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Tim Mälzer: "Ich kann nicht immer nur vom Butterbrot erzählen"

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In Stellenanzeigen wird von Bewerbern einiges verlangt: Teamfähig sollen sie sein, flexibel und zuverlässig. Doch wie wichtig sind Schlüsselqualifikationen im Job wirklich? Wir fragen bekannte Persönlichkeiten. Folge 18: Tim Mälzer über Entscheidungsfähigkeit. jetzt.de: Seit April läuft deine Kochsendung in der ARD - einmal die Woche statt wie früher fünfmal. War der Wechsel ins öffentlich-rechtliche Fernsehen die richtige Entscheidung? Tim Mälzer: Für mich persönlich war es genau die richtige Entscheidung. Einerseits ist mein Leben dadurch entschleunigt worden und andererseits kann ich immer noch das machen, was ich am liebsten tue: Für andere kochen. Allerdings stehst du jetzt mit Hemd und Pullunder am TV-Herd. Bist du seriöser geworden? Das finde ich nicht. Als ich mit dem Fernsehen angefangen habe, wollte ich den klassischen, eher spießigen Kochsendungen entgegentreten und habe gezeigt, dass man auch mit Dosentomaten gut kochen kann. Manchmal ist ja ein selbstgemachtes Butterbrot schon geil. Aber irgendwann ist dieses Konzept eben ausgelutscht, ich kann nicht immer nur vom Butterbrot erzählen. Deshalb gehe ich jetzt etwas ruhiger an die Sache ran, eben so wie ich auch zuhause koche. Aber seriöser bin ich deswegen nicht geworden. Ich bin immer noch ich selbst. Nach einem Zusammenbruch Mitte 2006 hast du dich für eine relativ lange Karrierepause entschieden. Ist dir diese Entscheidung schwer gefallen? Überhaupt nicht. Wenn man plötzlich am Tropf hängt und Medikamente braucht, um überhaupt noch ein paar Schritte laufen zu können, dann ist das ein deutliches Zeichen dafür, dass nicht mehr alles rund läuft. Warum hätte es mir da schwer fallen sollen, mich für eine Pause zu entscheiden?

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Tim Mälzer, 38, absolvierte zwischen 1992 und 1995 eine Kochlehre im Hamburger Hotel Intercontinental. Danach arbeitete er unter anderem mit Jamie Oliver in London und bei Sternekoch Christian Rach. Von 2003 bis 2007 moderierte er die Sendung "Schmeckt nichts gibt's nicht" auf Vox, seit April 2009 läuft "Tim Mälzer kocht!" in der ARD. Naja, immerhin stand deine Karriere auf dem Spiel. Das einzige Risiko bestand ja darin, dass ich womöglich nicht mehr in den Medien sein würde. Aber mal ehrlich: Das war ich doch vorher auch 35 Jahre lang nicht und mein Leben war trotzdem lebenswert. Ich habe in meinem Restaurant siebzig Mitarbeiter und glaube nicht, dass die weniger glücklich sind als ich, nur weil sie nicht im Fernsehen kochen. Was ist denn Karriere schon gegen Gesundheit? Wodurch wurde dein Burnout-Syndrom eigentlich ausgelöst? Das kann ich bis heute nicht so genau sagen. "Burnout" ist ja eine sehr allgemeine Umschreibung für körperliche und geistige Erschöpfung. Bei manchen Menschen führt das zu Antriebslosigkeit, andere fangen zu saufen an und ich habe mir eben immer noch mehr Arbeit aufgeladen. Solange bis plötzlich gar nichts mehr ging. Fordert uns die heutige Berufswelt zu sehr? Gut möglich, denn auch bei uns Köchen ist das ja heute so: Wenn du mit 28 Jahren noch kein Küchenchef bist, dann hast du eigentlich schon verloren - das ist schlimm. Es ist in der heutigen Zeit ein bisschen so, wie es in den Fünfziger und Sechziger Jahren mal war, als die Berufswahl das Leben bestimmt hat. Um ehrlich zu sein, bin ich sehr froh darüber, dass ich die härteste Zeit schon hinter mir habe. Im Vergleich zu meinen jungen Jahren habe ich da mittlerweile eine echte Tiefenentspanntheit entwickelt. Wie hast du das geschafft? Nach meinem Zusammenbruch habe ich mir erstmal eine Auszeit genommen, habe einfach entspannt. Danach habe ich für mich eine gewisse Arroganz entwickelt. Was ich damit meine ist, dass ich es mir nicht mehr ganz so doll zu Herzen nehme, wenn andere Kritik an mir üben. Sei es wegen meiner Ausdrucksweise, meines Klamottenstils oder meines Sprachfehlers. Man muss all das nicht mögen, aber ich lasse mir heute von keinem mehr einreden, dass ich mich deshalb ändern muss. Hast du bestimmte Strategien entwickelt, um mit Kritik besser umgehen zu können? Es war ja nicht direkt so, dass ich mit der Kritik nicht umgehen konnte. Aber ich hatte ein großes Bedürfnis danach, dass mich andere Leute genauso wahrnehmen wie ich mich selbst sehe. Wenn die Leute mich falsch verstanden haben, war ich deshalb immer geneigt dazu, ihnen zu erklären, wie es wirklich ist. Heute dagegen denke ich mir: Wenn ihr mich so sehen wollt, dann macht das! Das trägt sehr zu meiner Entspannung bei. Trotz des Zusammenbruchs hast du dich dazu entschieden, ein neues Restaurant, die "Bullerei", zu eröffnen. Hast du keine Angst davor, dass du dich wieder übernehmen könntest? Früher war ich von acht Uhr morgens bis drei Uhr nachts im Restaurant. Ich wollte nicht, dass die Leute denken, der Mälzer arbeitet zu wenig. Inzwischen ist es so: Wenn ich müde bin, dann schlafe ich auch mal aus und wenn ich keine Lust mehr habe, dann höre ich einfach auf zu arbeiten. So wie ich das jetzt gerade tue: Ich sitze in meinem Restaurant und trinke eine Tasse Kaffee. Außerdem spiele ich drei Mal am Tag an dem Kicker, der hier steht. In der jetzt.de-Redaktion steht auch ein Kicker. Wirklich? (lacht) Also das Kickern ist für mich so ein Ding, wo ich den Kopf total frei kriege. Wenn es viel zu tun oder viel zu entscheiden gibt, dann wird einfach eine halbe Stunde lang gekickert. Man ist da so sehr aufs Spiel konzentriert, dass man danach wieder total gereinigt ans Werk gehen kann. Kannst du gut kickern? Um ehrlich zu sein, bin ich gnadenlos schlecht. Aber dafür labere ich meine Kollegen an die Wand! So ein latenter Größenwahn ist schließlich sehr gesund (lacht). Beim Kickern mache ich mir auch die kleinen Erfolge zum absoluten Happening. Das kenne ich auch vom einen oder anderen Redakteur hier. Aber zurück zum Stichwort Entscheidungsfähigkeit: Welche war eigentlich die schlechteste Entscheidung deines Lebens? Es gab viele schlechte Momente in meinem Leben, aber keine wirklich schlechte Entscheidung. Denn die Summe aller guten und schlechten Entscheidungen hat mich letztlich dahin geführt, wo ich jetzt bin. Ich bin eben nur so wie ich bin, weil ich in meinem Leben auch schlechte Entscheidungen getroffen habe. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit ein Mensch überhaupt entscheidungsfähig ist? Ich denke, man darf nicht zu viel auf das Geschwätz anderer geben, stattdessen sollte man sich selbst gegenüber eine gewisse Offenheit zeigen und sich eingestehen, wenn etwas falsch läuft. Bei aller Rücksichtnahme muss man sich manchmal selbst am nächsten sein und aufhören, immer nur Dinge für andere zu tun, wenn man selbst darunter leidet. Ein Plädoyer für mehr Egoismus? Ich finde, man darf sich ruhig auch mal selbst überschätzen und die Meinung anderer ignorieren. Jede Entscheidung birgt ein gewisses Risiko und kann schief gehen, aber auch dann kommen dabei manchmal ganz spannende Sachen raus. Abgesehen von der Entscheidungsfähigkeit: Welche Eigenschaften braucht man, um im Beruf erfolgreich zu sein - ohne sich dabei völlig zu überfordern? Ganz banal ausgedrückt: Wenn man etwas gerne macht, wird man für sich auch Erfolg haben. Erfolg ist ja sowieso immer eine ganz persönliche Sache und nicht jeder definiert Erfolg über seinen Beruf. Um ehrlich zu sein: Ich fand mich schon immer erfolgreich. Und im Grunde finde ich es sehr erfolgreich, dass ich nach meinem Burnout gesagt habe, dass ich einen Schritt zurückgehe. Das war eine gute Entscheidung. *** Alle bisher veröffentlichten Folgen der Jobkolumne findest du hier.

Text: andreas-glas - Foto: Philipp Rathmer

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