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Fernfahrerkolumne (VI): Durchs wilde Winnetouistan

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Nach viel zu viel ausgegebenen türkischen Lira: Raus aus Istanbul, raus aufs Land, raus in die echte Türkei. Die echte Türkei ist gleich so echt, dass man hinter jeder Bergkuppe wahlweise die Filmcrew eines Spaghetti-Western oder einen Sioux-Häuptling erwartet. Die sind da aber nicht. Sondern dicke, alte Frauen, die sich selbst zum Trampen einladen, sobald das Auto einmal steht. Zahnlose Männer mit Pullis, auf denen „This is a lack of education!“ steht.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Landschaft im wilden Winnetouistan (teilweise verdeckt von jungem Eheglück) Fotos: Patrick Desbrosses Und: noch mehr Berge, noch mehr weites Nichts, noch mehr Höhlen, noch mehr Schluchten. Viel zu sehen. Deshalb meine neue Fahrtaktik: Fünf Sekunden Landschaft gucken, eine Sekunde auf die Straße schauen, fünf Sekunden Landschaft gucken, eine Sekunde Straße. Klappt gut. Nur einmal, bei einer kurvenreichen Passstraße, neben einer Schlucht, nicht ganz so gut. Mit dem Schrecken davon gekommen, versuchen wir uns zu erholen. Da bot sich ein Sonntagsmarkt auf einer Wiese an, auf dem die Bewohner der Region zusammenkommen. Obwohl früher ein Viehmarkt, wird hier inzwischen alles verkauft. Auch Tiere, die aber nur in Einzelteilen. Am Ende des Geländes die Open-Air-Schlachterei, für ganze Lastwagenladungen Schafe und Ziegen der letzte Halt vor dem Tierhimmel. Das ging so: Erste Station: Schnitt in die Kehle. Zweite Station: Kopf und Beine ab. Dritte Station: Aufhängen. Fell ab. Ausbluten lassen. Vierte Station: Ekelige Sachen mit den Innereien machen. Fünfte Station: Weiteres Zerhacken. Sechste Station: Durch die Blutsuppe Fleischtransport zum Metzgerei-Stand, dann Verkauf. Siebte Station:Grill.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Die Open-Air-Schlachterei Fotos: Patrick Desbrosses Bis auf die eine Streber-Ziege, die freiwillig-freudig über die niedrige Mauer der Schlachterei in ihren Tod sprang, haben uns die süßen Ziegen und Schäflein fast Leid getan. Aber nur fast: Denn dazu waren sie einfach zu lecker. Besonders am Abend: Musa und Ayshe Ötztürk haben uns zu sich nach Hause eingeladen. Das Zuhause waren zwei Zelte in den Bergen Anatoliens, in denen wir uns hoffnungslos verfahren hatten. Um uns herum: das Moped und der immer fressende Esel der Familie, wildestes Winnetou-Gebirge, Sterne und die hundert Ziegen von Musa. Außerdem: Ümit, der Satansbraten von Sohn und ein Hundewelpen. Damit der kleine Hund von seiner Mama das Ziegenhüten vernünftig lernt, wurde er immer wieder mit Steinen verscheucht, obwohl wir ihn gerne gestreichelt hätten. Aber nur so kann Musa in Ruhe Tee trinken und sein Bein hochlegen. Das ist etwas dick, seit er mit dem Moped hingefallen ist. Ayshe kocht in der Zeit auf dem Holzfeuer leckeren Eintopf aus der ehemaligen 101. Ziege, dazu Reis mit Ziegenstreifen und Nudeln und Joghurt ganz ohne Ziege.


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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Musa und Ayshe: Bärenstarke Gastgeber Fotos: Patrick Desbrosses Über Ziegen konnten wir uns gut verständigen, sie kann man mit Handzeichen und Meckern imitieren. Alles andere war schwieriger: zehn Worte Türkisch vs. zwei Worte Englisch. Lügen ging trotzdem ganz gut: Ja, „Evli, evli!“, das Spatzerl und ich sind verheiratet. Nein, noch keine Kinder, yavaş, yavaş. Ja, Foto-Patrick ist mein Cousin. Mehr gelogen wurde aber nicht, sondern gegessen, sich doch irgendwie verständigt und Thymian-Tee getrunken. Am nächsten Morgen: Ayshe – die baumstarke Chefin im Hause – bricht mir zwei Rippen, als ich mich verschlucke und sie mir auf den Rücken klopft. Dann Ausflug mit der ganzen Familie ins nächste Dorf. Hier steht die „Aysu“-Mineralwasser-Abfüll-Fabrik, scheinbar der Stolz der Region. Was wir hier sollen, wissen wir nicht genau. Die Fabrik wird aber brav angeschaut, auch wenn es langsam Mittag wird. Aus der Gastfreundschafts-Falle heraus zu kommen ist aber nicht so einfach. In der Fabrik gibt es: - Einen eiskalten Badesee - Maschinen von Bosch - eine Mischung aus Carrera-Bahn und Wuppertaler Schwebebahn für die flitzenden Plastikflaschen - etliche Verwandte von Ayshe und Musa - Kaffee vom Englisch sprechenden Pförtner (Sir! Coffee?) - bei ihm einen ungewollten Einblick in das Intimleben unserer Gastgeber: „Oh, children! Musa and Ayshe trying a lot to get. But for Musa not so simple…“ - und zum Abschied: 18 Liter „Aysu“.

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Illustration: Julia Schubert

Ein Fischer, dessen gefangenen Fischen, zubereitet als Suppe, wir gerade noch entkamen Fotos: Patrick Desbrosses Dann: Gott sei Dank keine Fischsuppe. Musa hat Forellen gekauft, doch wir müssen – bitte, bitte – endlich weiter. Aber, das sind wir jetzt schuldig: Leute! Mal im Ernst: Kauft „Aysu“! Top Wasser, tolle Fabrik.

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