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Gerald Asamoah: "Kämpfen habe ich in Deutschland gelernt"

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In Stellenanzeigen wird von Bewerbern so einiges verlangt: Teamfähig sollen sie sein, flexibel und zuverlässig. Doch wie wichtig sind Schlüsselqualifikationen im Job wirklich? Wir fragen bekannte Menschen. Heute: Gerald Asamoah über Durchhaltevermögen. jetzt.de: Als im Jahr 1998 ein Herzfehler bei dir festgestellt wurde, haben dir die Ärzte zum sofortigen Karriereende geraten. Weitergemacht hast du trotzdem. Warum? Gerald Asamoah: Der Glaube an Gott und an mich selbst waren einfach zu stark. Aber es war natürlich schon komisch, als dieser Herzfehler aufgetaucht ist. Am Anfang war es ja tatsächlich so, dass mir ein Professor gesagt hat, dass ich nie wieder Fußball spielen kann. Nachdem das bekannt geworden war, äußerte auch der DFB große Bedenken. Bevor ich wieder spielen durfte, wollten die eine ärztliche Versicherung haben, wo drin steht, dass kein Risiko da ist. Ich brauchte also dringend einen Arzt, der mir bestätigt: Alles ok, der Junge kann weiterspielen! Und einen Arzt, der sagt: Wenn doch was passiert, dann nehme ich das auf mich! Du bist fündig geworden. Ja, ich habe mich über Spezialkliniken in den USA informiert, wo man mir sagen konnte, wie groß die Gefahr in Prozentzahlen ist. In Deutschland hatte ich diese Auskunft nicht bekommen. Wie haben die amerikanischen Ärzte die Gefahr eines plötzlichen Herztodes bei dir beziffert? Mir wurde gesagt, dass die Gefahr bei unter einem Prozent liegt. Ein Prozent – da ist es genauso wahrscheinlich, dass mich jemand auf der Straße umfährt. Da habe ich gesagt: Das ziehe ich durch!

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Gerald Asamoah, 30, spielt für den Bundesligaverein Schalke 04 und hat 43 Länderspiele für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft bestritten. Im Jahr 2001 gab er als erster gebürtiger Afrikaner sein Länderspieldebüt. Hast du zwischenzeitlich darüber nachgedacht, dich beruflich neu zu orientieren? Ehrlich gesagt, habe ich mir in dieser Hinsicht keine Gedanken gemacht. Ich bin ein Typ, der nach vorne schaut. Aber wenn ich in Deutschland aufgrund meines Herzfehlers keine Spielerlaubnis bekommen hätte, dann wäre für mich klar gewesen, dass ich in ein anderes Land gehe und es dort probiere. Als Fußballer. Ich habe mir also nie überlegt, dann zum Beispiel Koch zu werden. Was hat sich seit der Diagnose verändert? Am Anfang habe ich mir natürlich schon Gedanken über das Sterben gemacht. Ein halbes Jahr später konnte ich damit aber schon gut umgehen und heute fühle ich mich wie ein gesunder Spieler. Mit dem Unterschied, dass ich jeden Tag meine Tabletten einnehmen muss. Deine Herzerkrankung war nicht die einzige Hürde, die du überwinden musstest. Im Stadion wirst du immer wieder mit Rassismus konfrontiert. Hast du nie ans Aufhören gedacht, um dir all das zu ersparen? Eigentlich nicht. Ich wollte diesen Leuten einfach nicht das Recht geben, mir den Spaß am Fußball zu nehmen. Aber es gab dieses Pokalspiel in Rostock, kurz nach der WM 2006. Damals wurdest du von Rostocker Anhängern übel beschimpft und musstest dir bei jeder Ballberührung Affenlaute anhören. Ja, ich wurde als einziger Spieler beschimpft und ausgebuht. Und all das kurz nach dieser tollen WM! Da habe ich mit dem Gedanken gespielt, ob es noch Sinn macht, als Schwarzer für Deutschland zu spielen. Aber wenn ich zurückgetreten wäre, dann hätte ich mich von diesen Leuten unterkriegen lassen. Und von solchen Idioten lasse ich mich nicht unterkriegen! Hast du dir eine Strategie zurechtgelegt, trotz Beschimpfungen 90 Minuten durchzuhalten? So etwas tut natürlich sehr weh, aber man wird älter und ich versuche mir zu sagen: Diesen Leuten darf man keine Beachtung schenken! Ich kann sogar sagen, dass mich die Beleidigungen stärker gemacht und mich motiviert haben. Ist Durchhaltevermögen nicht eine Eigenschaft, die jeder Fußballer mitbringen sollte, um in dem Geschäft zu bestehen? Ja klar. Gerade als junger Spieler ist das schwierig, weil du nicht weißt, wer es gut mit dir meint und wer nicht. Am Anfang war es auch mal so, dass ich mich nach zwei guten Spielen zurückgelehnt habe. Aber wenn man älter wird, dann lernt man viel dazu. Wie hast du es geschafft, Verletzungsphasen durchzustehen? Während einer Verletzungspause ist der Druck enorm, aber es ist alles eine Kopfsache. Vor allem der Beinbruch im Herbst 2006 war eine der schwersten Verletzungen, die man als Fußballer haben kann. Ich dachte: Jetzt ist alles vorbei. Da muss ich einfach sagen: Es ist mein Glaube, der mich sehr stark gemacht hat. Abgesehen vom Glauben: Woher kommt deine Zähigkeit? Ganz ehrlich: Es sind die deutschen Tugenden. Ich habe das Kämpfen gelernt, als ich mit zwölf Jahren hierher nach Deutschland gekommen bin. Ich habe schon früh gewusst, dass ich nie ein Techniker wie Ronaldinho sein werde, aber ich hatte Kampfgeist. Das ist meine Art. Ich musste im Leben schon immer viel kämpfen und kann das jetzt auf dem Platz umsetzen. Für dein Technikdefizit wurdest du in der Fachpresse häufig kritisiert. Wie schwer trifft dich solche Kritik? Man kann nicht immer geliebt werden, also gehört Kritik dazu. Wenn du immer gelobt wirst, dann stimmt irgendetwas nicht. Ist die Fähigkeit des Nicht-Aufgebens die wichtigste Eigenschaft, die man im Berufsleben mitbringen muss? Für den Fußball gilt: Wer nicht kämpft, verliert das Spiel. So ist das auch im Leben. *** 2007 gründete Gerald die „Gerald Asamoah Stiftung für herzkranke Kinder“. Das langfristige Ziel ist der Aufbau eines Kinderherzzentrums in Accra, der Hauptstadt seines Geburtslandes Ghana. Mehr Infos zur Stiftung gibt es hier. Alle bisher veröffentlichten Folgen der Jobkolumne findet ihr hier.

Text: andreas-glas - Foto: dpa

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