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Mädchen, warum sagt ihr uns nicht, was ihr beim Sex wollt?
Liebe Mädchen,
in Vorbereitung auf diese Frage war ich auf einer Website unterwegs, auf der von-nebenan-mäßige Frauen in Tutorialvideos erklären, wie sie sich zum Orgasmus schaukeln. Das irrste Feature der Seite: Man kann über den Smartphone-Bildschirm eine fotorealistische Vulva schrubbeln und bekommt dabei Feedback von der von-nebenan-mäßigen Frau, zum Beispiel "yeah, just around the left side of the clit!".
Dieses Feature ist leider kostenpflichtig, insofern kann ich mich in puncto Frauen-Stimulation weiterhin nur auf meine realen Erfahrungen berufen. Zu mir hat allerdings noch niemand "ja, hier unten, hinter der vorderen Schamlippe rechts, sanft pressen, erst langsam, dann schneller bitte" gesagt.
Und das fand ich bisher ehrlich gesagt auch ganz in Ordnung so. Wenn jemand einen Orgasmus hat oder auch nur lauter wird, weil ihm gerade etwas ganz besonders gefällt, bekommt man das ja durchaus mit und merkt es sich bestenfalls. Und zu viel Hirn und Anleitungs-Abspulen sollte ja idealerweise beim Sex keine Rolle spielen, oder?
Nun bekommt aber in letzter Zeit die weibliche Lust mehr Aufmerksamkeit denn je. Das ist natürlich gut, bringt aber auch Erschreckendes zutage: Viele Frauen erzählen, dass sie mit Ende 20 noch nie einen vom Partner ausgelösten Orgasmus hatten. In Podcasts, Videos, auf der Straße reden sie von ihren miserablen Erlebnissen, bei dem der Partner wahllos an ihnen rumdrückt, rubbelt, stößt und sich bei ihnen so gar nichts tut.
Das alles in einem sehr relaxten, kumpeligen Ton und mit viel Humor. Aber manchmal auch mit viel Wut, die ich durchaus verstehe: Wenn ich mir vorstelle, erst mit 30 den ersten "fremdinduzierten" (versteht ihr jetzt, warum ich diesen Tech-Talk nicht so mag?) Orgasmus zu haben, ist das natürlich ziemlich fürchterlich.
Wenn man sich das so anhört, fängt man an zu zweifeln, ob das "Ohne-Worte-verstehen"-Vorgehen beim Sex tatsächlich immer die beste Taktik ist. Dass der männliche Orgasmus bisher wesentlich mehr Aufmerksamkeit erfahren hat und vielen nach wie vor für "gelungenen Sex" vollkommen ausreicht, ist natürlich nicht nett.
Aber auf der anderen Seite fragen wir Jungs uns auch: Wenn ihr neuerdings im Netz, mit euren Freundinnen, und auch sonst überall so lässig über eure Klitoris und dergleichen reden könnt, warum dann nicht mit uns? Wenn ihr erzählt, wie hilflos euer Partner an euch rumgedrückt hat, zeigt das ja auch, dass er sich irgendwie schon bemüht, aber eben nicht so recht weiß, was er tun soll. Könnt ihr ihm das nicht sagen? Würdet ihr gerne?
Und: Wisst ihr das überhaupt selbst so genau? Irritierenderweise ist die Seite mit der Smartphone-Vulva nämlich primär für interessierte Frauen gedacht.
Eure Jungs
Die Mädchenantwort
Liebe Jungs,
stimmt schon: Die Frauen, die ich kenne, sprechen viel über ihre Sexualität und Sex. Unter meinen Freundinnen sind das oft Top-Themen – solche Gespräche langweilen nie. Sex ist mit vielen Gefühlen verbunden und Erlebnisse, die in uns besonders starke Emotionen auslösen, wälzen sich so lange in unseren Köpfen, dass sie in Unterhaltungen ausgeschlachtet werden müssen. Sex dominiert unseren Gossip-Talk in der Bar genau wie tiefgründigere Gespräche über Liebe. Mit unseren Freundinnen können wir Erlebtes teilen und reflektieren. Klar, dass wir da einfließen lassen, was uns fehlt, was wir gerne wiederholen würden oder was uns mal nicht so gefallen hat.
Mir ist bewusst, dass meine Freundinnen bestens über meine sexuellen Bedürfnisse informiert sind. Aber ehrlich gesagt habe ich mir vor eurer Frage nie Gedanken gemacht, ob sie besser Bescheid wissen könnten als mein Partner. Mein erster Impuls: „Was soll die Frage? Natürlich reden wir mit unserem Partner darüber.“
Beim Nachdenken aber fiel mir auf: Ja, ich sage meinem Partner tatsächlich nicht direkt, was ich mir im Bett wünsche. Meine Freundinnen machen ihrem Partner auch seltenst deutlich, was sie beim Sex brauchen. Allerdings weiß keine von uns, inwiefern das problematisch sein soll. Ich finde es albern, meinem Partner sagen zu müssen, was ich will. Bei meinen Freundinnen ist klar, dass ich es verbalisieren muss – sie sind nicht dabei, wenn ich mit meinem Partner intim werde. Er schon, und ich gehe davon aus, dass er meine Körpersprache deuten kann. Becken nach vorne: genau so, Becken nach hinten: genau so nicht. Finger hin, heißt: hier, Finger weg, heißt: hier nicht. Habt ihr das nicht gelernt aus Bravo, Porno und/oder eigenen Erfahrungen? Braucht ihr wirklich Ansagen? Wäre für viele von uns echt enttäuschend. Vor Anweisungen haben wir oft Respekt. Eine zu geben bedeutet ja, dass vorher etwas nicht in Ordnung war. Dass ihr irgendwas nicht gut gemacht habt, Schuld seid an unserer Unzufriedenheit. Dabei stören uns oft nur Kleinigkeiten: der Druck zu lasch, die Zunge zu wirbelig, das Streicheln zu lieblos - Probleme, mit denen wir uns arrangieren können. Dafür möchten wir nicht riskieren, euer Ego anzuknacksen.
Denn, seid mal ehrlich: Wollt ihr das wirklich hören? „Tiefer! Schneller! Lauter!“? Ich wäre nicht scharf drauf. Das kommt in den seltensten Fällen so rüber, dass es konstruktiv wäre. Das klingt eher nach: „Bis eben hast du es falsch gemacht. Jetzt will ich mehr Einsatz von dir, wenn ich es schon ansprechen muss.“ Das gibt erst einmal ein schlechtes Gefühl und lädt Erwartungsdruck auf eine Angelegenheit, die vor allem eins braucht: Entspannte Sexualpartner, die sich miteinander wohlfühlen. Oder ist das zu weiblich gedacht?
Mir scheint dieses „Sagen, was man will“-Ding abwegig, solange der Sex im Grunde in Ordnung ist. Lieber habe ich einen Mann, der sich wohlfühlt und ein bisschen daneben greift, als einen, der total verkrampft und meint, aus gemeinsamem Sex ein Turnier machen zu müssen. Und wenn etwas wirklich gar nicht zusammenpasst, dann lässt sich das mit etwas Zeit auch nonverbal lösen. Hat bisher immer funktioniert – solange es nicht um Probleme ging, die sich unserer Meinung nach gar nicht lösen lassen.
Eine Freundin hätte zum Beispiel gerne längeren Sex mit ihrem Partner. Der schafft das dank Wochenendbeziehung leider selten und sie kommt nie zum Orgasmus. Sollte man ihrem Freund wirklich wünschen, dass sie ihn auf sein Zuschnellkommen anspricht? Der arme Kerl wird schon checken, dass seine Freundin das so toll nicht finden kann.
Ein ganz anderes Problem ist natürlich, was du mit deiner Internet-Recherche rausgefunden hast: Viele von uns wissen gar nicht so genau, was ihnen gut gefallen könnte. Das macht die ganze „Sagen, was wir wollen“-Geschichte deutlich komplizierter und wenn man so will: hoch-ironisch. Wir Frauen haben da unten selbst eine Menge zu erforschen, das lange tabuisiert wurde, müssen erst einmal herausfinden, wie man es richtig macht. Und das kann dauern! Deshalb bitten wir natürlich auch da unsere Freundinnen um Rat. Die haben ähnliche Erfahrungen mit sich und können uns das Gefühl geben, dass das alles ganz normal ist, was wir da mit oder ohne Partner veranstalten – oder eben sagen, was geholfen hat, als der Orgasmus einfach nicht kommen wollte. Ein heterosexueller Mann ist da nie dabei. Er hat keinen Zugang zu unserem Problem, dafür aber eine viel offensichtlichere biologische Verfassung. Denkt mal daran, wie versteckt unser Kitzler liegt und wie leicht man einen Penis findet. Logisch, bei eurer Ausstattung ist es schwer nachvollziehen, dass wir unsere empfindlichen Punkte suchen und später all dieses Zeug unter uns klären. Männer kommen fast zwangsläufig zum Orgasmus. Und eure Strategien, ihn zu erreichen, ähneln sich doch – gebt es zu – schon sehr.
Außerdem, liebe Jungs, möchte ich darauf hinweisen, dass ihr das mit dem „Sagen, was ihr wirklich wollt“ auch nicht in Perfektion beherrscht. Ich habe nämlich auch versucht, mich schlau zu machen. Wenn man allerdings nach Antworten googelt, warum Frauen Männern nicht sagen, was sie im Bett wollen, findet man vor allem eines: Beschwerden von Frauen, die nicht wissen, was ihre Männer wollen. Deshalb möchte ich euch hier zum Ende einfach den Tipp einer guten Freundin da lassen: „Wer möchte, dass wir ihm sagen, was wir wirklich wollen, soll uns erst mal sagen, was er wirklich will. Vielleicht würden wir uns dann viel mehr trauen.“
Eure Mädchen
Die Autoren dieser Jungsfrage möchten anonym bleiben. Muss ja nicht jeder Details über ihre sexuelle Performance kennen.