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Hetero-Jungs, habt ihr Angst, für schwul gehalten zu werden?

Illustration: Katharina Bitzl; Foto: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo

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Liebe Hetero-Jungs,

Letztens war ich in einer leicht trashig angehauchten Schwulenbar. Die Musik dort bewegt sich von Schlager bis Charts-Pop. Die Decke pappt voller Luftballons, der Raum hängt voller Girlanden, Lametta glitzert – das ganze Programm.

Irgendwann finde ich mich auf einer Bank wieder, wild twerkend zu „Swish Swish“ von Katy Perry. Lasst es mich so formulieren: Ein Video von diesem Auftritt könnte als YouTube-Tutorial durchgehen zum Thema: „Wie erkenne ich aus drei Kilometern Entfernung, ob ein Typ schwul ist?“

Neben mir steht ein Hetero-Junge. Der ruft mir dann irgendwann ins Ohr, dass er Gay-Bars absolut liebt, obwohl er nur auf Frauen steht. Weil er hier einfach mal abgehen kann zu Katy und Gaga, ohne doof angeschaut zu werden. Wir lachen, High Five und ich twerke wieder meiner Wege.

Seitdem beschäftigt mich aber die Frage: Hetero-Jungs, macht ihr manchmal Dinge nicht, weil ihr denkt, ihr könntet schwul wirken?

Wie viele LGBTQ kenne ich das durchaus von mir selbst. Früher sollte bloß niemand merken, dass ich nicht hetero bin. Denn mit schwul habe ich nicht zuerst den schnöden Fakt verbunden, dass ich halt auf Männer stehe, sondern ein omnipräsentes Schimpfwort. Von Kirche bis Battlerap: Satan, Schande, Schwuchtel. Also habe ich lange Zeit extrem darauf geachtet, wo ich mich wie verhalte. Ich habe Dinge nicht getan, die mir Spaß gemacht haben. Ich habe mich unauffällig gekleidet, bin nicht ausgegangen, habe überhaupt keinen Sex gehabt und bei Tekken mit Jin gespielt, obwohl ich Nina am coolsten fand.

Mittlerweile habe ich den Struggle weitestgehend hinter mir gelassen und fühle mich absolut befreit. Ich ertappe mich zwar immer mal wieder beim Gedanken: „Oh, jetzt wirkst du aber ganz schön schwul!“, aber ich konnte und kann meine Orientierung weder ändern noch verstecken. Und das finde ich auch wunderbar. Ich tanze, wie ich will, zu Madonna oder Motörhead, ich ziehe an, worauf ich Bock habe, ich habe den Sex, der mir gefällt – und wenn ich will, verkleide ich mich als Nina. An Fasching oder einfach so.

Seit meiner kurzen Twerk-Bekanntschaft frage ich mich aber wirklich, ob Hetero-Jungs da eigentlich drauf achten. Ob es nun heißt, dass man keine rosa Klamotten anziehen, keinen Finger im Po haben oder eben einfach nur keine Katy Perry oder Gaga feiern darf – auch als Hetero steht man doch unter dem andauernden Druck, der gesellschaftlichen Erwartung an das maskuline Ideal zu entsprechen. Oder vielleicht denkt ihr darüber überhaupt gar nicht nach?

Lasst es uns wissen,

eure schwulen Jungs.

Die Antwort der Hetero-Jungs:

Jungs-Antwort

Liebe Jungs,

 

Touché. Neulich kaufte ich mir einen rosa Beutel. Und seitdem denke ich etwas anders über Klischees. Ich machte mir nämlich beim Kauf keinerlei Gedanken, was das rosa Ding mit meiner sexuellen Ausstrahlung machen würde. Und wurde dann fast jedes Mal, wenn ich ihn dabei hatte, darauf angesprochen. Ob ich das denn absichtlich machte? - Was genau, bitte? - Na, etwas „schwules“ zu tragen.

 

Nun muss ich zu erst einmal anmerken, dass ich die Farbe Rosa seit ca. 2002 nicht mehr als schwul oder mädchenhaft wahrnehme. An der Uni trugen die Männer, die qua Status und Rollenbild  am heterosexuellsten sein wollte, durchaus rosa Hemden. Ich lecke jeden Sommer an Erdbeereis und mein Traum ist ein rosa Rennrad von Peugeot. Andersrum steht kein Schwuler, den ich kenne, besonders auf rosa. Es war also weder Vorsatz noch Koketterie von mir.

Und: Nicht die Hetero-Männer, die ich meine Freunde nenne, fragten besonders misstrauisch nach. Sondern überwiegend Frauen. Die eine, die mich an einer Bar ansprach, sagte zwei Drinks später: Als ich den Beutel gesehen habe, hätte ich es fast gelassen. Eine Kollegin fragte mich mit einem Zwinkern, ob ich mir „unsicher" geworden wäre. Eine Freundin, bei der ich mich über diese Deutungen beschwerte, bemerkte, dass ich mich ja nicht wundern bräuchte. Rosa sei nunmal schwul. Wüsste doch jeder.

Jetzt stehe ich aber, ob es mir gefällt oder nicht, vor genau der Entscheidung, die du beschreibst: Trage ich den rosa Beutel noch? Mache ich etwas, das viele Menschen als „schwul“ kennzeichnen? Mache ich es jetzt trotzdem oder gerade deshalb? Ist es mir egal? Ganz ehrlich jetzt?

Denn klar, natürlich überlege ich grundsätzlich schon, was zu meiner Sexualität passt. Das tun vermutlich die allermeisten von uns. Interessant wird die Frage nach dem warum. Ich glaube, die grölenden Kumpels, die den neuen Haarschnitt „voll schwul“ finden, die sterben zum Glück langsam aus. Oder werden nach der Pubertät mit jedem Jahr egaler. Aber eine Frau, die ihre linke Augenbraue auch nur einen Millimeter lupft und sich ihren Teil denkt?

Wir sind ja simpel. Wir wollen gefallen und ankommen. Unsere Chancen erhöhen, zumindest überhaupt im Spiel sein. Und räumen schwule Stolpersteine zur Not zur Seite. Was wiederum traurig ist. Alleine schon, weil die von dir beschriebene Eskalation zu Trash die Welt besser macht. „Schwul“ hin oder her.

Also möchte ich mit ein wenig rosa Pathos enden: So lange aufgeklärte Menschen rosa als schwul deuten, so lange eine Farbe, die mal für eine mädchenhafte Weiblichkeit stand, mit Männern verbunden wird, die im Weltbild mancher Weichköpfe keine „echten Männer“ sind, haben wir Heteros fast die Pflicht, jeden Tag rosa zu tragen. Das beantwortet zwar die Frage nicht. Aber immer auf alles eine Antwort haben zu wollen, ist ja auch irgendwie voll hetero-männlich.

Rosa Grüße,

Eure Jungs

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