstanden, dass viele Naturkatastrophen durch die Klimakrise verschlimmert wurden. Die Fluten haben das verändert. Junge Menschen wollen sich jetzt engagieren. Aber ich sehe auch, dass viele von ihnen deprimiert sind und sich fragen, was ihr Engagement überhaupt bewirken soll. Das kann ich auch verstehen. Ich habe meine Mutter mal gefragt, warum sie dachte, dass es eine gute Idee wäre, in einem Entwicklungsland ein Kind in die Welt zu setzen. Sie antwortete: ‚Ich wusste, dass nur ein kleines Mädchen wie du etwas verändern könnte.‘ Mit 13 Jahren wurde ich Klimaaktivistin, ich habe Schilder aufgestellt gegen Müll auf den Straßen, weil das bei uns auch ein riesiges Problem ist.

Hier in Pakistan ist es sehr schwierig, Klimastreiks zu organisieren, weil die Behörden einem oft im Weg stehen, wenn man eine Demonstration anmelden will. Als Frau ist es noch schwerer, da wir das Haus nur in Begleitung verlassen sollten. Es ist nicht empfehlenswert, als Frau alleine draußen zu sein, es sei denn, es geht absolut nicht anders. Frauen werden in öffentlichen Parks belästigt, es kommt zu Vergewaltigungen und die Straßenkriminalität nimmt zu. Das heißt, man muss immer erst jemanden finden, der einen zu der gewünschten Zeit begleiten kann.

Ich muss die Menschen in meinem Umfeld auch immer davon überzeugen, dass ich durch meinen Aktivismus nicht in Gefahr bin – obwohl das so ist. Denn immer wieder werden aktivistische Frauen bedroht, vergewaltigt und teils auch umgebracht. Ich will nicht für diese ganzen Dinge auf die Straße gehen müssen und einfach ein normales Leben führen, aber es ist die einzige Lösung. Ich muss für Frauenrechte kämpfen, weil ich jeden Tag damit konfrontiert bin, dass wir nicht die gleichen Rechte haben wie Männer. Und ich muss mich für Klimagerechtigkeit einsetzen, für die Menschen, die nichts haben, außer ihre Hoffnung. Es würde mich beschämen, wenn ich mich als privilegiertere Person nicht für uns und unsere Zukunft einsetzen würde.“  

Mehr Informationen zu den Auswirkungen der Klimakrise auf Pakistan

Pakistan ist das fünft bevölkerungsreichste Land der Welt, etwa 230 Millionen Menschen leben hier. Klimaflucht ist ein zunehmendes Problem: Allein in Pakistan könnte es bis 2050 zwei Millionen Klimageflüchtete geben. Und bei dieser Prognose sind diejenigen noch nicht eingerechnet, die durch Klimakatastrophen wie Überflutungen oder Stürme vertrieben werden. Im vergangenen Jahr war zwischenzeitlich ein Drittel Pakistans überflutet, mehr als 1700 Menschen starben durch die Wassermassen. Die Flutkatastrophe hat enorme Ackerflächen verwüstet, Millionen Menschen sind auch Monate nach den Fluten von Hunger betroffen. Laut Weltbank zählt Pakistan zu den am meisten durch die Klimakrise gefährdeten Ländern.  

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