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Mädchen, was fasziniert euch am Leopardenprint?
Die Jungsfrage:
Neulich auf Facebook: Eine Kollegin postet begeistert das neue Cover der Zeitschrift brand eins – das im Leoparden-Look gehalten ist. In den Kommentaren unter dem Posting ergibt sich nach einigen Stunden folgendes Bild: Die Damen ergehen sie überwiegend in Beifall und imitieren Raubtiergeräusche. Die Jungs schreiben: „Echt jetzt, das hätte ich dir gar nicht zugetraut?" Tatsächlich ist für uns Leoparden-Dessin – vor allem bei Kleidung -eigentlich sicheres Kennzeichen, dass wir es mit jemandem zu tun haben, der einen etwas anderen soziokulturellen Hintergrund hat. Stichwort: Puffmutti. Eine Leo-Bettwäsche würden wir erst bei Jeff Koons wieder ernst nehmen, bei allen anderen würden wir bestenfalls davon ausgehen, dass es sich dabei um eine ordentliche Portion Ironie handelt. Leo-Dessin ist für uns trashig, fies und auch ein bisschen eklig. Leo-Dessin ist für uns eigentlich nicht: sexy, wild, exotisch. Warum hält es sich aber doch offenbar hartnäckig in eurer Gunst?
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Die Mädchenantwort:
Ich will hier gar nicht den verbotenen Ablullsatz „Es ist so trashig, dass es halt schon wieder cool ist" anbringen, aber leider ist was Wahres dran: Leoparden- und sonstige Tierprints sind tatsächlich so weit oben auf unserer allgemeinen Verachtungsskala, dass es ein angenehmes Hau-Druff-Statement ist, wenn sie jemand anwendet, der wiederum auf unserer allgemeinen Supermenschen-Skala weit oben ist.
Was ich sagen will: Bei Uschi im Nails&More ist Leopardenprint schlimm, bei Minimal-Mode Meister Hien Le hingegen wäre er als Strilbruchelement ziemlich heißer Scheiß. Und deshalb ist Leo-Print auch auf dem brand eins-Cover heißer Scheiß. Und bei der zweiarmig komplett tätowierten Rockband-Frontfrau à la Peaches, die wir manchmal gern wären.
Leo gewinnt, wie so vieles, durch seine ironische Anwendung und normalerweise tut es wirklich weh, so etwas zu sagen, weil ironische Anwendungen bekanntlich ihren Reiz verlieren, so bald man sie als solche entlarvt hat. Aber das Leomuster versteht es selbst in dieser verzwickten Lage, der potentiellen Ironiefrustration einen handfesten Trumpf vor den Latz zu knallen: langweilig gewordene Leopardenprintironie ist so zum Heulen, dass sie es schafft, sich nach diesem Schema des Schreckens immer wieder selbst zu potenzieren: Leo war immer over und ist deshalb immer noch so over, dass es in dieser aktuen Daueroverness eine solche Faszination auf uns ausübt, dass wir dauerinfiziert sind – und zwar heißfiebrig.
Leoprint ist für uns tatsächlich so etwas wie ein unkaputtbarer Klassiker der Weltgeschichte der Stoffmuster. Was man dabei nie, nie, nie vergessen darf und was auf diesem Wege bitte noch mal an alle Designer der Welt herangetragen sein möchte: Leo ist nur cool, wenn es klassisch (ha!) leofarben ist - also braun, gelb, ocker, dunkel, schwärzlich. Leofarben eben.
Alle betulichen Modedesigner, die meinen, Leoprint der Abwechslung halber mal ganz nach modischer Saison einfärben zu wollen – am schlimmsten sind Abrutscher etwa ins mediterrane Türkis – haben es nicht verstanden. Die denken nämlich, was du zu denken scheinst: Dass das mit unserer Liebe zum Leoprint was mit Eitelkeit zu tun hat, womöglich aus dem Bestreben, wild und sexy sein zu wollen, schön und ein klein bisschen unnahbar auch. Nein, nein, nein! Leoprint ist schlimm, hässlich, grauenhaft. Immer und fürimmer. Es ist die bewusste Erhebung des stiltechnischen Scheiterns zum Maß aller Dinge. Leo ist geballte Rebellion gegen allen Pomp und alle Pornösitäten dieser Welt. Leoprint ist so bescheuert und peinlich und übertrieben, dass es in sich eine einzige, geschlossene Spaßburg ist, auf der alles, was vorher galt, nicht mehr gilt und auf die wir uns eben manchmal wünschen. Fuck, shit, fuck shit, fuck shit, wie Peaches sagen würde.
martina-holzapfl