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Mädchen, wie dürfen wir euch abchecken?

Collage: Veronika Günther

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Die Jungsfrage:

Liebe Mädchen,

mal gleich eine These vorweg, auf der all das hier dann fußen wird: Wir – also wir und ihr – sind auch auf der Welt, um einander gut zu finden. Charakterlich, intellektuell, vom Humor her und weil wir nett zueinander sind. Aber auch optisch.

Wer dem jetzt gar nicht zustimmt, muss nicht weiterlesen. Er oder sie wird sich sonst vielleicht ärgern. Das bringt niemandem was.

Wer noch da ist, wird den nächsten Schritt aber vermutlich auch noch mitgehen: Damit wir wissen, ob wir charakterlich zueinander passen, müssen wir so etwas wie Wertediskussionen (oder irgendwas ein paar Nummern kleiner) führen. Da kommt der Intellekt mit ein bisschen Glück wohl auch raus. Für den Humor müssen wir zusammen lachen, nett sein könnte sich da automatisch einstellen. Und für die Optik, für die muss man halt gucken. Und je nach Situation ja vielleicht auch mal, bevor man Werte diskutiert. Ins Gesicht, auf die Hände (vor allem die Hände!), Augen, Haare, Gesamteindruck. Aber doch auch: Hintern, Beine, Bauch, Brüste. Das gehört da ja dazu. Zum Gesamteindruck, klar. Bisschen steht’s aber auch für sich.

Für euch doch auch. Das ist jetzt schon etwas mehr Frage als These, aber schon auch noch These. Wir finden aneinander doch alle mal nen Hintern toll oder einen Bauch. Unterarme oder Bizepse oder Waden oder Brustmuskeln oder Brüste oder Lippen. Immer noch richtig? Gut, dann kommt jetzt der Gender-Gap, glaube ich: Wir fühlen uns in aller Regel ziemlich geschmeichelt, wenn wir merken, dass ihr uns abcheckt. Und ja, auch dann, wenn das explizit unseren Hintern oder Bauch oder vielleicht sogar den Schritt meint. Und das wahrscheinlich auch dann noch ein bisschen, wenn die Blickende nicht unserem Schönheitsideal (welchem eben auch immer) entspricht.

 

Ihr nicht so. Würde ich jetzt sagen und verstehen kann ich es irgendwie schon auch. Man denkt da ja sofort an schief gesoffene Stierblicke und irgendwas Hingebrüderletes über ausgefüllte Dirndl oder Blusen. Klar will das niemand sehen oder hören oder auf seinem Körper spüren.

 

Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass euch das ganz grundsätzlich unangenehm ist. Zumindest so ein Gesamteindruck-Check im richtigen Moment. Und so ein charmanter (?), freundlicher (?!), züchtiger (??!), souveräner (??!!) Blick auf den Hintern, die Brüste, die Beine? Geht da nicht auch was? Und wenn ja: Wie? Das wäre toll zu wissen! Und zwar, wenn möglich, möglichst konkret.

 

Weil: Dass ihr da mindestens zwei Gedanken mit „das kommt ganz auf die Situation und den Typen an“ anfangen müsst, das kann ich mir schon denken. Aber wenn wir euch jetzt zum Beispiel in einer Bar zum ersten Mal sehen, dann können wir ja noch gar nicht wissen, wie eure Situation so ist und was wir für ein Typ wir damit gerade für euch sein könnten. Und dann gibt’s doch bestimmt auch noch andere Faktoren: Tagesform? Frühling? Was ihr anhabt und wie ihr euch darin fühlt – dress to impress oder mehr so Schlabberpulli to hide the Winterdepression? Aktuelles Interesse an einem (Sexual-)Partner? Das beeinflusst doch bestimmt, ob ihr gerne abgecheckt werdet. Und von wem. Und wie. Oder ist das alles Quatsch? Mal bitte, naja, Einblicke gewähren halt …

 

Eure Jungs

 

maedchenfrage

Mädchenantwort

 

Liebe Jungs,

 

in ganz kurz: Ihr dürft gerne gucken. Ihr jetzt, die ihr euch diese Frage stellt. Ihr klingt dabei ziemlich unverdächtig und dann sollte das alles in Ordnung gehen. In länger ist das komplizierter, weil ihr ja auch noch ganz genau wissen wollt, wann und wie und warum. Also der Reihe nach:

 

1. Der erste optische Eindruck ist wichtig und in vielen Situationen zwischen euch und uns auch für uns entscheidend. Da sind wir also ganz bei euch. Das ist sogar bei Menschen so, die nicht besonders oberflächlich sind: Denn auch, wenn es ganz tief im Unterbewusstsein passiert, entscheidet das, was wir sehen, darüber, wie es weitergeht. Dazu gibt es haufenweise wissenschaftliche Erkenntnisse. Und denen glaube ich spätestens, seit ich mich fast mal am Telefon verliebt hätte (und dann aber den Menschen mit der Stimme getroffen habe …). Gucken ist also essentiell.

 

2. Gucken ist für uns Mädchen als Angeguckte und Nachgeguckte aber tatsächlich auch oft unangenehm, da habt ihr recht. Wenn wir uns mit euch unterhalten und uns dabei fragen müssen, ob unsere Brüste sprechen, so konzentriert, wie ihr denen zuhört. Wenn ihr uns hinterherschaut, abcheckt, wie ihr sagt, und das mit einer Checkliste in euren Pupillen tut. Haare: check. Po: check. Beine: check. Diese Blicke sind deswegen so ekelhaft, weil sie sagen: Du bist Beine, Haare Po. Du bist ein Objekt. Und wenn wir eins nicht mögen, dann ist es, ungefragt zum Objekt gemacht werden. Deswegen haben manche von uns gelernt, solche unwillkommenen Blicke mit der Zeit immer weniger zu spüren.

 

3. Gutes Gucken passiert  – beim Hinterngucken natürlich im übertragenen Sinn! – auf Augenhöhe. Gutes Gucken passiert, wenn es kein subtiles Machtgefälle gibt zwischen Subjekt und Objekt, wenn der Status von Beguckter und Guckendem ausgeglichen ist. Zu theoretisch? Okay: Niemals Gaffen, niemals geifern. Wenn ihr schaut, dann tut das bitte freundlich-interessiert, schweifend-beiläufig und so, als würde es euch um den Gesamteindruck gehen. Ein guter Blick von euch sollte ziemlich schnell in unserem landen, weil ihr uns damit zeigt, dass  ihr uns als Mensch seht und nicht nur als Busen-Beine-Po-Ding.

 

4. Wir fühlen uns außerdem dann weniger unangenehm objektiviert, wenn wir das Gefühl haben: Jepp, ich könnte hier durchaus auch zum handelnden Subjekt werden – in diesem Fall also erst mal: zum zurückguckenden Subjekt. Deswegen hat das mit dem richtig gucken für uns – und da sind wir vielleicht anders als ihr – schon damit zu tun, wer guckt. Und ob wir da zurückgucken wollen. Diese ganze Subjekt-Objekt-Gender-Grammatik klingt kompliziert, hat aber vermutlich vor allem mit dem Gefühl zu tun, eine Situation steuern zu können. Das ist der Fall, wenn wir zurückschauen und damit ein sich-gegenseitig-Anschauen einleiten. Oder wenn wir euch  beim Gucken ertappen, aber ein Blick von uns reicht, damit ihr betreten weiterschaut.

 

5. Ihr habt noch gefragt, ob das Angucken-Lassen mit Tagesform zu tun hat. Auf jeden Fall! An Tagen, an denen man sich eh schon von der Welt objektiviert fühlt, insgesamt eher uhrenzahnrad klein und dem Leben ausgeliefert, wird uns so ein unwillkommener, zusätzlich objektivierender Blick eher wehtun. An besonders guten Weltherrscherinnentagen dagegen kann die eigene On-Top-of-The-World-Stimmung beim selben Blick dazu führen, dass wir uns vom Objekt ins Subjekt verwandeln. Wir uns als großmütige Gönnerin fühlen: Ich erlaube dir zu gucken, du arme Wurst.

 

6. Wäre noch die Sache mit den Klamotten. Ich glaube, es gibt grundsätzlich zwei Arten davon: Solche, die wir gerne tragen, weil sie uns gefallen,weil sie uns gute Laune machen, weil sie einen Teil von dem, was wir sind oder sein wollen, unterstreichen. Ich brauche euch das nicht genauer zu erklären: Ihr wisst, was ich meine. Und es gibt Klamotten, die wir tragen, weil sie uns gut aussehen lassen. Weil sie zu unseren Augen passen, einen guten Hintern machen und unsere Gesten eleganter wirken lassen. In solchen Klamotten ist man eher aufs Begucktwerden eingestellt. Und wenn ihr uns das nächste Mal in einer Bar seht, ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich groß, dass unsere Garderobe zur zweiten Kategorie gehört.

 

So oder so ähnlich ist das mit dem abgechekt werden, liebe Jungs. Bleibt nur zu sagen, dass ihr da ein ziemliches Privileg habt, und ich meine jetzt nicht nur diese ganze Subjekt-Prädikat-Objekt-Kiste. Sondern auch die Tatsache, das ihr es besser habt, weil ihr meistens einfach mehr zu sehen kriegt: Mehr Haut, mehr Kontur. Während wir oft nur sehr vage erahnen können, wie es unter eurem Rundhalsausschnitt weitergeht.

 

Eure Mädchen. 

 

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