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Mädchen, dürfen wir eigentlich eure Kleidung kritisieren?
Die Jungsfrage
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Die Jungsfrage zum Anhören wird präsentiert von Süddeutsche Zeitung Audio - dort gibt es auch weitere Fragen zum Anhören! Früher fand ich Cardigans doof. Der Zweck eines Pullovers mit Reisverschluss blieb mir verborgen, ja, Cardigans zu tragen erschien mir sogar irgendwie inkonsequent. Bei einem Streifzug durch die Fußgängerzone hielt mir meine damalige Freundin dann einen zum Anprobieren hin. Ich zog das Teil an und erntete dafür Blicke, die unisono mit den Entzückungslauten aus ihrem Mund sagten: 'Das sieht sooo guuut aus! Den müssen wir kaufen!' Und wir kauften - den Cardigan und auch ein enges Longsleeve, das mit meiner T-Shirts-Müssen-Gemütlich-Sein-Philosophie eigentlich nicht vereinbar war. Später außerdem noch ein Poloshirt, das meiner Kragen-Sind-Spießig-Einstellung widersprach und ein Sakko, von dem ich nicht mal wusste, wann ich es überhaupt anziehen sollte. Nicht, dass ich heute nicht froh wäre, dass meine Freundin mir mit ihrer modischen Überlegenheit ein wenig die Augen geöffnet hat. Den Handlungsbedarf kann ich aus heutiger Sicht nicht leugnen. Und dabei bin ich bei weitem kein Einzelfall. Solange wir das T-Shirt von unserem ersten Guns'n'Roses-Konzert behalten dürfen, ist es für uns Jungs schon in Ordnung, wenn ihr beim Aufräumen unserer Kleiderschränke die Hosen anhabt und uns mal ein Sakko aufschwatzt. Im Normalfall seid ihr nun mal modisch besser bewandert, und außerdem wollen wir ja, dass ihr uns schön findet. Mädchenkritik an unserer Kleidung ist für uns tatsächlich meistens etwas Konstruktives. An anderer Stelle stellt uns eure modische Deutungshoheit aber vor ein Problem. Denn sie verwehrt uns das Kritikrecht an eurer Kleidung. Kleidungsstücke eines Mädchens, vielleicht sogar der Freundin für geschmacklos zu befinden und auszusortieren, scheint für uns nahezu undenkbar. Sie darauf hinzuweisen, dass dieser oder jener Stil ihr doch hervorragend stehen würde, ist für uns in etwa so kompliziert wie bei zwölf Windstärken auf einem Hochseil zwischen den Türmen des Kölner Doms zu balancieren. Obwohl wir auch manchmal finden, dass ihr mit eurer Kleiderwahl daneben liegt, sagen wir deshalb meistens nichts. Kleidung ist, so unser Eindruck, für euch viel mehr Teil eurer Persönlichkeit als für uns. Kritik an eurem Kleidungsstil könnte also als direkte Kritik an eurer Person verstanden werden. Sehr, sehr schwankendes Hochseil. Oder stimmt das gar nicht? Fändet ihr es okay oder würdet es sogar begrüßen, wenn wir euch sagen würden, dass wir eure Punktebluse nicht mehr sehen können und es zum Kotzen finden, dass ihr diesen Ugg-Boots-Trend auch mitmacht? Dürfen wir das Hochseil Kleidungskritik betreten? Und wenn, sollen wir dabei ganz offen und direkt sein? Oder sind vorsichtige Hinweise angebrachter?
Die Mädchenantwort liest du auf der nächsten Seite.
Die Jungsfrage zum Anhören wird präsentiert von Süddeutsche Zeitung Audio - dort gibt es auch weitere Fragen zum Anhören! Die Mädchenantwort Erstmal: Was habt ihr Jungs eigentlich alle gegen gepunktete Blusen? Gut, um auf deine Frage einzugehen: Wir Mädchen legen, glaube ich, nicht überaus viel Wert darauf, wie viel Zeit und Mühe ihr in eure Garderobe investiert. Wir freuen uns darüber, wenn ihr gut von schlecht geschnittenen Hemden unterscheiden könnt und keine Boxershorts mit Flammenmuster unter der Jeans zum Vorschein kommen. Irgendwo da draußen geistern ja angeblich Jungen des Typs „Der neue Mann“ massenweise umher, deren Kleiderschränke üppiger bestückt sein sollen als unsere, aber so viele sind uns davon noch nicht untergekommen. Und unter uns gesagt, mit dem Minderwertigkeitskomplex, neben einem besser gekleideten Typ auf der Straße zu laufen, müssten die meisten von uns auch erst noch umzugehen lernen. Ansonsten hat sich die Mehrheit doch auf ein gemütliches Arrangement geeinigt. Ihr lasst euch beim Shoppen dankbar von uns beraten, und wenn wir aus der Umkleide kommen, kommentiert ihr die Wie-seh-ich-aus-Frage im Gegenzug mit den Standardurteilen „Ja, schaut doch gut aus“ oder „Das andere gefiel mir irgendwie besser.“ Jede dieser beiden Antworten ist ein diffuses „Keine-Ahnung“-Statement, das aus der Unkenntnis, die ihm innewohnt, keinen Hehl macht. Das geht vollkommen in Ordnung, denn entscheiden wir uns für das Kleid, das ihr uns empfehlt, seid ihr sowieso zufrieden. Und nehmen wir doch die unförmige MC-Hammer-Hose mit dem ausgebeulten Schritt, können wir uns guten Gewissens einreden, dass ihr dieses topstylische Ding einfach nicht kapiert. Du hast also Recht darin, dass es keine einfache Angelegenheit ist, unsere Kleiderwahl zu bemäkeln. Auf zaghafte Suggestion gehen wir nicht ein, weil wir sie schlichtweg nicht für voll nehmen. Da wir meistens erwarten, dass ihr uns ohnehin in jedem Gewand wundervoll und bezaubernd findet, solltet ihr, wenn ihr das Bedürfnis habt, uns eure aufrichtige Meinung mitzuteilen, ruhig mal euren ganzen Mut zusammen nehmen. Solange sie gut begründet ist, können auch wir gelegentlich offene Kritik gut vertragen. Probiert es mal mit Sätzen wie diesen: „Dunkelgrün passt nicht zu deiner Haarfarbe.“ „Der Schnitt ist nicht sehr vorteilhaft für deinen Körperbau.“ Oder eben: „Tut mir leid, aber die Punktebluse lässt dich aussehen wie ein Mauerblümchen.“ Das wäre nicht unbedingt subtil und wahrscheinlich klappen wir wie ein Fisch verdattert den Mund auf und zu und schweigen die folgende halbe Stunde. Wir würden eventuell sogar so reagieren, als hättet ihr gesagt, dass wir schlecht im Bett sind, also todbeleidigt. Insgeheim würden wir uns das Gesagte aber doch ein zweites Mal durch den Kopf gehen lassen. Und uns vielleicht sogar darüber freuen, dass ihr uns zur Abwechslung einen konstruktiven Moderatschlag gebt. Denn schließlich heißt es doch: Wer schön sein will, muss leiden. Xifan Yang