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Die jetzt.de-Kettengeschichte, Teil 12
Was bisher geschah: Anna bekommt an ihrem öden Arbeitsplatz, der Tankstelle, seltsamen Besuch und haut anschließend mitten in der Nachtschicht einfach ab. Ihr Ziel: Das Mensch-ärgere-dich-nicht-Turnier, bei dem ihr Schwarm Gerwin Gewinner antritt. Doch dort wird Anna gefangengenommen - Gerwin und eine Fee namens Tinkerbell, die sich später als die alte Tankstellenstammkundin Liesel Maier entpuppt, sperren sie auf einem Dachboden voller berühmter Kunstwerke ein. Was haben sie vor? Annas letzte Hoffnung: ihr Chef Paul, der den Dachboden unbemerkt erreicht und sich ein Bild von der Lage gemacht hat. Neben Anna interessieren ihn dabei die Kunstwerke besonders, weil er eine Zweitidentität als Kunstdieb und illegaler Händler lebt. Mutig tritt er schließlich aus dem Schatten und zeigt sich Gerwin und Liesel.
Alle vorigen Teile der Kettengeschichte kannst du hier nachlesen. Und hier kommt Teil 12 von jetzt-Userin StGabi.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
„Lange nicht gesehen, Paul. Du hast länger gebraucht, als ich dachte. Wohl etwas aus der Form, mh?“ Gerwin zieht einen der alten Stühle heran und fordert Paul unwirsch auf, sich hinzusetzen. Er selbst setzt sich rücklings, breitbeinig und selbstsicher auf einen zweiten Stuhl. „Wie in einem schlechten Agententhriller“, denkt Paul. Noch immer hat dieser Typ dieses völlig überzeichnete Selbstbewusstsein und überschätzt sich ständig selbst. Ihm fehlt es einfach an der nötigen Logik und Strategie für solide Aktionen dieser Art. Liesel baut sich neben Gerwin auf. Trotz, oder vielleicht gerade wegen ihres Alters besitzt sie diese kriminelle, listige Würde, voller Stolz und Berechnung. Paul traut dieser pensionierten Scheinkriminellen wesentlich mehr zu, nicht zuletzt wegen ihres Grips. Sie würde schon eher in seiner Liga spielen.
Anna ist wie erstarrt. Noch vor einer Sekunde sah sie den Klavierhocker auf sich zukommen. Die Ereignisse rasen an ihr vorbei bis sie realisiert, dass Paul da ist. Er hat sie doch tatsächlich vor dem Schlimmsten bewahrt. Die Wirkung der Droge scheint langsam nachzulassen und Anna beginnt vorsichtig, sich umzusehen. Mittlerweile scheint es zu dämmern. Es sind mehr als drei Stunden seit der verrückten Traktorfahr vergangen. Ganz unauffällig wendet sie den Kopf, immer in Erwartung, dass diese verrückte Frau sie noch einmal angreift. Da blitzt etwas Rotes in ihrer Nähe auf. Ihr rotes Polo und die Jean sind achtlos über eine Skulptur geworfen. Eine sehr farbenfrohe Skulptur, von bizarrer, rundlicher Form. Das wird doch nicht, das ist doch nicht wirklich...ein Murakami?! Wenigstens hat Gerwin keinen einseitigen Kunstgeschmack, denkt Anna und konzentriert sich wieder auf ihre Klamotten. Irgendwann wird sie wohl aus diesem verrückten Kleid schlüpfen können. Anna bewegt sich vorsichtig auf allen Vieren Richtung Kunstwerke.
Anna hält vorsichtig das Kleid, um kein Geräusch zu verursachen. Auf allen Vieren lehnt sie sich so weit wie möglich nach vor, greift nach ihrer Jean und ihrem Polo und zieht sie zu sich heran. Unsicher zur Seite blickend bewegt sie sich wieder rückwärts und hofft inständig, dass keiner sie bemerkt. Wieder an ihrem Platz knüllt sie die Kleider zusammen und befestigt sie am Mieder ihres Kleides. Wie komme ich hier bloß wieder raus? Und was für eine Scheiße ist das mit Paul? denkt sie verzweifelt. Die einzige Tür zum Dachboden ist durch Gerwin blockiert. Ihre Blicke streifen das zerbrochene Fenster an der Ostseite des Dachbodens, die alten abgenützten Möbel und kehren wieder zu den gestohlenen Kunstwerken zurück. Da scheint ein Türrahmen zu sein, beinahe zur Gänze durch die Bilder verdeckt. Hatten nicht alte Villen und Gutshäuser früher oftmals Hintertreppen und verwinkelte Aufgänge durch Anbauten? Es sich bezahlt wohl bezahlt gemacht, denkt Anna, dass sie neulich bei einer Nachschicht im Architekturmagazin geblättert hat. Wenn sie großes Glück hat, ist diese Tür nicht abgeschlossen. Paul würde es wohl schaffen, sie aufzubrechen. Sie muss also versuchen, Paul auf die Tür aufmerksam zu machen, ohne dass die anderen es bemerken.
Paul blickt seinem Gegner fest in die Augen. „Weißt Du, Paul“, sagt Gerwin, „es hat einige Zeit gedauert, bis wir dich gefunden haben. Die Sache mit dem Picasso ist keineswegs vergessen, da hast du dich getäuscht. Aber, wir sind nicht nachtragend. Wir möchten lediglich auf deine Fähigkeiten zurückgreifen. Und damit du motiviert bleibst, wird deine kleine, süße Anna noch ein bisschen bei uns bleiben, nicht wahr, Anna?“ Anna kauert in ihrer Ecke und verhält sich starr und ängstlich. Niemand soll bemerken, dass sie bereits ihre eigenen Pläne verfolgt. Sie kann nicht fassen, was sie hört. Paul und eine Sache mit einem Picasso? Das würde bedeuten, dass dieses kleinkrämerische Gehabe als Tankstellenbesitzer nur Fassade war. Sie hatte sich in ihm getäuscht. Er hatte sie getäuscht. Wie konnte sie nur so dumm sein und glauben, dass sie mehr ist als eine Angestellte?
Anna ist richtig wütend.
Du willst wissen, wie es weitergeht? Teil 13 der Kettengeschichte erscheint am Donnerstag, den 17. Juli.
Text: jetzt-redaktion - Ilustration: Yinfinity