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Mein Vater und seine Thai-Frau

Foto: Happy

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"Sextourist" ist das Wort, das an Dieter Genreith klebt. Es ist das Wort, das seine Arbeitskollegen im Rathaus benutzen, wenn sie über ihn reden. Das Wort, das Unbekannte an der Tankstelle einander zuflüstern, wenn sie ihm und seiner thailändischen Frau Tukta begegnen. Das Wort, das vermutlich manche Leute sagen werden, wenn sie jetzt den Film von seiner Tochter Carolin sehen, der diese Woche auf dem DOK Festival in Leipzig Premiere feierte und in den kommenden Monaten ins Kino kommen wird. In Happy hat die 32-jährige Carolin die Geschichte von Dieter Genreith und Tutka Supaphon Pimsoda-Genreith aus Thailand verfilmt – aus ihrer Sicht. Sie wirft die Frage auf, die sich der Zuschauer auch sofort stellt: Ist das Liebe? Oder ein Deal?

Das Wort "Sextourist" ist inhaltlich natürlich Blödsinn, da sind sich Vater und Tochter ausnahmsweise einig. Zwar haben sich Dieter Genreith und Tukta in Thailand kennengelernt, allerdings war das nichts Kurzfristiges. Nach dreieinhalb Jahren hat er sie geheiratet, aktuell lebt Tukta mit ihm in Deutschland, auf seinem Bauernhof in der Eifel. „Ich war ja nicht auf der Suche, als ich nach Thailand gefahren bin. Und ich akzeptiere auch die Verantwortung, die so entstanden ist“, sagt Dieter Genreith in der Lobby des Motel One in Leipzig.

Diether Genreith, 63 Jahre alt, gestreiftes Hemd und runder Bauch, ist mit Tukta, ein Jahr älter als seine Tochter und sehr schlank, gerade erst angekommen. Zu spät, wie Carolin anmerken wird. Aber dass ihr Vater eben auch schon immer so gewesen sei, jemand, der auch zwei Stunden zu spät zum Weihnachtsfest auftaucht. Der seinen eigenen Kopf hat. Vielleicht war das einer der Gründe, weshalb die Ehe mit Carolins Mutter vor 14 Jahren gescheitert ist.

Der Film Happy hat auch mit ihr, die heute nicht anwesend ist, zu tun. Zum einen, weil Carolins Debütfilm Die mit dem Bauch tanzen von der Mutter handelte und ihr Vater „da vielleicht ein bisschen nachziehen wollte“ und deshalb bei einem derart persönlichen Thema eingewilligt hat. Aber eben auch, weil Dieter Genreith so auf einmal mit knapp 50 Jahren wieder alleine dastand. „Ich wurde im Alter zwangsgetrennt. Da war der Film für mich eine Chance, meine Sicht darzustellen. Zu zeigen, dass es viele Männer in Deutschland gibt, denen es genau so geht, die dann niemanden mehr in Deutschland abkriegen. Und für die Frauen aus Thailand eine Chance sind“, sagt Dieter Genreith. Es klingt ernst gemeint.

Einsatz Carolin: „Das stimmt doch nicht, Papa! Es gibt auch viele Männer, die im Alter ihre Frauen verlassen!“

Dieter Genreith: „Nein, die Männer gehen mit 30 oder 40, die Ü50 werden verlassen!“

Carolin: „Das fühlst du vielleicht so. Das heißt nicht, dass es stimmt.“

Szenen wie diese gibt es auch viele im Film. Auf der einen Seite Carolin, die ihren Vater liebt, sich aber offenkundig schwer tut, sein Handeln zu verstehen. Die immer wieder wissen will, warum es nicht auch eine gleichaltrige Frau aus Deutschland hätte sein können. Die sich fragt, was eine Frau wie Tukta an einem so viel älteren Mann finden kann. Und auf der anderen Seite Dieter Genreith, der sehr schonungslos sein Alter und die eigene Einsamkeit reflektiert, für den eine Frau wie Tukta ein Geschenk des Himmels ist.

Seit Tukta mit Dieter Genreith zusammen ist, ist ihre Familie nur noch selten auf Reis-Zwangsdiät.

 

Und Tukta selbst? Die sitzt bei all dem meist schweigend daneben. Sie macht derzeit einen Integrationskurs in Deutschland, versteht schon viel von der Sprache, kann sie aber noch nicht so gut sprechen. Ab und zu übersetzt Dieter Genreith ihr die Fragen auf Thai, das hat er in all den Jahren, die er das Land bereist hat, ein wenig gelernt.

 

Dabei ist gerade ihre Perspektive eine der ganz großen Stärken von Carolins Dokumentarfilm. Neben ihrem Vater, dessen Einsamkeit in der Eifel die Regisseurin wirklich herzzerreißend schildert, ohne ihn vorzuführen, sieht man darin nämlich auch Tuktas Leben. Vater und Tochter haben sie besucht in dem kleinen Dorf im Nordosten Thailands, zwei Stunden von der laotischen Grenze entfernt. Dort lebt sie mit ihrer Familie, ihren Eltern, Geschwistern und dem kleinen Sohn Tui aus erster Ehe mit einem Thai. Wenn das Geld aus ist, isst die Familie nur noch Reis. Die schönen Häuser in dem Dorf stehen dort hingegen wegen der "Farangs", der weißen Ausländer, die eine thailändische Frau geheiratet haben. Tukta träumt davon, dass Dieter Genreith auch so ein Haus baut, oder zumindest mietet. Seit sie mit ihm zusammen ist, ist die Familie nur noch selten auf Reis-Zwangsdiät. 200 Euro schickt er jeden Monat nach Thailand, auch Tuis weiterführenden Schulbesuch wird er bezahlen. Dafür nimmt Tukta in Kauf, ihren Sohn manchmal monatelang nicht zu sehen,wenn sie in der Eifel ist.

 

Im Film kann sie darüber sprechen, wie schwierig das für sie ist. Weil ein Dolmetscher dabei war. Heute, in der Leipziger Hotellobby, ist das komplizierter. Wegen der Sprachbarriere, und außerdem hat Tukta, im Gegensatz zu ihren Mann, den Film noch nicht gesehen. Nur einmal, als Dieter Genreith erzählt, dass er vorher bereits mit mehreren thailändischen Frauen zusammen war, darunter auch mit Tuktas Schwester, sagt sie besorgt: „Wie kannst du das erzählen? Wie wirkt das denn jetzt?“ 

 

Dieter Genreith lacht darüber. So haben sie sich halt kennengelernt, über die Schwester, die er wiederum bei einem Regenschauer zufällig in einem Café angetroffen hat. Für ihn zeigt die Geschichte, dass er Tukta nicht „gekauft“ hat, wie ihm manche Menschen vorwerfen. „Ich sage dann immer sowas wie: Jaja, in Thailand sind die ganz günstig, man bekommt sie im Doppelpack“, sagt Dieter Genreith, aber dieses Mal lacht er nicht. Dann fragt er auf einmal, völlig unvermittelt: „Was denken Sie denn, wie das wirkt? Was denken Sie über Männer, die mit thailändischen Frauen zusammen sind?“

 

Die Frage ist absolut berechtigt. Weil man sie sich eben auch stellt, nachdem man Carolins Film gesehen hat. Was ist das mit Dieter Genreith und Tukta? Ein Abkommen? Einer gibt wirtschaftliche Sicherheit, der andere seine Nähe? Oder ist das doch mehr? Dieter Genreith selbst sagt, er und Tukta hätten schon eine Liebesbeziehung, auch wenn sie natürlich anders sei als die Beziehung zu seiner Ex-Frau, Carolins Mutter. Dass er sich endlich wieder gewertschätzt fühlen würde. Carolin wiederum sagt: „Ich glaube, Tukta gibt meinem Vater Freiheit. Die Chance, sich nochmal jung zu fühlen, begehrt zu werden. Auch wenn es dabei vielleicht gar nicht so sehr um seinen Charakter und sein Aussehen, sondern eher um sein Portemonnaie geht.“ Und was denkt Tukta? Im Film sagt sie, dass sie nie wieder einen Mann aus Thailand heiraten möchte. Zu viele schlechte Erfahrungen. Aber Dieter habe ein gutes Herz. Vielleicht ist das tatächlich das Wichtigste.

 

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