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Mädchen, warum knutscht ihr so oft miteinander?
Liebe Mädchen,
viele von uns Jungs halten ja Homophobie für eine Sache von vorgestern. „Schwul“ als Schimpfwort zu benutzen kommt uns nicht mehr in den Sinn, wir feiern die LGBT-Bewegung mit eingefärbten Regenbogen-Profilbildern und erzählen uns gegenseitig von der Männer-Hochzeit neulich, die ja echt total romantisch war.
So offen wir aber auch scheinen mögen, so sehr wir allen Menschen ihr Glück gönnen, hält sich eine Angst, eine Phobie doch sehr wacker: Die davor, selbst für schwul gehalten zu werden. Oder trotz überzeugten Hetero-Daseins schwul zu „werden“, wenn wir Männern ein bisschen zu nahe kommen.
Über die Gründe kann man nur spekulieren, wirklich vertretbare kann es für uns aufgeklärte Menschen ja eigentlich nicht geben. Ihr Frauen scheint da irgendwie schon weiter zu sein. Ihr knutscht und kuschelt in der Öffentlichkeit, ohne euch Gedanken zu machen.
Warum verbieten wir uns dagegen so „verdächtige“ Dinge wie zu lange Umarmungen, gegenseitiges Im-Arm-liegen (auf der Couch, nicht im Bierzelt) oder einfach nur miteinander zu tanzen? Das alles sind schließlich Dinge, die in eurer Welt ganz normal zu sein scheinen. Ist es die Angst, als unmännlich zu gelten? Oder die Befürchtung, sofort vom nächsten Schwulen angemacht zu werden, wegen falscher Signale und so? Natürlich hat nicht jeder das Bedürfnis, mit seinem Kumpel zu kuscheln, aber für manche ist schon eine Hand auf der Schulter so etwas wie ein sexueller Übergriff. Zeugt nicht gerade diese Angst von einer völlig verkrampften, paranoiden Selbstwahrnehmung? Das alles fragen wir uns selbst.
Deshalb möchten wir mal genauer zu euch Frauen rüber schauen, da können wir vielleicht etwas lernen. Die Angst, für lesbisch gehalten zu werden, scheint ihr jedenfalls nicht zu kennen. Ob nun hetero oder nicht: Körperliche Nähe ist bei euch kein Problem und nach ein paar Gläsern Wein hat so ziemlich jede von euch schon mal ihre beste Freundin „weggeknutscht“, auf der Tanzfläche die Brüste begrabscht oder mehr als eindeutige Moves ausgepackt, die mit Tanzen nur noch entfernt zu tun haben.
Könnt ihr uns diese Unverkrampftheit mal näherbringen? Haben die alle von euch? Muss man sie lernen? Macht ihr das für euch, oder, wie allzu gerne unterstellt, um Männer zu beeindrucken? Kann das "Unverkrampft-sein-müssen" unangenehm werden? Und vor allem: Sollten wir auch öfter mit Männern rumknutschen?
Eure Jungs
Die Mädchenantwort:
Liebe Jungs,
Warum viele von euch solche Angst davor haben, als schwul zu gelten, wissen wir auch nicht. Das würden wir lieber euch fragen. Immerhin habt ihr doch, wie ihr selbst sagt, schon längst kapiert, dass das Ganze überhaupt nichts Schlechtes bedeutet.
Die meisten von uns ticken da tatsächlich etwas anders: Wir haben das Küssen oft schon in der Pubertät mit der besten Freundin geübt, bevor wir es mit einem Jungen getan haben. Wir sind in unsere Sexualität also schon mit weiblicher Begleitung hineingewachsen. Wahrscheinlich haben wir deshalb keine Angst, dass Berührungen und Zärtlichkeiten mit anderen Frauen plötzlich unsere sexuelle Identität durcheinanderwerfen könnten.
Wenn wir also einmal nur um des Küssens Willen küssen und den Kuss dabei nicht verkomplizieren wollen, ist es im Zweifelsfall einfacher, ihn mit einer Freundin zu teilen. Von ihr wissen wir im Normalfall, dass sie auch nur für den Kuss an sich mitmacht und nicht, weil sie uns später noch ins Bett kriegen will.
Natürlich gibt es auch Frauen, die noch nie mit einer Freundin geknutscht haben, die nicht gerne Händchen mit ihr halten oder im Bett kuscheln. Und klar kann es sein, dass einige von ihnen sich vor allem deshalb zurückhalten, weil sie sich schämen oder einfach nicht wohlfühlen mit einer gleichgeschlechtlichen Zärtlichkeit. Meistens hat das aber gar nichts mit Verkrampftheit zu tun. Wir glauben vielmehr, dass viele Frauen deshalb noch nie mit anderen Frauen intim geworden sind, weil sie schlicht und einfach nicht am gleichen Geschlecht interessiert sind und sie die Lust noch nicht überfallen hat.
Und da sind wir auch schon beim spannenden Thema: der Lust. Wir würden jetzt gerne sagen, dass wir das öffentliche Rumgeknutsche mit anderen Frauen selbstverständlich nur für uns selbst machen. Dass wir nur eng umschlungen auf den Boxen tanzen, weil wir gerade Bock darauf haben. Das wäre aber wahrscheinlich gelogen. Denn irgendwie ist doch der Gedanke in uns verankert, dass wir uns dadurch begehrt machen können. Wir haben schon zu viele Männer von Lesben-Pornos schwärmen hören, als dass wir das nicht bedenken würden. Das Knutschen mit unseren Freundinnen ist deshalb auch ein Gefallen, den wir den Männern um uns herum tun. Im Gegenzug erhoffen wir uns deren Aufmerksamkeit.
Das „Männer-beeindrucken-Wollen“ ist also tatsächlich eines unserer Hauptmotive, wenn wir uns in der Öffentlichkeit küssen. Wir sind aber auch einfach neugierig, wie es ist, einem Frauenkörper nahe zu sein. Wahrscheinlich auch, um die Konkurrenz auszuchecken. Irgendwie ist es ja doch immer dasselbe: Man erzählt der einen Freundin, man habe die andere gestern betrunken im Club geküsst. Und die fragt direkt, wie das war und ob die das kann.
Meistens stellt sich dabei dann heraus, dass erste Küsse unter Frauen sogar deutlich schöner sein können als erste Küsse mit Männern. Vielleicht weil sich Freundinnen oft ähnlich sind und dann auch ähnlich küssen. Wir wissen nicht genau, was die Erfahrung so schön macht. Aber wir küssen uns jedenfalls gerne und auch gerne immer wieder.
Unangenehm wird es eigentlich nur, wenn eine Freundin die andere küssen möchte, die wiederum aber keine Lust hat. Mit einem Mann ist das in den harmlosen Fällen schnell geklärt: Wir sagen "Halt, Stopp!" und ihr wisst, dass ihr das akzeptieren müsst. Weil Küsse mit einer Freundin aber oft bedeutungsloser sind als mit Männern, findet eine Frau eher, wir sollten uns nicht so anstellen und überredet uns so zu einer Intimität, die wir eigentlich nicht wollten.
Am einfachsten können wir eure letzte Frage beantworten. Ihr wolltet wissen, ob ihr auch miteinander intim werden solltet. Wir finden: Macht doch einfach! Wir geloben hier und jetzt feierlich, dass ihr eure Männlichkeit deswegen nicht anzweifeln müsst – warum auch? Und falls ihr noch ein bisschen Motivation braucht: Auch wir haben Fantasien. Und die haben oft Platz für zwei oder mehr Männer. Traut euch!
Eure Mädchen