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Kinderkriegen-Kolumne Folge 3: Die offene Ehe
Vater + Mutter = Kind – das war einmal. Heute ist die Frage nach der Familienplanung hochpolitisch. Will man überhaupt welche? Was bedeutet das für die Beziehung? Und wenn man sich dafür entscheidet – geht das dann so einfach? In dieser Kolumne erzählen Menschen von ihrer Entscheidung für und gegen Kinder.
Caroline, 34, hat zwei Kinder (drei und eins) und führt eine offene Ehe:
Unsere Putzfrau sagt oft: „Caroline, wie hast du das nur geschafft, es ist alles so perfekt bei dir!“ Auf dem Papier sind wir tatsächlich ganz konservativ. Ich bin verheiratet, habe zwei kleine Kinder, einen Jungen und ein Mädchen. Mein Freund und ich sind seit zehn Jahren zusammen und haben sogar kirchlich geheiratet. Ich komme aus einer katholischen
Gegend und hatte vor der Hochzeit einen nostalgischen Anfall. Ich dachte, das muss jetzt irgendwie sein. Dabei ist mein Freund Agnostiker. Oft bekomme ich zu hören: „Oh, du sagst aber Freund und nicht Ehemann!“ Als hätte ich in der Schule bei den Hausaufgaben einen Fehler gemacht. Einmal war ich so genervt davon, dass mein Freund sagte: „Dann
lassen wir uns eben wieder scheiden.“
Seit wir zusammen sind, erlauben wir uns, Techtelmechtel mit anderen zu haben. Das ist bis jetzt nur bei mir vorgekommen, vielleicht, weil wir verschiedene Typen sind: Ich bin extrovertiert, er eher introvertiert.
Ich kann mich nicht erinnern, mich jemals mit ihm drüber unterhalten zu haben, ob wir die Beziehung öffnen. Den Begriff „offene Beziehung“ gibt es bei uns nicht. Alles, was mit einem Konzept daherkommt, drängt sich uns gar nicht auf. Es war auch keine Frage, ob wir was ändern, als ich schwanger wurde. Klar kann ich Paare verstehen, die nach dem
Kinderkriegen die Beziehung nicht mehr offen führen, weil sie weder Kapazitäten noch Lust auf andere haben. Schlimm finde ich nur, wenn es aus normativen Gründen passiert: Wir haben jetzt Kinder, wir dürfen das nicht mehr.
„Die meisten Menschen, mit denen ich was habe, kommen aus dem Bekanntenkreis“
Männer, mit denen ich was hatte, kennen meine Kinder oft. Einer war der Trauzeuge meines Freundes, ich war wiederum Trauzeugin bei seiner Hochzeit. Vor den Kindern ist unsere offene Beziehung allerdings kein Thema, das machen wir Erwachsenen unter uns aus. Wir haben keine anderen festen Partner, deshalb ist das nicht im näheren Orbit unserer Kinder. Wenn etwas mit anderen läuft, dann außerhalb unseres Zuhauses.
Unsere Kinder haben mich auch nie einen anderen küssen sehen. Sollten sie nachfragen, wenn sie älter sind, würde ich ihnen das offen erklären:
Kinder können und sollen aus meiner Sicht mit vielen Einflüssen umgehen lernen.
Bis jetzt hatte ich mit anderen immer ziemlich klassische One-Night-Stands. Das passiert ein paar Mal im Jahr, wenn’s hochkommt. Manchmal bahnt sich das langsam an, manchmal geht’s ganz schnell. Die meisten Menschen, mit denen ich was habe, kommen aus dem Bekanntenkreis. Wir sind uns emotional also schon nah. Ich könnte mit niemandem was haben, den ich nur schön finde.
Durch meine Kinder habe ich Frieden mit meinem Körper geschlossen. Das erste Kind hat mir dieses Geschenk gemacht, das zweite Kind hat noch eine Schleife drumgebunden. Vorher hatte ich nie das beste Verhältnis zu meinem Körper und Sex allgemein. Nach der Schwangerschaft war ich allerdings viel entspannter mit mir. Ich habe herausgefunden: Was ist meine Lust? Was gefällt mir, was nicht? Der Krieg gegen meinen Körper ist seitdem beendet. Das hat den Sex in unserer Beziehung revolutioniert. Andererseits hatte ich dadurch aber auch viel mehr Lust, mit anderen zu schlafen. Ich kann jetzt leichter signalisieren, wenn mir jemand gefällt. Wenn der andere dann „nein“ sagt, ist das für mich aber auch voll in Ordnung.
„Die klassische monogame Beziehung ist der Endgegner“
Wenn ich mit anderen zusammen bin, habe ich das Gefühl, ich bin am Leben. Es ist eine Form von Freiheit. Ich glaube, auch andere Männer könnten da freigeistiger sein. Aber sie wachsen in einem normativen System auf, in dem Männlichkeit um das Besitzen von Frauen kreist.
Wenn was mit jemand anderem lief, fragt mein Freund nicht nach. Er freut sich, wenn es mir gut geht und er sieht, dass ich happy bin. Wir streiten uns nicht aus Eifersucht. Da haben wir andere existenzielle Probleme. Manchmal regt er sich zum Beispiel auf, wenn ich am nächsten Tag verkatert und übermüdet bin und er sich mehr um die Kinder kümmern muss. Denn eigentlich ist unsere Freizeit geregelt: Jeder hat seine Abende.
Wichtig ist, dass man morgens um sieben wieder am Start ist und seinen Pflichten nachkommt.
Viele glauben an die Kernfamilie, also Vater, Mutter, Kind. Mein Freund und ich sind beide überhaupt nicht so: Je voller das Haus, desto besser. Wir fahren mit anderen in den Urlaub oder verbringen gemeinsame Abende. Die Kleinfamilie ist so ein ausgedientes Konzept. Sie ist einfach nicht die beste Lösung für unsere Lebensrealität, auch was Arbeitsverteilung und Logistik angeht. Wir leben, wie viele, nicht in der Nähe unserer Eltern. Dabei glaube ich, es braucht wirklich ein Dorf, um ein Kind zu erziehen. Also haben wir nicht nur uns beide und Babysitter sondern auch Freude, Freundinnen, Nachbarn, Großeltern und Eltern von KiTa-Freunden, die auf unsere Kinder aufpassen. Für unsere Kinder ist dieser Austausch normal. Unser Sohn führt mit seinen drei Jahren schon Nachbarschafts-Zaungespräche.
Es ist so einfach, sich für modern zu halten. Dabei leben Akademikerpaare traditionelle Rollenmuster. Dem Mann fällt nach der Schwangerschaft auf, dass er ja Vollzeit gebraucht wird, also arbeitet sie halbtags. So vergessen wir alle unsere Ideale. Ich verachte das. Man kriegt Kinder, um Zeit mit ihnen zu verbringen. Mein Freund ist Software-Entwickler. Er hat beide Male die erste Hälfte der Elternzeit übernommen, einmal sogar, als er sich gerade auf eine neue Stelle beworben hatte. In seiner Firma ist er die erste Führungskraft, die zurück aus der Elternzeit in Teilzeit gegangen ist. Männer müssen auch selbst Pioniere sein. Sonst zementieren sich solche Rollenunterschiede und man ist da, wo die Vorfahren waren.
Die klassische monogame Beziehung: Das ist der Endgegner. Wir finden es beide bescheuert, stur nach dieser eingeschränkten Vorstellung zu leben. Meinen Freund zu fragen, wenn ich jemandem nah sein will, hat nichts mit Besitz zu tun, sondern damit, dass ich Sorge für sein Wohl trage. Ich frage nicht: „Gibst du mich frei?“ Sondern: „Passt das für dich?“ Trotzdem glaube ich, dass wenn mein Freund das erste Mal mit einer anderen schläft, ich ihm gegenüber bestimmt grauenvoll wäre. Dabei wäre das total unfair. Denn eigentlich bin ich mir sicher, dass er immer wiederkommen würde, weil zwischen uns was Untrennbares ist.