- • Startseite
- • Kleiner Drei
-
•
Zehn alternative Fragen zu "Bist du schwanger?"
Okay, real talk.
Es gibt da so eine Frage, bei der ich nicht verstehen kann, weshalb manche Menschen (Oh, so viele!) sie wiederum anderen Menschen (meistens jeder Frau zwischen Anfang 20 und Mitte/Ende 30) einfach so entgegen schleudern – mitunter sogar schon vor der Begrüßung. Also, ich verstehe natürlich schon, wo der Impuls herkommt (HELLO PATRIARCHY!), aber: der ist halt scheiße (HELLO AGAIN, PATRIARCHY!).
„Bist du schwanger?“
Diese Frage ist quasi radioaktiv.
Sie ist schließlich dermaßen aufgeladen, dass ein entspannter Umgang damit nahezu unmöglich ist – besonders für die Seite, der sie gestellt wird. Die einzige Erwartungshaltung scheint zu sein, dass die Befragte ein strahlendes „JA!“ herausbrüllt, anschließend einen Fruchtbarkeitstanz über eine spontan erscheinende Wiese vollführt, schließlich kein anderes Thema mehr kennt, am besten auch gleich das Geschlecht verrät etc. pp.
Lautet die Antwort allerdings „Nein!“, tja, dann dürfen sich alle in unangenehmer Peinlichkeit von der ungefähren Tiefe des Marianengrabens suhlen. Denn dann hat die Befragte ja schließlich die dufte Erwartungshaltung zerstört und gleichzeitig vermittelt bekommen: „WARUM SIEHT DEIN KÖRPER SO DICK AUS? WAS SOLL DAS??? ERKLÄR ES MIR SOFORT!!1!“
Vielleicht kann sie gar nicht schwanger werden? Vielleicht belastet sie das? Vielleicht war sie sogar schwanger, hatte aber eine Fehlgeburt? Vielleicht sind dem diverse Versuche vorausgegangen, schwanger zu werden, die aber nicht klappten? Vielleicht ist sie schwanger und noch vollkommen überwältigt davon, was das für ihr Leben bedeuten wird? Vielleicht hat sie Probleme, ihren Körper so anzunehmen, wie er ist? Vielleicht hat sie sogar eine Essstörung? Vielleicht wäre sie gerne schwanger, aber hat keine Ahnung, wie das mit Jobunsicherheit und eh schon drohendem Armutsrisiko überhaupt gehen soll? Vielleicht will sie auch einfach nicht schwanger werden? Vielleicht hat sie einfach keinen Bock, mit dir überhaupt über solch eine sehr persönlichen Entscheidung zu diskutieren?
Ich sag’s ja: radioaktiv.
Das Krasse ist: Sogar in Kreisen, die sich als feministisch verstehen, begegnet mir diese Frage immer wieder und da muss ich doch wiederum meine fellow feminists fragen: Was ist los? Das Private ist politisch, klingelt da nichts bei euch? Wir können doch nicht einerseits dafür kämpfen, dass Frauen selbst über ihre Körper entscheiden und diese endlichendlichendlich lieb haben dürfen und andererseits solche Bomben droppen? Da können wir dann nämlich noch so fleißig „Put a bikini on your body: Here is your beach body!!!“-Memes verteilen …
Ja, ich weiß: Der gesellschaftlichen Botschaft, Frauen aufs Mutterwerden zu reduzieren, ihre Körper gleichzeitig ungefragt zu kommentieren und damit oft auch zu bewerten, dieser Botschaft den Stinkefinger zu zeigen, ist nicht leicht. Schließlich werden wir alle quasi jeden Tag auf irgendeine Art und Weise damit konfrontiert. Das zu verlernen ist schwer, aber eben auch nicht unmöglich.
Nicole hat uns ja schon mal Strategien dafür aufgeschrieben, wie sich souverän auf „Bist du schwanger?“ antworten lässt und ich liebe ihren Text (und ihren Bauch) dafür weiterhin heiß und innig!
Allerdings frage ich mich bei sowas halt auch immer: Warum müssen wir als diejenigen, die ungefragt kommentiert werden, denn überhaupt souverän sein? Warum dürfen wir nicht einfach den nächstbesten Tisch umschmeißen und anzünden?
Wieso können nicht die potenziellen Frager und Fragerinnen kurz den kommunikativen Geigerzähler rausholen und checken, dass sie im Begriff sind, einer schlechten Idee Raum zu geben?
Bevor ihr also das nächste Mal droht, in den radioaktiven Bereich abzudriften, biete ich euch hier zehn Alternativen, um nach dem „Bist du schw…“ noch rechtzeitig abzubiegen. Ich weiß, ihr schafft das!
Was ihr zum Beispiel statt „Bist du schwanger?“ fragen könntet:
1. BIST DU SCHW… ANENFAN?
Vor allem im Netz haben Katzen, Hunde und Eulen die Nasen wie Schnäbel vorn was den Beliebtheitsgrad angeht. Aber Schwäne sind chill AF, sehen dabei fabulös aus und wenn jemand sie anpisst, gibt es keine Garantie auf Unversehrtheit mehr – klingt nach Fandom-Gold, sage ich mal.
2. BIST DU SCHW… ÄRMERISCH?
Diese Frage ist gleichzeitig der Blockbuster unter den Konversationsstartern, denn worüber lässt sich angenehmer reden, als über die Dinge, die uns zum Schwärmen bringen (siehe 1.)? Hach…
3. BIST DU SCHW… ANKEND?
Ob nun an Ort und Stelle – vielleicht befindet ihr euch ja auf einem Boot oder in den Kurven der Berliner U8 – oder auf die Bundestagswahlentscheidung bezogen: Es gibt diverse Gründe zu schwanken und darüber können wir gerne sprechen.
4. BIST DU SCHW… ERELOS?
Hurra! Heute ist ein guter Tag, um über die Vor- und Nachteile der Gravitation zu quatschen und den Bauch eures Gegenübers einfach unkommentiert zu lassen.
5. BIST DU SCHW… EIZERIN?
Egal wie die Antwort ausfällt, sind die Gesprächsthemen danach jedenfalls vielfältig: Käsefondue, Schokolade, Ovomaltine – oder auch einfach, welche komischen Stereotype es über die Schweiz noch so gibt.
6. BIST DU SCHW… INDELFREI?
Sozusagen der Cliffhanger unter den alternativen Fragen …
7. BIST DU SCHW… ITZIG?
Gerade im Sommer ist diese Frage ohnehin relevant und im besten Fall könnt ihr dann gemeinsam eine Abkühlung suchen. Prost!
8. BIST DU SCHW… ÜLSTIG?
Eine vortreffliche Frage für alle Freunde und Freundinnen des Pathos und herrlicher altmodischer Wörter. Schon muss man über den anderen Mumpitz gar nicht erst nachdenken. Famos!
9. BIST DU SCHW… IMMERIN?
Auch hier gilt: Über Hobbys zu sprechen bricht jegliches Konversationseis besser, als wenn eine Frage über den reproduktiven Status heraussprudelt.
10. BIST DU SCHW… EINECOOL?
Die Antwort hierauf kann selbstverständlich nur „Hell yeah!“ lauten und schon haben alle gewonnen. The end.
Wenn außerdem jemand tatsächlich schwanger ist und euch das wissen lassen möchte, wird das schon passieren. Trust me.
Gerade in Zeiten von Social Media gibt es schließlich ca. eine Million Möglichkeiten dafür. (Beyoncé anyone??)
Ansonsten könnt ihr natürlich auch mit den Varianten von „Bist du schwanger?“ ausprobieren, wie es ist, einfach über etwas anderes zu sprechen. Zum Beispiel mit „Kommt da etwa ein B… us?“ (alternativ zum Baby), oder „Oh, darf man gra… ugänse streicheln?“ (denn wann und wozu gratuliert wird, entscheidet in dem Moment nicht ihr).
Denkt dran: In erster Linie ist das einfach nur ihr Körper. Vermutlich beschäftigt sie sich eh schon mit dem Thema.
Ganz sicher aber geht es dich nichts an, solange die Person nicht selbst drüber sprechen möchte.
Und das ist alles absolut okay.
You’re welcome!
Dieser Text erschien zuerst auf kleinerdrei.org und stammt von Anne.
Das ist ein Gemeinschaftsblog, das 2013 von Anne Wizorek gegründet wurde. Zehn feste Autor_innen und sieben Kolumnist_innen schreiben hier regelmäßig über alles, was ihnen am Herzen liegt. Daher auch der Name kleinerdrei, der im Netzjargon für ein Herz steht: eben ein <3. Die Themen reichen dabei von Politik bis Popkultur und werden stets aus einer feministischen Perspektive betrachtet. Im Jahr 2014 wurde kleinerdrei in der Kategorie “Kultur und Unterhaltung” für den Grimme Online Award nominiert.