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Die jetzt-Kettengeschichte, Teil 21
Was bisher geschah: Anna jobbt an der Tankstelle und haut mitten in der Nachtschicht ab - zum Mensch-ärgere-dich-nicht-Turnier, bei dem ihr Schwarm Gerwin Gewinner antritt. Doch dort sperren Gerwin und die alte Liesel Maier Anna auf einem Dachboden voller berühmter Kunstwerke ein. Annas Chef Paul, der die Entführer schon aus seiner Zeit als illegaler Kunsthändler kennt, taucht auf, um sie zu retten...und wir finden uns auf einmal in einer Parallelwelt wieder, in der Anna den Roman "Nachtschicht" gelesen hat und in die Geschichte hineingesogen wurde. Gemeinsam mit ihrer Freundin Rana stürzt Anna durch ein schwarzes Loch zurück in die Romanwelt. Gerwin und Liesel setzen sie unter Drogen, Paul taucht auf und rettet Anna, während Rana verwirrt in einem Kerker zurückbleibt. Durch eine Tür gelangen Anna und Paul zurück in die Parallel-Realität, wo sie Ranas Partnerin Bernhard ermordert vorfinden...
Alle vorigen Teile der Kettengeschichte kannst du hier nachlesen. Und hier kommt Teil 21 von jetzt-Userin wollmops.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Paul stöhnt. "Wir müssen uns jetzt als erstes überlegen, was wir den Bullen erzählen."
Anna wird langsam wütend. "Vielleicht kannst du dir mal überlegen, was du mir erzählst", faucht sie. "Ich bin entführt worden und unter Drogen gesetzt, hab von deiner Vergangenheit als Kunstdieb erfahren, meine beste Freundin verloren – und deren Freundin ist ERMORDET worden. Wenn du mir nicht sofort erzählst, was da abgeht, gehe ICH zu den Bullen und erzählen denen mal von deinen Beziehungen zu Gerwin und Liesel!"
"Schon gut, schon gut", unterbricht Paul Annas Gekeife. "Gehen wir mal in die Tanke zurück, da haben wir erstmal Ruhe, und dann erzähl ich Dir alles." Anna beruhigt sich nur mit Mühe. Sie ist selbst verwundert, wie sehr es sie schmerzt, dass Paul ihr soviel verheimlicht hat. Als sie die Tankstelle betreten, kämpft sie mit den Tränen.
"Setz dich", sagt Paul und nimmt zwei Bierdosen aus dem Kühlschrank. "Also hör mal zu." Anna schnieft. Und dann kommt die unglaublichste Geschichte, die sie je gehört hat.
"Dass ich mit Liesel und Gerwin geklaute Kunst vertickt hab, weißt du ja schon", beginnt Paul. "Das lief eine Zeit lang super, wir haben viel in Italien, Spanien, Griechenland zusammengeklaut, wo sie kaum Geld für Museumswärter haben. Zum Beispiel im Vatikan. Alles rennt in die Sixtinische Kapelle und wir haben in aller Ruhe die etruskischen Vasen abgeräumt. Dabei ist dann auch zum ersten Mal was passiert." Paul nimmt einen Schluck Bier und räuspert sich. "Da war so ein oller Topf mit irgendeinem geometrischen Viech drauf. Ein Idol oder so, keine Ahnung. Auf jeden Fall … also, kaum hatten wir das Ding über die Schwelle des Museums getragen, fängt eine irre Alarmsirene an zu kreischen. Wir natürlich Schweißausbruch, kannste dir vorstellen. Bis wir checken, dass das nur in unseren Köpfen war. Keine Sau hat was gemerkt, wir beinahe krepiert. Liesel hat dann kapiert, wie man es abstellt; sie hat es einfach zurückgetragen ins Museum. Kaum war das Teil wieder an seinem Ort, hat es Ruhe gegeben."
"Hä?" fragt Anna.
"Ganz recht", sagt Paul und schüttet mehr Bier in sich hinein. "Wir haben damals festgestellt, dass manche Artefakte offenbar…wie soll ich das sagen… naja, gewisse Kräfte haben. Also nicht in dem Sinne, dass man sich jetzt gut fühlt, wenn man einen Picasso anguckt, sondern…naja, du hast es ja selbst gesehen, als Liesel dir den Schild vor die Nase gehalten hat." Anna zuckt zusammen, als sie an die schräge Fahrt durch das Innere der Schlange denkt. "Mit manchen konnten wir umgehen, mit anderen nicht", fährt Paul fort. "Die etruskische Vase haben wir nie 'bedienen' gelernt. Aber den Schild schon und da gab es noch anderes. Einen Van Gogh, der Horrortrips auslöst, sobald man ihn berührt, und komisch: das Gegenmittel ist eine Mont Sainte-Victoire von Cézanne. Zum Glück waren die im gleichen Museum, Gerwin ist uns beinahe draufgegangen. Wir haben auch" – er kichert – „ein total banales Landschaftsbild von Courbet, das bei bloßer Betrachtung heftige Orgasmen auslöst."
"Nich wahr, oder?" Anna wird rot und ärgert sich über ihre Verklemmtheit.
"Doch. Naja, eine Zeitlang war das ziemlich witzig. Bloß…" Pauls Miene verdüstert sich. "Liesel und Gerwin waren total besessen von dem Zeug. Am Anfang war das nur nervig, weil sie fette Gewinnchancen links liegen ließen, wenn nichts Magisches dabei war. Einmal hätte ich einen Caravaggio klauen können, stell dir das vor, und keiner wollte Schmiere stehen, weil das Bild eben nichts konnte. Aber dann…dann haben sie übles Zeug entdeckt. Und…also, ich musste da raus. Die haben null Hemmungen mehr. Ich bin mir ganz sicher, dass Bernhards Ermordung auf ihr Konto geht; irgendwie war die denen im Weg. Und naja, ich hab das Gefühl, die planen irgendwas extrem Krasses. Weltherrschaftsmäßig. Auf diesem Dachboden hab ich ein Teil gesehen, dass mir ziemliche Angst macht."
"Was?" fragt Anna. "Was meinst du? Was kann das?"
"Ein ägyptisches Amulett des Totengottes. Ich fürchte eben…aber nee, das kann eigentlich echt nicht sein." Gerade will Anna nachfragen, als sie plötzlich eine Veränderung in Pauls Miene wahrnimmt. "Hörst du das?" fragt er und lauscht angespannt in die Nacht. Anna nimmt ein Schlurfen wahr und ein Stöhnen wie aus vielen Kehlen. Paul stürzt zur Tür und schließt sie ab, dann löscht er das Licht in der Tankstelle, so dass sie nach draußen blicken können.
Dutzende, vielleicht Hunderte von Gestalten bewegen sich langsam und schweigend auf die Tankstelle zu. Sie schlurfen, sie hinken, sie stöhnen und röcheln. Einige Gesichter sind im Licht der Straßenlaternen zu erkennen; die Augen sind bestenfalls verdreht; bei einigen sind nur leere Höhlen zu sehen. Die Kleidung der Gestalten hängt in Fetzen herab, einigen fehlen Gliedmassen. Und alle bewegen sich auf die Tankstelle zu, auf die kleine Oase von Paul und Anna.
"Scheiße", sagt Paul. "Genau, was ich befürchtet hab. Eine Zombie-Invasion."
Du willst wissen, wie es weitergeht? Teil 22 der Kettengeschichte erscheint am 18. September.
Text: jetzt-redaktion - Illustration: Yinfinity