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Mädchen, findet ihr Sportverletzungen attraktiv?

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Es gibt im Leben eines Jungen eine Phase, in der klingen Worte wie Kapselabriss, Sprunggelenksprellung oder Kreuzbandriss nicht nur wie schmerzhafte Gründe für den Krankenhausbesuch, sondern ein ganz klein wenig wie Auszeichnungen. Wer so denkt, hört diese Begriffe nicht aus dem Mund eines Mediziners, sondern aus dem eines Sportreporters. Fußballer tragen solche Verletzungen davon und in der genannten Phase denken manche Jungen, eine Verstauchung bringe sie näher an ihr Idol heran. Eine Sportverletzung ist in dieser Phase eines Jungen-Leben eine Art Ritterschlag - der Beweis für Tapferkeit auf dem Platz, dem Sportplatz. Diese Phase endet spätestens dann, wenn man auf einer Pritsche im Medizinraum einer muffeligen Turnhalle liegt und vor Schmerzen schreit. Dann weiß man, dass ein Kreuzbandriss in erster Linie ein verdammter Mist ist.

Im Leben eines Mädchens - und hier kommen wir jetzt zur Frage - scheint es diese Phase auch zu geben. Sie beginnt aber etwas später. Mädchen, so glauben wir, beginnen Sportverletzungen bei Jungen von dem Alter an attraktiv zu finden, in dem Jungen nicht mehr nur einzig Sportreportern zuhören. Mädchen haben dann einen Hauch Bewunderung im Blick, wenn sie sich den Gips oder die Krücken des sportverletzten Jungen ansehen. So jedenfalls empfinden es diejenigen Jungen, die gerade keinen Snowboarder-Schaden durch die Schule tragen und gerade nicht alle Blicke auf sich ziehen, weil sie an einer Fußball-Verletzung - Achtung, Reporter-Wort - laborieren. Vielleicht ist es auch ungerecht, weil auch die ja mit Schmerzen verbunden ist.

Aber dass es überhaupt den Gedanken an Neid unter Jungs gibt, die keine fußballguckenden Kindern mehr sind, legt doch den Verdacht nahe, dass Ihr Sportverletzungen in Wahrheit recht attraktiv findet, oder?

Auf der nächsten Seite liest du die Mädchenantwort.



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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Mädchenantwort von martina-holzapfl

Nein! Nein! Nein! Sportverletzungen sind nicht attraktiv, wir assoziieren sie nicht mit Mut, Heldentum oder Ritterschlag. Erstens wissen wir, dass die meisten Sportverletzungen nicht von einer besonders tollen Leistung zeugen, sondern vor allem von (wenn auch nur milisekundenlanger) Ungeschicktheit. Verletzte Sportler ähneln in unseren Augen deshalb eher bedröpptelten Welpen als mutige Superhelden. Zweitens sind Sportverletzungen meist wirklich tragisch, weil sie ja eben NICHT zu einer steilen Sportlerkarriere beitragen, sondern sie verhindern. Ich kenne Jungs (und übrigens auch einen Haufen Mädchen, aber dazu später), die durch eine winzige Knieverletzung nie wieder zum Training gehen konnten – nicht nur für die nächsten Wochen oder Monate, sondern wirklich NIE wieder.

Unser Interesse an verletzten Jungs gründet sich deshalb nie auf Bewunderung, sondern auf Mitleid. Wir denken nicht: „Der Tolle, hat sich so eingesetzt, dass er eine Fleischwunde bis auf den Knochen hat, jetzt verknalle ich mich in ihn“ – sondern vielmehr: „Oh Mann, hätte er halt ein bisschen aufgepasst, der Arme, jetzt kann er noch nicht mal die Treppe richtig raufgehen, vielleicht sollte ich helfen.“

Dass es deiner Meinung nach ein gewisses Alter gibt, in dem wir uns ganz besonders für Jungs mit Sportverletzung zu interessieren scheinen, hat glaube ich viel mehr mit euren Unsicherheiten und Befürchtungen in ebendiesem Alter zu tun, als mit unserer Wirklichkeit: Wen wir toll finden und wen nicht, machen wir doch nicht von Sportverletzungen abhängig.  

Sollte aber der Zufall es so gewollt haben - und jetzt wird es für dich vielleicht doch noch interessant - dass nun gerade unser spezifischer Verknallter sich eine Sportverletzung zugezogen hat, dann ist diese für uns natürlich von Bedeutung. Und zwar, weil sie eine Hilfestellung für unsere Annäherungsversuche bietet: Die verletzte Beute ist die leichtere Beute. Man kann den sonst so fernen Begehrten an der Treppe abfangen und ihm Hilfe anbieten, fragen, was passiert ist, wie es denn so geht oder was die Verletzung jetzt für ihn bedeutet. Man kann mit ihm darüber sprechen, wie es war, als man sich selbst mal was getan hat, als man sich letzten Winter beispielsweise beim Snowboarden abseits der Piste das Schlüsselbein gebrochen hat oder beim Handball das Schienbein verstaucht. Denn ja, auch Mädchen treiben Sport und erleiden Sportverletzungen. Ein Punkt, den deine Frage völlig ausblendet und der zur lösenden Gegenfrage herausfordert: Findet ihr uns denn etwa heißer mit Sportverletzung? Nein? Na also.

Sportverletzungen erwecken vor allem Mitleid. Es mag sein, dass dieses Mitleid eine Verbindung zwischen zwei Menschen schafft, die ohne das Leid nicht so schnell zustande gekommen wäre. Besonders unerreichbar wirkende Menschen werden eben menschlicher durch Verletzungen und vielleicht auch ein Stückchen liebenswerter. Aber nicht aber automatisch attraktiver. Verletzungen sind immer etwas Bedauernswertes.

Die Coolness von Sportverletzungen ist daher eine genauso jungsintern verklärte Sache wie der Schwanzvergleich - interessiert uns einfach nicht. Merkt euch: Ihr braucht euch also nicht extra in Gefahr zu begeben, nur um uns zu beeindrucken. Und ihr braucht euch jetzt auch bitte nicht mit Absicht etwas anzutun, nur um unsere Empathie zu wecken. Am allerliebsten sind uns immer noch Jungs, die heil sind.
   

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