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Jungsfrage: Was sind eigentlich Dildo-Partys?
Liebe Mädchen,
ich stelle mir Dildo-Partys ja als eine seltsam spießige Veranstaltung vor, bei der kichernde Frauen ab 40 abends in einem Wohnzimmer sitzen, auf der „antiken“ Kommode in der Ecke und den Fensterbänken liegen Deko-Muscheln und kleine Seesternchen. In der Hand halten diese Frauen ihren Prosecco und starren auf den Palisander-Tisch vor ihnen, auf dem ein bunter Wald aus Dildos steht. Große aus Naturkautschuk, kleine gedrechselte aus heimischen Hölzern, dicke fleischfarbene aus Silikon. Ein paar davon wackeln plötzlich heftig, weil die Gerti, die gerade vom Marlboro-Lights-Rauchen auf dem Balkon zurückgekommen ist, mit ihrem Bein gegen den Tisch stieß. Und aus dem Kichern in der Runde damit ein gröhlendes, sehr schmutziges Lachen macht.
Soll heißen: Dildo-Partys sind in unserer Vorstellung wenig britzelnde Events für sonst eher bürgerlich-brave, ein wenig verklemmte Frauen.
Oder sind sie vielleicht auch Horte der Aufklärung, wo ihr unter euch seid, wo Fragen gestellt werden, die ihr euch sonst nicht traut zu stellen? Wie es sich anfühlt, den genoppten Dildo zu nehmen? Wo es um Hautverträglichkeiten geht oder darum, seinem Freund schonend beizubringen, dass man den sehr großen Dildo ja schon sehr gut findet, aber das sicher nichts mit ihm zu tun hat?
Ihr müsst bitte verzeihen, wenn da jetzt arg viele Klischees oder Anzüglichkeiten dabei waren. Aber so etwas gibt es bei uns halt nicht. Taschenmuschi-Partys oder so, habe ich nie davon gehört. Oder lustige Penisring-Verkaufsabende, mit Bier und Grillfleisch vorher. Auch nicht. Ich kann mir auch nicht vorstellen, mich mit einem meiner Kumpels über eine Plastik-Vagina zu beugen und zu sagen: Ja, sehr schön, Peter, könnte ich mir gut vorstellen, die fühlt sich auch so echt an, aber ein bisschen groß vielleicht, was hältst du davon?
Never ever.
Manche von uns wussten bis vor ein paar Tagen nicht einmal, dass es so etwas wie Dildo-Partys überhaupt gibt. Auch wenn viele Frauen in der Redaktion mit einer Mischung aus Langeweile und bemitleidender Faszination für eben diese Jungsfrage einwendeten, dass es die schon schon seit Jahren (!) gibt.
Aber trotzdem: Geht ihr da wirklich hin? Wieso geht ihr da hin? Nehmt ihr Nudelsalate mit? Geht ihr da hin, weil ihr echt Bock auf einen Dildo habt? Oder weil ihr wissen möchtet, wie so ein Abend abläuft und was da für Leute sind? Wieso geht ihr nicht in einen Sexladen? Oder bestellt den Dildo im Internet?
Wie ihr mit Sicherheit schon bemerkt habt, wir sind komplett ahnunglos.
Bitte bringt da mal Licht ins Dunkle,
Eure Jungs
Die Mädchenantwort:
Liebe Jungs,
es ist uns unangenehm, auf eure Frage zu antworten. Nicht, weil wir ein Problem damit haben, über Dildos zu reden. Nein, viel eher liegt es daran, dass wir Klischees über unser Geschlecht hassen und seit Jahrzehnten bekämpfen – in dieser Antwort werden wir aber nicht drum herum kommen, einige davon zu bestätigen.
Dildo-Partys, soviel vorneweg, sind nichts, worauf wir stolz sind. Und, auch das gleich vorneweg, wir wissen auch nicht so richtig, warum wir bei sowas mitmachen. Dildo-Partys sind ein kleiner Tiefpunkt im Leben einer Frau. Die Hölle der kicherigen-Junggesellinenabschieds-pinke-Krönchen-tragenden-Erdbeersekt-trinkenden-anzügliche-Witze-machenden-Frauen. Merkt man schon, wenn man sich einfach nur das Grundprinzip anschaut: Eine Dildo-Party ist eine Tupperparty mit Dildos. Die Vertreterin heißt Dildofee. Ja. Dildofee.
Aber aufgrund eurer kompletten Ahnungslosigkeit ist es wohl am besten, wenn wir euch ein bisschen von unseren Erfahrungen mit Dildo-Partys erzählen.
Es fängt damit an, dass wir von der Freundin einer Freundin einer Freundin eingeladen werden, weil „super lustige Sache“ und so. Und wir fragen uns: Will ich dahin? Wie läuft sowas ab? Wird das peinlich, muss man da vielleicht sein privatestes Privatleben preisgeben? Will ich, dass alle anderen wissen, was für einen Dildo ich kaufe? Kurz überlegen wir, nicht hinzugehen. Schließlich siegt die Neugier, denn wir wollen verdammt nochmal wissen, was da so abgeht! Vielleicht werden uns ja komplett neue Sichtweisen auf unsere Sexualität eröffnet? Vielleicht kommen wir völlig erleuchtet zurück? Diese Chance wollen wir uns nicht entgehen lassen. Deshalb stehen wir dann mit einer Flasche Sekt (das bringt man doch zu Mädelsabenden mit, oder?) vor der Tür besagter Veranstalter-Freundin. Schon im Treppenhaus hören wir lautes Gekicher und wollen am liebsten wieder auf dem Absatz kehrt machen. Geht jetzt aber nicht mehr. Also rein da.
Erster Schock: Die Dildofee ist die Leberkäsverkäuferin aus dem Dorfsupermarkt
Drinnen sitzen im Wohnzimmer etwa zehn Frauen Anfang 20 auf dem Sofa um einen Couchtisch herum. JEDE hat ein Sektglas in der Hand. Puh, zum Glück haben wir keinen Nudelsalat mitgebracht. Wir setzen uns dazu und merken, dass alle, die hier gerade giggeln und kichern, ziemlich unentspannt sind. Niemand weiß so recht, worüber man reden soll. Und wohin man schauen soll. Bisschen peinlich halt schon, das Ganze, auch unter Bekannten. Dass hier gleich total offen über Sexspielzeug geredet werden soll, können wir uns nicht vorstellen.
Nachdem sich alle ein bisschen warmgetrunken haben, geht’s endlich los. Es erscheint – drrrmmmm – die Dildofee. Erster Schock: Die Dildofee ist die Leberkäsverkäuferin aus dem Dorfsupermarkt. Zweiter Schock: Sie sieht aus, als würde sie kichernde Mädchen zum Frühstück verspeisen und hat so gar nichts feenartiges. Ihr Einstieg ist dann aber schon elegant: „Ich weiß, manche von euch denken sich: Sowas brauch ich nicht! Aber ich habe nicht nur Dildos dabei, sondern zum Beispiel auch Gleitgel – und das kann man sich wunderbar zwischen die Oberschenkel schmieren, damit man sich im Sommer keinen Wolf läuft!“ Gleitgel als Schmiermittel, damit ausladende Oberschenkel im Sommer nicht aneinanderreiben? Darauf einen Schluck Sekt.
Entgegen eurer Vorstellung (Wald aus Dildos?) werden die Geräte nun einzeln von der Dildofee aus einem großen Reisekoffer gekramt und dann reihum durchgereicht. Anfangs wissen wir nicht so recht, wie wir die Dinger anfassen sollen. Und überhaupt: Worauf muss man denn beim Dildokauf achten? Woher weiß man, was gut oder schlecht ist? Wir fühlen uns beobachtet und unwohl und geben die Dildos schnell weiter. Dabei erklärt die Dildofee die jeweiligen Features und Vorzüge.
Wir lernen: Es gibt Dildos in jeder Form, Farbe und Größe. Es gibt Vibratoren, die aussehen wie der neue heiße Scheiß von Apple. Es gibt Kerzen, deren Wachs man sich auf den Körper träufeln und dann abschlecken (lassen) kann. Es gibt Gleitgel, das riecht wie diese Kaugummis, die in quietschpinken Bahnen auf Spulen aufgerollt sind und die man als Kind immer krass gut fand. Irgendwie kann man generell das meiste Zeug essen.
Außerdem gibt es Penisringe (deshalb gibt es vielleicht keine Penisring-Partys, die Frauen kaufen eben für die Männer ein) und Liebeskugeln, die aussehen wie Schmuck für den Osterbaum von Oma („Total diskret! Kann man den ganzen Tag tragen und niemand merkt es!“). Natürlich kann man das alles schlecht testen, von wegen Hygiene und so. Damit man aber nicht die Katze im Sack kauft, hat die Dildofee eine Tipp: „Testet die Vibratoren an eurer Armbeuge – dort seid ihr ähnlich empfindlich wie untenrum!“ Nervöses Kichern. Ein lila-glitzerndes Teil mittlerer Größe wird brav in die Armbeuge geklemmt. „Das ist der Butterfly – die kleinen Flügel an den Seiten geben noch den extra Kick!“, erklärt die Dildofee mit ernstem Gesichtsausdruck.
Trotz Unmengen Alkohol werden wir das Gefühl nicht los, dass sich hier niemand richtig wohl fühlt. Zu gewollt, zu klischeehaft wirkt das Ganze. Der Sekt, das Gekicher, die Produkte in pink-rosa-glitzer – sowas kommt doch nur in schlechten „Frauenfilmen“ vor. Die erhoffte Erleuchtung bleibt bis zum Schluss aus, ebenso die offenen Gespräche über weibliche Sexualität. Trotzdem: Ein bisschen was macht so eine Veranstaltung schon mit uns. Wir fragen uns etwas ratlos: Hat uns all das bisher gefehlt und wir haben es nur nicht gemerkt? Ist es viel normaler, als wir denken, mehrfache Dildo-Besitzerin zu sein? Oder sollte es viel normaler werden, sodass niemand Kichern und sich mit Sekt Mut antrinken muss? Es mag an diesen Gedanken, oder auch einfach nur an der Kombination aus Alkohol und Gruppenzwang liegen, aber am Ende bestellt jede irgendwas. Und dann ist das Ganze auch schon wieder vorbei. Betrunken und verwirrt gehen wir nach Hause.
Eure Mädchen
PS: Wehe ihr fragt nächste Woche, was wir bestellt haben.