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Mädchen, warum seid ihr nicht gerne in der Unterzahl?

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Ich habe Kunstgeschichte studiert. Da kommt im Seminarraum ungefähr ein Junge auf zehn Mädchen. In der jetzt-Redaktion war das Verhältnis längere Zeit drei zu sieben. Will sagen: Ich war über ausgedehnte Zeitspannen meines Lebens, um mal eine Sprachfloskel meiner Mutter und meiner Schwester zu bemühen, der Hahn im Korb. Und ich war es stets gerne!

Ich glaube, das ist typisch. Grundsätzlich haben wir Jungs wenig Probleme damit, geschlechtsmäßig in der Unterzahl zu sein. Wir haben die Erfahrung gemacht: Mit mehreren Mädchen arbeiten oder lernen oder feiern, das geht sehr gut. Da ist weniger verbales Gedrängel und mehr Kommunikation. Es rülpst auch seltener jemand. Ihr seid einfach schon die gesitteteren und im sozialen Umgang geübteren von uns. Und ja, wir sind auch gerne mal etwas Besonderes. Alleine unter Mädchen, das finden wir nicht zuletzt deshalb schön, weil wir sonst ein Jungsleben lang darum kämpfen, von euch wahrgenommen zu werden.

Bei euch ist das aber anders. Sobald in größeren Gruppen der Jungsanteil stark überwiegt, in der Arbeit oder auf der WG-Party, schimpft sicher bald eine von euch. Für Gastgeber ist es deshalb eine wichtige Kunst, ja nicht zu wenige Mädchen einzuladen - der Zweck des Türstehers besteht entsprechend zum Großteil darin, keine reinen Jungsgruppen reinzulassen. Und für die Fälle, in denen ein Gastgeber oder Türsteher da versagt, gibt es im Englischen den hübsch-grafischen Ausdruck „sausage fest“. Korrigiert mich gerne, aber: nach schönem Grillfest klingt das nicht.

Aber auch sonst scheint sich eine ganz bestimmte Problematik zu ergeben, sobald ihr in der Unterzahl seid. In Aachen zum Beispiel, wo man vorwiegend Maschinenbau und Informatik studiert, ist der Mädchenanteil derart verschwindend gering, dass die ZEIT neulich extra einen Reporter hinschickte. Der berichtete dann pflichtgemäß, wie ganze Jungsgruppen am Tresen um die wenigen Frauen rumlungern und ihre Smartphones streicheln (weil, ha, sie ja sonst niemand haben!).

Ihr seht: Wenn wir Jungs selbst versuchen, das zu ergründen, stochern wir relativ schnell in einem ekligen Brei aus Samenstau-Maschinenbau-Klischees und Gangbang-Fantasien herum, und das haben wir doch nicht nötig. Deshalb erklärt doch bitte mal: Seid ihr wirklich so ungern in der Unterzahl? Und wenn ja: Was genau ist so schlimm daran?

Auf der nächsten Seite die Antwort von charlotte-haunhorst.


Liebe Jungs,

ich habe gerade ziemlich lange das weibliche Äquivalent zu "Hahn im Korb" gesucht. Ich habe nichts gefunden - außer, dass Ex-Piratenpartei-Mitglied Marina Weisband sich schon einmal die gleiche Frage gestellt hat. "Perle vor den Säuen" war ihr Vorschlag, wobei das ja eigentlich nicht logisch ist. Fazit: Es gibt kein Äquivalent.

Dass dem so ist, hat meiner Meinung nach einen Grund: Ein Huhn allein unter Hähnen, das ist nicht schön. Das erinnert, anders als beim "Hahn im Korb", tatsächlich eher an Gangbang und Samenstau, als an beschäkert und hofiert werden. Deshalb will das kein Huhn und auch keine Frau.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Eine Henne unter vielen Hähnen sein? Nicht schön. 


Der Begriff "Hahn im Korb" impliziert allerdings auch noch etwas anderes. Nämlich: Ein Geschlechterverhältnis. In diesem Fall: Einer gegen viele. Beim Thema "Als Frau in Unterzahl sein" hängt davon viel ab.

Ich merke das bei mir selbst: Allein als Frau mit zwei oder drei fremden Männern im Raum: Sehr unangenehm. Die Gruppe ist dann zu klein, um sich verstecken zu können. Die körperliche Überlegenheit der anderen zu groß. Wenn sie vorhaben, sich schlecht zu benehmen, kann man nix mehr machen - und ich meine jetzt schlimmere Sachen als Rülpsen oder schlechte Witze.

Allein als Frau mit zehn Männern zu sein, ist wiederum weniger schlimm - dass die sich da alle zusammentun und schlecht benehmen, ist ziemlich unrealistisch. Da kippt die Gruppendynamik dann meistens eher in Richtung Hahnenkampf - alle wollen die Aufmerksamkeit der einzigen Frau im Raum. Vielleicht, um zu zeigen, dass sie der Interessanteste im Raum sind, vielleicht auch nur, um die Situation zu überspielen, das könnt ihr besser einschätzen als ich. Auf jeden Fall machen sie sich dabei meistens lächerlich. Kann man übrigens auch gut auf Privatpartys mit zu hohem Männeranteil beobachten.

Die letzte Kombination ist wiederum die wahrscheinlichste, auf die du mit deiner Frage ja eigentlich auch abzielst: Wie fühlen wir uns als kleine Frauengruppe, also sagen wir jetzt mal zu fünft, unter 60 Männern? So, wie es in Maschinenbaustudiengängen (leider) oft ist.

Ich würde behaupten, das hängt ganz stark von der Frauengruppe ab: ist man da ein Team, dann ist die Unterzahl nicht schlimm. Eine organisierte Minderheit hat sowohl in der Politik als auch im echten Leben zumindest ein Mitspracherecht. Manchmal wird sie sogar hofiert. Ist die Gruppe allerdings zerstritten, wird es unangenehm - dann sind die Mädchen nämlich darauf angewiesen, mit der Mehrheit, in diesem Fall also den Männern, zu koalieren, um nicht ganz alleine dazustehen. Und ein Koalitionspartner, der nahezu darum bettelt, aufgenommen zu werden, den will keiner. Ganz unangenehm.





Text: jan-stremmel - photocase.de/bernd_vonau

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