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Mädchen, was macht der Frühling mit euch?
Liebe Mädchen,
vor ein paar Tagen war ich mit Freund M. laufen. Früher Abend, frühfrühlingshafte Restwärme in der Luft, Menschen vor Kneipen, rauchend, trinkend, lachend, und beobachtend. Vor allem beobachtend. Man schaut ja jetzt grundsätzlich wieder aufmerksamer auf die Welt – die Straßen, die Menschen, die Klamotten und bestimmt - dazu dann aber gleich noch ein paar Fragen - auch auf die Stellen, an denen jetzt wieder keine Klamotten sind.
M. und ich gehen regelmäßig zusammen laufen, was hier nur deshalb relevant ist, weil es mich befähigt, einen Unterschied wahrzunehmen. Man schenkt Joggern sonst ja – und das auch völlig zu Recht – höchstens einen flüchtigen Seitenblick: die rennen, schwitzen, haben einen roten Kopf, tragen beschissene Schuhe und riechen bestimmt auch so. Guckt keiner länger an. An diesem Abend war das anders. Da verharrten viele Blicke auf uns. Immer diesen wunderbaren Moment zu lang. Ganz selten sogar so lang, dass man als nächstens mit einem winzigen Zwinkern rechnet.
Ich kann da natürlich nur wiedergeben, was ich wahrgenommen habe. Was ich dabei nicht ausschließen kann: dass meine Wahrnehmung getrübt war. Vielleicht hatte ich ein unterschätztes Runners-High und die Frauen haben eigentlich nur angewidert den Kopf geschüttelt, weil ich gegafft habe. Vielleicht hing mir auch ein Popel unter der Nase.
Was ich mich seither aber trotzdem frage: Kann’s nicht auch der Frühling gewesen sein? Wirkt der bei euch auch? Und wenn ja, wie? Denn bei uns schlägt der Klimawechsel schon ziemlich gewaltig durch. Stellt euch bitte kurz einen Dackel vor. Einen Dackel, dem ihr Monate lang nur Trockenfutter mit Hüttenkäse in den Fressnapf gegeben habt. Und mit dem ihr dann einen Spaziergang durch dem Hoeneß Uli seine Wurstfabrik macht. Geht dieser Dackel in eurer Vorstellung noch brav bei Fuß? Eben.
Und mit Wurst meine ich jetzt nicht nur ganz plump Spaghettiträger-Tops und Hot-Pants und kurze Röcke und so. Da ist schon noch mehr bei uns im Frühling. Ein Grundzustand eher. Irgendwas schwirrt da in der Luft. Und dann auch im Kopf. Und ich glaube auch irgendwo in der Gegend zwischen Brust und Bauch. Keine Ahnung, ob das jetzt die Hormone sind, oder einfach nur der Temperaturumschwung. Das ist ja schnell mal verwechselt. Jedenfalls fühlt sich dieser Zustand sehr leicht an und sehr offen. Nonverbale Kommunikation, Blickkontakte, ein kleines Lächeln, das alles fällt etwas weniger schwer. Und ich kann tatsächlich so gar nicht verorten, ob das bei euch jetzt auch so ist.
Also bitte erklären: Schaut ihr auch mehr im Frühling? Kennt ihr gar dieses Gefühl, aus dem Schauen gar nicht mehr herauszukommen? Womöglich sogar so, dass es fast schon ein bisschen belastet? So Dackel/Wurst-Niveau? Und wenn ihr denn schaut: Worauf? Auch auf freiliegende Körperteile? Können wir euch mit einem guten Bein auch ein bisschen entzücken? Schultern? Ellenbogen? Rückenpartien? Und nicht vergessen: Bei uns ist es ziemlich genau so wie bei diesem ganz schrecklich großartigen Song.
Also seid lieb!
http://vimeo.com/23476647
>>>>> Die Mädchenantwort von martina-holzapfl >>>>>
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Liebe Jungs,
ihr seid ganz schön süße Dackel. Gute Frage auch! Antwort kommt sofort, nämlich jetzt: Auch wir sind natürlich große Frühlingsfans. Dackel in der Wurstfabrik – davon musst du uns nichts erzählen. Allerdings ist die Wurst in unserem Fall tatsächlich eher nicht explizit auf das von uns favorisierte Geschlecht.
Unsere Frühlingsgefühle gründen sich erst einmal auf das ganze große Gesamtgefühl des werdenden Sommers: Die Sonne steht anders, das Blau am Himmel kriegt einen anderen Ton, irgendwie scheint man am Horizont plötzlich die Weltkugelkrümmung sehen zu können und dahinter die ganze Welt. Alles wird groß und licht und möglich. Die Bäume sind von einem grünen Schleier behangen, das Wasser der Isar glitzert als habe jemand Funkelpulver drauf gestreut und am Eisbach sitzen all jene Nackerten und Halbnackerten mit einen kalten Radler in der Hand herum, die die Stadt eben so hergibt: Ob dick, alt, runzlig, knackig, braun, bleich – völlig wurscht. Hauptsache, sie sind da und wollen auch zur Sonne hin.
Da atmen wir gleich ganz anders, kriegen ordentlich Sauerstoff in die Zellen und ganz große, lebenshungrige Augen. Wir wollen am liebsten überall gleichzeitig hingucken: Auf den krass trainierten Bauch des schönen Mädchens im blauen Bikini, auf die im Licht glühenden Brusthaare des Jungens daneben, auf das Grinsen der mindestens 98-jährigen Gehwagen-Frau, deren Sonnenbrille sie zum größten Italo-Gigolo des ganzen Parks macht, auf den Eismann, der vor seinem Wagen am Baum lehnt und von wer-weiß-was-träumt und auch auf den schon ganz klein gewordenen Opa an der Bushaltestelle, der die alten Augen geschlossen hält und seinen Kopf der Sonne entgegen reckt. Auf den hellen Asphalt und die blitzenden Autodächer und die weißen Wolkenspuren der Flugzeuge am Himmel. Achso, und natürlich: Auf euch Jogger-Jungs, wie ihr, mit einem gar nicht angestrengten, sondern fein beduselten Blick an uns vorbeijoggt.
Schön, freuen wir uns da, dass ihr so entspannt guckt, obwohl so anstrengend beschäftigt! Mei, schön überhaupt alles! Schön, dass die Welt wieder zum Leben erwacht und jeder das mitkriegt. Dass der Blick mal kurz vom eigenen inneren Gegrübel abgelenkt wird und man endlich mal wieder auch die anderen sieht, wie sie das innere Gegrübel beiseite lassen und gemeinsam spüren, was jenseits von Geld-, Erfolgs-, Schönheits- und Liebesproblemen für alle da ist: Der Lauf der Natur.
Es kann natürlich aber sein, das wollen wir gar nicht abstreiten, dass wir in diesem euphorischen Taumel auch empfänglicher werden für Frühlingsgefühle der klassischen Art. Ist ja sozusagen „self-fulfilling-prophecy“ oder so etwas: Wenn ihr uns so duselig anseht und überhaupt alle Menschen so leicht und duselig durch die Welt gehen und sich über ihre Mitmenschen freuen, liegt da ja eine ganz andere Elektrizität in der Luft. Dass wir da schneller mal umherzwinkern oder einen schönen, den Fahrradlenker so herrlich fest umfassenden Jungsunterarm auf einmal ganz schön scharf finden, versteht sich von selbst. Aber weil wir halt die Waden von dem danach vorbeifahrenden Skatermädchen auch so wunder-, wunderschön fest und toll geformt und zum Reinbeißen heiß finden und schon wieder gar nicht mehr wissen, wo wir noch überall hingucken sollen, deuten wir das dann eher als allgemeine Liebe zum Leben und zur Menschheit, und nicht als sexuellen Frühlingsaufschwung.
Text: elias-steffensen - Cover: FemmeCurieuse / photocase.de