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Mädchen, was bedeutet euch der Weltfrauentag?
Liebe Mädchen,
heute ist Weltfrauentag. Schon mitbekommen? Bestimmt, oder? Wird ja allerhand drüber geschrieben, getwittert und verschiedene Menschen und Organisationen haben sich anlässlich dieses Tages irgendwelche Aktionen einfallen lassen. Rossmann nannte sich für eine Woche in Rossfrau um. Die Provokationsrapper von K.I.Z. gewährten auf ihrer Tour, die am heutigen Weltfrauentag endet, nur Frauen Einlass. Typen mussten draußen bleiben.
Manche dieser Aktionen kann man peinlich oder verkrampft finden oder als billige, anbiedernde PR betrachten. Rossmann, pardon, Rossfrau, sagte zum Beispiel, man wolle damit ein Zeichen für Gleichberechtigung setzen – in der dazugehörigen Kampagne mit dem Titel #lassdiefrauraus waren Frauen dann aber doch wieder nur klischeehafte Naschkatzen, Beautyqueens und Prinzessinnen. Und natürlich sind Weltirgendwastage ganz grundsätzlich mit Vorsicht zu genießen, weil ja jede Nebensächlichkeit ihren eigenen Tag hat (am 10. Januar war übrigens der internationale Tag der Blockflöte).
Aber insgesamt ist es wahrscheinlich sehr gut, dass es einen Tag gibt, an dem man sich daran erinnern soll, dass unsere Welt im Jahr 2018 in etwa so gleichberechtigt ist wie der FC Bayern München vom Abstieg aus der ersten Bundesliga bedroht.
Trotzdem fragen wir uns, was ihr Mädchen eigentlich von diesem Tag haltet und wie ihr ihn verbringt. Erfüllt er euch mit Stolz? Weil er – wie man ergoogeln kann – ja seinen Ursprung in der Frauenbewegung hat, die für Frauenwahlrecht kämpfte. Stoßt ihr deshalb mit euren Freundinnen aufeinander an? Oder schmiedet ihr mit ihnen Pläne für Gleichberechtigungsaktionen oder -vorsätze, weil der Weltfrauentag den Kampfgeist in euch weckt? Oder macht er euch eher wütend, weil er mit zum Teil seltsamen Aktionen verbunden ist? Bei Wikipedia steht zum Beispiel: „In den ostdeutschen Bundesländern wird der Frauentag, gerade auch im Arbeitsleben, gefeiert. Hier ist es üblich, dass Chefs ihren weiblichen Mitarbeiterinnen eine Blume – meist Rose – zum Frauentag schenken und ihnen dazu gratulieren.“ Da denke ich mir ja: Ist das nicht der letzte, gönnerhafte Von-oben-herab-Patriarchatsscheiß?
Oder macht der Frauentag irgendwas ganz anderes mit euch? Oder vielleicht auch gar nichts, weil er euch ziemlich gleichgültig ist? Erklärt doch mal bitte!
Eure Jungs
Die Mädchenantwort:
Liebe Jungs,
ihr wisst ja: Jeden Tag ist Muttertag. Weil Mütter jeden Tag Mütter sind. Darum ist auch jeden Tag Frauentag, weil wir jeden Tag Frauen sind. Okay, so gesehen ist auch täglich Blockflötentag, weil die ja auch nicht morgen auf einmal Klarinetten sind – aber ihr versteht, worauf wir hinauswollen. Darauf nämlich, dass unser erster Impuls tatsächlich ist, empört zu sagen: ein Tag für Frauen? Wo es solche Termine doch hauptsächlich gibt, um auf große Missstände aufmerksam zu machen (Welttag gegen Kinderarbeit (12.06.), Welttag gegen Rassismus (21.3.)), oder eben, um Journalisten einen Anlass zu geben, über absolute Nebensächlichkeiten zu berichten (essbare Bücher (01.04.), Bärte (02.09.), Gin (zweiter Samstag im Juni))? Und da wir weder ein Missstand sind, der behoben gehört, noch eine Nebensächlichkeit, sind wir kurz beleidigt oder sogar ein bisschen wütend.
Wie gesagt: Das ist unser erster Impuls. Der zweite ist bei vielen ein großes „Egal“. Ein trotziges „Mir sind Weltdingsbumstage so was von schnuppe, die bringen doch niemandem was!“ Führt natürlich geradewegs in eine Sackgasse, weil es irre phlegmatisch ist.
Für die, die nicht in diese Sackgasse rennen, sondern weiter darüber nachdenken (was schnell passiert, weil man nicht so leicht drumrum kommt, wenn man eine Frau ist), hat der Internationale Frauentag schließlich doch eine Bedeutung. Oder drei. Oder eine beziehungsweise zwei von dreien. Der Ordnung halber gehen wir sie am besten mal gemeinsam durch:
1. Der Weltfrauentag ist ein Feiertag.
Die Welt war schon mal ein schlechterer Ort für Frauen. Bis heute wurde in vielen Ländern schon einiges erreicht – und das können wir am Weltfrauentag auch einfach mal feiern. Wir feiern ja auch den Tag der Deutschen Einheit oder den Reformationstag – der Weltfrauentag kann genauso gut in diese Reihe gehören, anstatt bei den Tagen gegen Missstände oder denen für Nebensächlichkeiten eingeordnet zu werden.
Heute können wir uns noch mal darauf einschwören, dass der Kampf noch nicht vorbei ist
Der Internationale Frauentag besteht, seit er Anfang des 20. Jahrhunderts von Frauenrechtlerinnen ins Leben gerufen wurde, die vor allem für das Frauenwahlrecht kämpften. Heute gehört er darum auch ihrem Gedenken und dem Gedenken an alle, die sich für Frauen eingesetzt haben und einsetzen. Auf sie alle können wir am 8. März anstoßen. Auf Clara Zetkin, Edith Stein, Simone de Beauvoir oder Harriet Tubman zum Beispiel. Oder auf die, die die Debatte heute am Leben erhalten oder ihr neue Dynamiken geben, wie Laurie Penny, Alice Schwarzer, Anne Wizorek oder Kübra Gümüşay. Und natürlich auch auf alle Kämpferinnen, deren Namen wir nicht kennen.
Man muss die nicht alle gut finden, aber immerhin stehen sie für etwas, kämpfen für etwas, mischen sich ein. (Und nein, einen Weltmännertag, an dem großartiger Männer gedacht wird, brauchen wir deswegen trotzdem nicht – weil es nie geschlechtsspezifische Diskriminierung von Männern gegeben hat.)
2. Der Weltfrauentag ist ein Tag für uns, um unbequem zu sein – oder uns daran zu erinnern, dass wir es sein sollten.
Machen wir uns nix vor, ihr wisst es ja selbst: Gleichberechtigung gibt es (immer noch) nicht. Dafür (immer noch) strukturelle und institutionelle Diskriminierung. Frauen verdienen weniger, Frauen kommen seltener in Führungspositionen, Frauen leiden unter Sexismus und veralteten Rollenbildern etc. pp.
Ja, das ist jeden Tag so. Aber viele von uns haben nicht jeden Tag die Kraft, die Zeit oder die Lust, sich damit auseinanderzusetzen. Darum ist es nicht falsch, ein Datum zu haben, auf dem geschrieben steht, dass es um uns geht. Und an dem wir noch mal daran erinnert werden, dass Gleichberechtigung nicht eintritt, wenn wir nichts dafür tun. Dass es nichts bringt, zu jammern und zu greinen, aber dann keine Taten folgen zu lassen. In diesen Status verfallen wir nämlich gar nicht mal so selten. Ihr könnt uns glauben: Manchmal macht uns der Feminismus auch sehr müde. Manchmal möchten wir uns schon vor banalen Gedanken wie „Ich habe keine Lust das zu machen, aber wenn ich es nicht mache, bin ich unemanzipiert, reproduziere Ungleichheit – und trage nicht mal meinen kleinen Mini-Teil zu diesem Kampf bei“ unter der Bettdecke verstecken. Und erst wieder aufwachen, wenn die USA eine Präsidentin haben und keine einzige Frau auf der Welt von ihrem Ehemann wie Besitz behandelt oder von Menschenhändlern in die Prostitution verkauft wird.
Der 8. März ist der Internationale Frauentag, nicht der „Tag für die deutsche Frau mit Uniabschluss“
Der 8. März ist dafür da, sich noch mal darauf einzuschwören, dass der Kampf noch nicht vorbei ist. Weil man an diesem Tag sieht, dass wir viele sind und viele von uns das Gleiche wollen. Ja, natürlich ist es auch ein Tag, Männer dafür zu sensibilisieren. Aber so gerne wir auch sagen würden: „Irgendwann kommen sie da schon selbst drauf!“ – wir wissen leider, dass das nicht passieren wird. Zumindest nicht bei allen. Es ist (auch!) unser Job, es immer und immer wieder zu thematisieren. Und möglichst viele von euch dafür zu gewinnen, das ebenfalls zu tun. Das ist anstrengend – aber es lohnt sich.
3. Der Weltfrauentag ist ein Tag für alle Frauen – und nicht bloß für uns.
Hierzulande gibt es immer ein recht großes Aufsehen um den Equal-Pay-Day, der um den 18. März herum begangen wird (wann genau, das errechnet sich daran, bis zu welchem Tag die Frauen im laufenden Jahr wegen der Lohnlücke „umsonst“ gearbeitet haben). Weil die Lohnungerechtigkeit einer der konkretesten Punkte ist, an denen man in Deutschland erkennen kann, dass es keine Gleichberechtigung gibt. Ähnliches gilt für die nackten Zahlen von Frauen in Führungspositionen. Da kann man mit dem Finger draufzeigen und sagen: „Seht ihr, das ist ungerecht!“
Aber das sind eben auch Probleme, mit denen man vor allem zu tun hat, wenn es einem gut geht. Der 8. März ist aber der Internationale Frauentag, nicht der „Tag für die deutsche Frau mit Uniabschluss und gewaltfreiem Umfeld“ (für die auch, aber eben nicht nur). Und darum soll es am 8. März nicht nur darum gehen, noch mal über Care-Arbeit oder die Lohnlücke in Deutschland zu sprechen. Sondern zum Beispiel auch über häusliche Gewalt. Oder darüber, dass weltweit 130 Millionen Mädchen nicht zur Schule gehen können oder dürfen. Dass in vielen Ländern nach wie vor die Genitalien von Frauen verstümmelt werden. Dass Frauen in Nepal vom öffentlichen Leben ausgeschlossen werden, wenn sie ihre Periode haben. Dass Frauen in vielen Regionen zwangsverheiratet werden, dass Frauen verkauft werden, dass Ehrenmorde an Frauen verübt werden.
Und damit wird dieser Tag eben doch wieder zu einem Tag gegen Missstände. Frauenrechte sind Menschenrechte und die werden an vielen Orten immer noch nicht geachtet. Darauf muss man aufmerksam machen. Da hat niemand beleidigt zu sein und niemand „egal“ zu sagen, weil das schlicht und einfach wichtig ist.
Wie sinnvoll letztlich das ist, was an diesem Tag konkret gemacht wird, darüber kann man dann immer noch sprechen. Wenn Unternehmen den Tag nutzen, um sich mit einem PR-Stunt als besonders tolerant hervorzutun – eh klar, was wir davon halten. Wenn Männer Frauen Blumen schenken – mei, gibt Schlimmeres. Wenn Frauen (und Männer!) auf die Straße gehen, ihre Stimme erheben oder eine Frauenrechts- oder Hilfsorganisation unterstützen – super! Und manche lassen sich davon vielleicht weitertragen und machen auch den 9. März zum Frauentag. Und den 10. und 11. und Muttertag und Weihnachten und… Ihr versteht schon.
In diesem Sinne: Alles Gute zum Weltfrauentag, liebe Jungs!
Eure Mädchen