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Kinderkriegen-Kolumne: Das Nesthäkchen
Vater + Mutter = Kind – das war einmal. Heute ist die Frage nach der Familienplanung hochpolitisch. Will man überhaupt welche? Was bedeutet das für die Beziehung? Und wenn man sich dafür entscheidet – geht das dann so einfach? In dieser Kolumne erzählen Menschen von ihrer Entscheidung für und gegen Kinder.
Katharina* (53) war 42 Jahre alt als sie Lukas* (11) bekam. Damals hatte sie schon drei ältere Kinder. Hier berichtet sie darüber, wie es ist, mit neun Jahren Abstand zum letzten Baby noch einmal Mutter zu werden. Lukas berichtet aus seinem Leben als Nachzüglerkind.
Katharina:
Ich bin mit 42 Jahren zum vierten Mal Mutter geworden, damals hatte ich schon drei Kinder: Eine 15-jährige Tochter sowie zwei Söhne im Alter von zwölf und neun Jahren. Lukas war Nummer vier – ein absolutes Wunschkind. Heute ist er elf Jahre alt. Dass er ein Nachzüglerkind geworden ist, hing letztendlich mit meiner beruflichen Situation zusammen. Nach drei Kindern wollte ich im Job erstmal Fuß fassen, doch irgendwann dachte ich, jetzt oder nie und habe dann gemeinsam mit meinem Mann entschieden, dass wir auf unser Herz hören und es noch einmal versuchen. Sorgen hatten wir dennoch. Mein Mann machte sich aber mehr Gedanken als ich. Was, wenn das Kind behindert zur Welt kommen würde? Zudem hatte er auch Sorge, dass ein Baby seine gerade erst etwas wiedergewonnene Freiheit einschränken würde. Doch als wir dann schwanger waren, überwog einfach nur die Freunde auf dieses kleine Menschlein, dass da in mir heranwuchs.
„Viele konnten sich nicht vorstellen, dass man in meinem Alter mit Absicht noch ein Baby bekommt“
Vorab hatten wir das Thema Baby auch bei unseren Kindern natürlich mal angedeutet. Meine Tochter hatte sich immer eine kleine Schwester gewünscht, ihr konnte ich allerdings nur sagen, dass es ein Baby wird, welches Geschlecht, das lag schließlich nicht bei uns. Sie meinte zunächst, das sei okay, aber so ganz egal war es ihr dann doch nicht, als feststand, dass es nun der dritte Bruder wird. Die Meinung meiner Söhne zum Thema Baby war gespalten: Der ältere wollte nicht unbedingt noch mehr Geschwister, der damals kleinste Bruder fand es toll, denn er wollte nicht mehr der Jüngste sein. Als Lukas dann auf der Welt war, waren jedoch alle ganz schnell verliebt.
Von anderen Leuten habe ich gemischte Reaktionen erfahren. Viele konnten sich nicht vorstellen, dass man in meinem Alter mit Absicht noch einmal ein Baby bekommt. Fremde Menschen haben mich sogar konkret darauf angesprochen und jemand sagte mir einmal ins Gesicht, wie ich das verantworten könne, in meinem Alter noch ein Kind zu bekommen. Das habe ich der Person auch sehr übelgenommen, aber dazu einfach geschwiegen und mir die Retourkutsche gespart.
„Meine Tochter hat vor Klassenarbeiten auch mal im Garten im Zelt geschlafen“
Dass plötzlich wieder ein kleines Baby da war, war für alle Beteiligten natürlich auch anstrengend. Lukas hat viel geschrien, wir waren alle oft nachts wach. Meine Tochter hat daher vor Klassenarbeiten öfter mal im Zelt im Garten geschlafen oder bei Freundinnen übernachtet, um morgens fit zu sein. Beim vierten Kind ist mir nochmal aufgefallen, was sich auch in Bezug auf andere Eltern in den letzten zehn Jahren verändert hat: Nicht zu stillen ist heute relativ kritiklos möglich, bei uns war das damals eher verpönt, es gibt viel mehr Kaiserschnitt-Entbindungen und viele Mütter fangen sehr früh wieder an zu arbeiten. Bei uns war das damals noch anders, wir haben uns oft mit den Kindern getroffen und uns mehr Zeit gelassen, bevor es wieder zurück in den Job ging.
Mittlerweile ist es wirklich eine Freude zu sehen, wie Lukas unsere Familie im Alltag zusammenhält. Wir haben nie ein leeres Haus, so wie ein paar meiner Freundinnen, bei denen alle Kinder nun ausgezogen sind. Hier ist immer jemand da, es gibt Essen und wir halten Traditionen wie Weihnachten aufrecht und gestalten alles so wie wir es damals auch bei unseren älteren Kindern gemacht haben. Das finde ich schön.
Dennoch sollte man meiner Meinung nach nicht versuchen, der Natur ein Schnippchen zu schlagen und beispielsweise mit 60 auf künstlichem Wege noch Kinder bekommen. Für mich war die Grenze immer dort, wo ich auf natürlichem Wege keine Kinder mehr bekommen könnte – also ab den Wechseljahren. Ansonsten kann ich nur allen empfehlen auf ihr Herz zu hören und für sich die richtige Entscheidung zu treffen. Ich persönlich bin jedenfalls absolut glücklich, dass ich meine vier liebenswerten Kinder habe.
Lukas:
Dass meine Geschwister so viel älter sind als ich finde ich teilweise gut, teilweise nicht so gut. Gut ist, dass man viele Weihnachtsgeschenke bekommt und wenn ich irgendwo abgeholt werden möchte, kann ich mal meinen Bruder fragen. Außerdem bekomme ich mehr Aufmerksamkeit, weil die anderen nicht mehr zuhause wohnen. Die Nachteile daran sind aber, dass es auch langweilig ist, wenn die anderen nicht da sind und ich zum Beispiel keinen kleinen Bruder zum Spielen habe. Einen zu haben wäre schon schön, der würde mich manchmal mehr verstehen. Wie ein Einzelkind fühle ich mich aber nicht, denn ich besuche meine Geschwister auch öfter mal oder sie kommen zu mir und dann machen wir immer coole Sachen.
„Meine Schwester ist manchmal wie eine zweite Mutter für mich“
Was mich allerdings manchmal nervt, ist, dass alle immer an mir rumziehen, weil ich nun mal der Jüngste bin und so einen großen Abstand zu ihnen habe. Dann wird mir reingeredet, wie ich etwas machen soll oder dass ich ins Bett gehen soll. Die anderen sind alle oft so vernünftig. Meine Schwester ist fast 16 Jahre älter als ich und wohnt in einer anderen großen Stadt. Wenn ich sie da besuche, ist sie für mich eher wie eine zweite Mutter, aber wenn sie hier nach Hause kommt, dann eher wie eine Schwester.
Lustig war es früher immer als wir in der Stadt waren: Da war ich mit meiner Schwester unterwegs und alle dachten, sie wäre meine Mutter. Einmal wollten wir irgendwo reingehen und dann fragte sie jemand nach einer Unterschrift als Erziehungsberechtigte. Dann hat sie gesagt: „Ich bin nur seine Schwester.“ Die Leute fanden das ganz schön peinlich, glaube ich.
„Wenn meine Geschwister mal länger im Ausland waren, dann war ich schon traurig“
Als ich noch kleiner war, habe ich mich viel mit den Größeren verglichen und mich geärgert, wenn ich etwas nicht so gut konnte wie sie. Ich wollte zum Beispiel immer so gut Klavier spielen können wie mein Bruder oder auch mal einen Salto auf dem Trampolin schaffen. Das hat mich dann genervt, dass ich das nicht konnte. Jetzt sehe ich das nicht mehr so eng. Und für den Salto habe ich ganz viel geübt, den kann ich jetzt auch!
Ich glaube, der Unterschied zu anderen Kindern und deren Geschwistern ist, dass meine Brüder und meine Schwester schon als ich klein war, viel weg waren – ausgezogen sind oder im Auslandssemester waren. Da war ich immer sehr traurig, aber habe mich dann auch total gefreut, wenn sie wieder da waren. In den Urlaub kommen sie auch meist nicht mehr mit, aber wir fahren immer mit Freunden von Mama und Papa zusammen, die auch Kinder haben. Das finde ich gut, denn sonst wäre es auch sehr langweilig. Insgesamt bin ich aber froh, so wie es ist und dass meine Familie viele coole Sachen mit mir unternimmt und wir immer viel Spaß zuhause haben.
* Auf Wunsch der Protagonisten wurden deren Namen von der Redaktion geändert.