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Miriam Pielhau: "Ich habe beschlossen, für immer gesund zu bleiben"
In Stellenanzeigen wird von Bewerbern einiges verlangt: Teamfähig sollen sie sein, flexibel und zuverlässig. Doch wie wichtig sind Schlüsselqualifikationen im Job wirklich? Wir fragen bekannte Persönlichkeiten. Folge 20: Miriam Pielhau über Motivationsfähigkeit. jetzt.de: Miriam, wie geht es dir? Miriam Pielhau: Zum Glück sehr gut. Ich bin körperlich und psychisch wiederhergestellt und bin voller Demut und Dankbarkeit dafür, dass ich geheilt bin. Natürlich besteht die Möglichkeit, dass der Krebs wiederkommt, aber ich habe für mich bereits den Entschluss gefasst, mein restliches Leben lang gesund zu bleiben. Du hast die Geschichte deiner Brustkrebserkrankung aufgeschrieben. Warum gehst du damit an die Öffentlichkeit? Es mag widersinnig klingen, dass ich jetzt mit einem Buch über ein sehr persönliches Thema an die Öffentlichkeit gehe - daher ist die Frage berechtigt. Das Buch ist für mich eine Antwort auf die quälende Sinnfrage nach der Diagnose: Warum ich und warum jetzt? Schon während der Therapie habe ich festgestellt, dass meine Erfahrungen mit der Krankheit anderen Patienten helfen, also habe ich meinem Mann gefragt, was er davon hält, diese Erfahrungen mit weiteren Menschen zu teilen. Er fand diese Idee sehr wichtig und so ist das Buch entstanden. Du hast Operationen, eine besonders aggressive Chemotherapie und Bestrahlung hinter dir. Auch die Haare sind dir ausgefallen. Wie hast du es geschafft, dich jeden Tag aufs Neue zu motivieren und gegen die Krankheit anzukämpfen? Diese Frage ist für mich so schwer zu beantworten. Irgendetwas in mir hat gesagt: Schultern straffen, Kinn heben und kämpfen! Vielleicht nennt man das den ungezähmten Überlebenswillen. Ich hatte ja auch gar keine andere Wahl.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Miriam Pielhau, 34, war Chefredakteurin des Senders Giga und wurde dafür mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Danach moderierte sie unter anderem die Sendungen taff auf Pro Sieben, das Morgenmagazin auf Sat 1 und Big Brother (RTL 2). Im Frühjahr 2008 wurde bei Miriam Pielhau Brustkrebs festgestellt, den sie dank Operation und Chemotherapie überwinden konnte. Nun ist ihr Buch "Fremdkörper" erschienen, indem sie den Kampf gegen den Krebs beschreibt. Ist dieser Kampfgeist Teil deines Naturells? Wenn du mir vor drei Jahren gesagt hättest, dass ich mit dieser Krankheit konfrontiert werde, hätte ich darauf getippt, dass ich hysterisch zusammenbreche. Frag mich also nicht, woher dieses Jetzt-erst-Recht-Gefühl kam. Es war wohl der tiefe Wunsch, nicht sterben zu müssen. Hattest du Strategien dafür, dich selbst an schlechten Tagen zu motivieren oder kann es auch wichtig sein, sich mal einen ganzen Tag lang im Bett zu verkriechen? Das habe ich auch gemacht, vor allem an Tagen an denen ich sehr müde war. Aber eine ganz wesentliche Strategie hatte ich schon: Das Laufen. Es gab nur fünf Therapietage, an denen ich keinen Sport gemacht habe und das Laufen hat mich aus dem psychischen Tief rausgeholt. Ich bin der Krankheit im sprichwörtlichen Sinne davongelaufen. Und es hat funktioniert. Kostet so eine Chemotherapie nicht wahnsinnig viel Kraft? Die Therapie habe ich in Form von Müdigkeit gespürt, ja. Für alle anderen Nebenwirkungen gab es Medikamente. Aber auch gegen die Müdigkeit hat das Laufen geholfen, es hat meinen Kreislauf angefeuert. Oft bin ich todmüde losgelaufen und als ich wieder zurück war, habe ich mich fitter gefühlt als zuvor. Bemerkenswert war es, dass du noch während den Therapiezyklen die Motivation aufgebracht hast, deiner Arbeit als Moderatorin nachzugehen. Wie hast du das geschafft? Wenn man so eine Diagnose kriegt, dann steht plötzlich überall an den Wänden in blutunterlaufenen Buchstaben das Wort Krebs geschrieben. In dieser schwierigen Zeit war dieser eine Tag Arbeit in der Woche ein willkommenes Geschenk, um wieder in die Normalität zu finden. Es hat so gut getan, dass sich mein Leben mal nicht permanent um dieses eine Thema gedreht hat. Ohne meine Arbeit wäre ich kaputt gegangen. Du hast zu dieser Zeit "Big Brother" moderiert - ein sehr seichtes Format, das in krassem Gegensatz zu deiner ernsten Erkrankung stand. Konntest du deine Konzentration wirklich voll und ganz auf die Moderation dieser Sendung richten? Es hat vielleicht genau deshalb so gut geklappt, weil es ein unterhaltendes Format ist. "Big Brother" hat mich auf völlig andere Gedanken gebracht. Außerdem war ja relativ schnell klar, dass ich eine relativ gute Chance hatte, wieder völlig gesund zu werden. Dafür war ich sehr dankbar, das ist ja leider nicht bei allen so.
Ist die Fähigkeit zur Selbstmotivation erlernbar oder hat man das einfach im Blut? Sagen wir mal so: Ich bin grundsätzlich schon ein Typ, der das Glas halb voll sieht. Aber das heißt ja nicht, dass ich gar keine schweren, melancholischen Momente hatte. Ich denke schon, dass man Optimismus konditionieren kann, indem man ihn sich immer wieder einredet, bis man es schließlich selbst glaubt. Ich habe gelernt, dass man die Seele ein bisschen belügen kann und dass das Vorgaukeln von guter Laune dazu führt, dass man irgendwann wirklich gut drauf ist. Gibt es in deinem jetzigen Leben überhaupt noch Tage, an denen du lieber den ganzen Tag im Bett liegen bleiben würdest anstatt zur Arbeit zu gehen? Es ist eher so, dass es jetzt solche Tage gibt, an denen ich es mir auch mal gestatte, im Bett zu bleiben und den ganzen Tag zu gammeln. Früher habe ich mich da zusammengerissen, mich immer überwunden. Heute sage ich mir: Herzlich Willkommen zu einem wunderschönen Schlafzimmertag! Das klingt, als hätte die Karriere jetzt einen anderen Stellenwert für dich als vor deiner Krebserkrankung? Definitiv. Ich war zwar ohnehin nie die ganz krasse Karrierefrau, aber es hat sich schon manches verändert. Ich heule zum Beispiel meinen verpassten Chancen nicht mehr hinterher. Früher habe ich schon manchmal gejammert, dass ich trotz gutem Abitur, Studium und Grimme-Preis noch immer kein anspruchsvolles Late-Night-Format in der ARD moderiere. Spätestens jetzt weiß ich aber, dass ich ein tolles Leben, einen tollen Partner und eine tolle Familie habe. Ich schaue mich um und denke mir: Alles ist gut. Findest du Karrieremenschen jetzt albern? Nein, ich gestatte es jedem, karrierebewusst und zielstrebig zu sein. Irgendwie erkenne ich mich darin ja auch ein Stück wieder. Ich habe früher schon sehr viel gearbeitet, war angespannt bis verkrampft, hatte manchmal an einem Tag drei Termine in drei verschiedenen Städten. Heute weiß ich, dass das ungesund war. Deshalb packt mich manchmal schon das Mitleid, wenn ich einem Kollegen ansehe, dass das Leben an ihm vorbeizieht - nur der Karriere wegen. Ich weiß, dass du mit diesem Thema offen umgehst: Erotik während einer Krebserkrankung. Kann das zusammen passen? Ich habe lange überlegt, ob ich das Thema mit ins Buch nehmen soll. Die Ärzte haben mir schließlich explizit dazu geraten, dieses Tabuthema zu beschreiben, um es gesellschaftsfähig zu machen. Ich versuche es mal zu erklären: Während einer Krebserkrankung verändert sich der Körper einer Frau. Um es mal flapsig auszudrücken: Es flutscht nicht mehr alles so wie es sollte. Ich fand das sehr schade, weil ich ein genauso starkes Lustempfinden hatte wie vor der Krankheit. Aber es gibt ja Hilfstmittel, um die Sache etwas geschmeidiger zu gestalten. Wie schwierig ist es für den Partner? Natürlich braucht man für die Erotik während einer Krankheitsphase einen Partner, der einem zeigt, dass man immer noch schön und begehrenswert ist. Ich und mein Mann Thom wissen jetzt, dass Sex ein tolles Antidepressivum ist und es gibt kaum etwas Innigeres, als sich nach dem Sex in den Armen zu liegen und zu sagen: Diesem Scheiß-Krebs treten wir so was von in den Arsch! Das tut echt wahnsinnig gut. Mit all deiner Erfahrung, die du in letzter Zeit gesammelt hast: Was muss man im Job mitbringen, um erfolgreich zu sein? Ich glaube, dass beruflicher Erfolg immer an die Fähigkeit zur Selbstreflexion gebunden ist, man muss ehrlich zu sich selbst sein. Nur wer seine Schwächen und Stärken regelmäßig überprüft, wird Erfolg haben. Leider besitzen nur sehr wenige diese Fähigkeit.
Text: andreas-glas - Foto: Stephan Pick