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Kickbox-Weltmeisterin Christine Theiss: "Zielstrebigkeit ist die halbe Miete"
In Stellenanzeigen wird von Bewerbern einiges verlangt: Teamfähig sollen sie sein, flexibel und zuverlässig. Doch wie wichtig sind Schlüsselqualifikationen im Job wirklich? Wir fragen bekannte Persönlichkeiten. Folge 12: Christine Theiss über Zielorientierung. jetzt.de: Christine, muss man sich bewusst hohe Ziele stecken, um am Ende auch erfolgreich zu sein? Dr. Christine Theiss: Mein Endziel ist schon sehr hoch, aber ich setze mir zunächst immer realistische Etappenziele, auf die ich mich kurzfristig konzentriere. Erst wenn ich ein Ziel erreicht habe, setze ich mir das nächste. Mit dieser Strategie ist man nicht ganz so frustriert, wenn man mal ein Ziel verpasst. Ich habe mich vor fünf Jahren ja auch nicht hingestellt und gesagt: Ich will Weltmeister werden! Das wäre utopisch gewesen. Profi-Weltmeisterin im Vollkontakt-Kickboxen bist du später trotzdem geworden. Ich glaube ja auch, dass es vernünftig ist, sich in ferner Zukunft ein großes Ziel zu setzen. Aber setzt man sich ein zu hohes Ziel, dann besteht die Gefahr, dass man die Ziele, die man bereits erreicht hat, gar nicht mehr zu würdigen weiß. Außerdem braucht man immer auch das Glück, zur richtigen Stelle am richtigen Ort zu sein. Wenn ich nicht im Kampfsportzentrum Steko gelandet wäre, dann wäre ich in keiner Weise da, wo ich jetzt bin.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Christine Theiss, 29, ist seit 2007 amtierende Profi-Weltmeisterin im Vollkontakt-Kickboxen. Bis vor kurzem studierte sie an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität Medizin und wurde zum Dr. med. promoviert.
Karriereberater raten jungen Menschen dazu, sich möglichst früh für ein Ziel zu entscheiden und straight darauf hinzuarbeiten. So soll man sich frühzeitig einen Vorsprung vor der Konkurrenz verschaffen. Siehst du das genauso?
Prinzipiell kann man den Karriereberatern schon recht geben, dass man sich früh festlegen sollte. Aber bei mir persönlich ist es eher so gewesen, dass alles ganz anders gekommen ist, als ich geplant hatte. Eigentlich hatte ich mich ja schon recht früh entschieden, auf keinen Fall Medizin zu studieren.
Sondern?
Ich wollte Sport studieren. Meine Eltern waren nämlich beide Ärzte und diesen Stress wollte ich mir nie antun. Aber ich habe mich in der Praxis ausprobiert, Spaß daran gefunden und schließlich doch Medizin studiert. Dass ich jetzt wiederum hauptberuflich Sport mache, ist also eher Ironie der Geschichte.
Frühzeitige Planung führt also nicht immer direkt zum Ziel?
Es ist in meinem Sport ja zwangsläufig so: Ich weiß immer erst drei Monate im Voraus, wann mein nächster Kampf ist. Lange planen kann ich also gar nicht. Wenn alles im Leben fest durchgeplant ist, dann ist das bestimmt ein schönes Ruhekissen, aber sicher auch langweilig.
Im Ring ist Zielstrebigkeit aber schon wichtig, oder?
Klar, denn im Ring habe ich eine Gegnerin, die das gleiche Ziel hat wie ich. Also muss ich den größeren Willen haben. Ich darf mich nicht von ihren Treffern abschrecken lassen, muss ruhig bleiben und fest an das Ziel glauben, meinen WM-Gürtel zu verteidigen. Diese extreme Zielstrebigkeit ist im Ring die halbe Miete.
Ist diese Zielstrebigkeit dein Erfolgsrezept?
Wie gesagt: Ich versuche, von einem Schritt zum nächsten zu denken. Aber jeden Schritt den ich mache, will ich hundertprozentig machen. Das ist schon ein Erfolgsrezept.
Viele Unternehmen legen am Anfang des Geschäftsjahres ihre konkreten Ziele fest und prüfen am Ende des Jahres, ob sie erreicht wurden. Machst du das mit deinem Trainer auch so?
Es wird nicht unbedingt Buch geführt, aber natürlich gibt es nach jeder Trainingseinheit ein Feedback. Und nach jedem Kampf, also in der Regel alle drei Monate, wird Tacheles geredet mit meiner Trainerin Pavlica Steko und mit meinem Manager Mladen Steko. Dann wird klar analysiert: Was habe ich gut umgesetzt? Und: Was habe ich falsch gemacht? Anhand dieser Analyse werden dann die Trainingsziele für das nächste Quartal festgelegt.
Ziele zu setzen ist ja einfach, aber Ziele zu erreichen erfordert meist hohe Disziplin. Kann man Zielorientierung trainieren?
Manchmal muss man Dinge einfach tun, anstatt stundenlang nur darüber nachzudenken. Ich mache zum Beispiel heute noch meine Wohnung sauber, weil ich mir das fest vorgenommen habe. Es gibt da so einen Spruch: Dinge, die man nicht mag, soll man wenigstens gerne tun.
Zum Beispiel?
Es gibt bestimmte Trainingseinheiten, vor denen mir schon Tage zuvor graut. Das ist schlimm. Aber ich klammere mich an das traumhafte Gefühl, das sich einstellt, wenn man etwas Unangenehmes hinter sich gebracht hat.
Was hältst du von To-do-Listen?
Es bringt natürlich nichts, früh aufzustehen und dann erst zu überlegen, was ich heute machen könnte. Wenn ich keine Tagesstruktur habe, dann schaffe ich gar nichts.
Wenn man deine Vita liest, dann scheint es fast so, als hättest du alle Ziele schon erreicht. Was soll da noch kommen?
Privat kommt natürlich irgendwann eine Familie. Und im Sport möchte ich meinen WM-Titel so oft wie möglich verteidigen und gesund bleiben. Das Kickboxen macht mir einfach großen Spaß.
Abgesehen von der Zielorientierung: Welche Schlüsselqualifikationen sollte man noch mitbringen, um im Beruf erfolgreich zu sein?
Ich denke, dass in der Medizin vor allem Empathie sehr wichtig ist. Und ganz allgemein halte ich Teamfähigkeit für eine große Stärke. Ich glaube, dass die Ellbogenmentalität zwar kurzfristig etwas bringt, aber langfristig stellt man sich damit ins Abseits.
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Alle bisher veröffentlichten Folgen der Jobkolumne findest du hier.
Text: andreas-glas - Fotos: kickboxen.de