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Mädchen, was passiert in der „Abcheck-Sekunde“?

Illustration: Daniela Rudolf

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Liebe Mädchen,

ein Kollege hat vor Kurzem meinen Wortschatz um einen neuen Begriff bereichert: Die sogenannte Abcheck-Sekunde. Beim ersten Hören dachte ich dabei an das, was uns in Romantic Comedys und Make-Up-Werbung als „dieser EINE Moment“ um die Ohren gehauen wird: Zwei Menschen schauen sich an, und – hach – plötzlich ist alles klar. Sie werden eine instagramtaugliche Hochzeit abhalten, absurd niedliche Kinder großziehen. Oder eben nicht. Hopp oder top. Die Abcheck-Sekunde halt.

Besagter Kollege sprach allerdings von einer ganz anderen, so rein zwischenmenschlich alles andere als romantischen Sekunde: Dem Abchecken von Frauen untereinander. Er sagte, bei euch gebe es – und hier fiel doch die Werber-Formulierung – diesen EINEN Moment, in dem sich zwei Frauen quasi instinktiv mustern, sollten sie sich nicht bereits kennen und abgecheckt haben. In diesem Moment, der eine Art Full-Body-Scan von Kopf bis Fußspitze beinhaltet, würdet ihr entscheiden, ob ihr eurem Gegenüber freundlich, gleichgültig, oder mit ausgefahrenen Ellbogen gegenübertreten wollt, so der Kollege. Und es gehe dabei nicht um eine potentielle Anziehungskraft dieser Person auf euch, sondern darum, ob sie euch mit ihrer Attraktivität möglicherweise den Partner oder die Partnerin ausspannen könnte.

Diese „Abcheck-Sekunde“, sollte sie überhaupt existieren, als rein weibliches Phänomen zu beschreiben, scheint mir etwas eigenartig. Mustern sich denn nicht alle Menschen, wenn sie sich unbekannterweise begegnen? Muss man dabei von „diesem einen Moment“ sprechen, ist das nicht eher ein permanenter Prozess? Hat mein Kollege zu viel Make-Up-Werbung geschaut?

All diese Fragen gebe ich hiermit an euch weiter. Und zwar zusammengefasst als: Mädchen, gibt es die „Abcheck-Sekunde“? Und wenn ja, was passiert da?

Eure Jungs

Mädchenantwort

Collage: jetzt.de

Liebe Jungs,

eure Frage hat uns erstmal etwas verwundert. Denn wie ihr ja schon sagt: Irgendwie schaut man sich Menschen, die einem neu vorgestellt werden, ja immer mit einem, sagen wir mal, interessierten Blick an. Ist ja auch klar: Man muss die Person ja irgendwie verorten, schnell entscheiden, ob man es gut oder schlecht findet, mit ihr Zeit zu verbringen.    

Trotzdem wissen wir, was der Kollege da meint. Alleine schon, weil es Hollywood-Teenie-Komödien gibt. Da kommt sie ja eigentlich immer vor, diese Abcheck-Sekunde. Irgendeine Cheerleaderin steht dann vor irgendeinem als Loser deklarierten Mädchen, guckt an ihr herunter. Je weiter sie runter guckt, desto düsterer wird die Miene, klarer Fall: Abgecheckt werden heißt aussortiert werden. Zumindest im Film.

Im echten Leben ist das ein bisschen anders – und vermutlich weit harmloser als ihr euch das vorstellt. Denn es gibt zwar diesen besonderen scannenden Blick, der irgendwo zwischen dem harmlosen Mustern einer neuen Bekanntschaft und dem Abchecken eines potenziellen Sexpartners einzuordnen ist. Und tatsächlich nehmen wir dieses Zwischending auch viel häufiger und intensiver gegenüber anderen Frauen vor als gegenüber Männern. Was dabei genau in unserem Kopf passiert, kann aber je nach Situation sehr unterschiedlich aussehen. Es kommt dabei sehr darauf an, wo wir sind und was wir wollen.

Wenn wir uns beispielsweise nach einer fremden Frau umdrehen, die an uns vorbeiläuft, könnt ihr euch relativ sicher sein: Wir lieben oder hassen, was sie anhat. Sie trägt also etwas am Körper, das uns während des Vorbeigehens flüchtig auffiel und uns dann auch in den folgenden Momenten so sehr beschäftigte, dass wir uns das mal genauer ansehen wollen.

Wenn sie die Ex-Freundin unseres neuen Partners ist: scannen!

Mir passierte das letztens, als beim Feiern eine Frau Sandalen trug, die so viel Fell (?) auf dem übergroßen Riemen hatten, dass ich mich fragte, ob sie in Puschen unterwegs sei. War sie nicht, nur ein wenig geschmacksverirrt vielleicht – ich wendete den Blick wieder ab. Genauso passiert es aber auch, dass ich Frauen abscanne, deren Kleidungsstil mir flüchtig gefällt. Ich besehe mir also schnell alles ein wenig näher und merke mir einzelne Elemente für den nächsten Einkauf. Alles ganz harmlos.

Natürlich gibt es aber auch andere Momente, in denen wir Frauen abchecken, obwohl wir nicht auf sie oder ihr Styling stehen. Und zwar solche, in der wir über das normale Pensum hinaus an der Person interessiert sind. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn wir schon sehr viel von ihr gehört haben. Sie beispielsweise die neue Freundin des Kumpels/Bruders/Kollegen ist oder einfach brutal erfolgreich in etwas, das uns interessiert. Da wollen wir schon genauer herausfinden, wer sie ist. Klar, das klappt durch das Abchecken auch nicht unbedingt – aber es soll uns eben kein Detail entgehen. Reine Neugierde also.

Noch heftiger besehen wir eine Frau in solchen Fällen, in denen wir uns nicht sicher sind, wie gefährlich sie uns selbst werden kann. Wenn Sie sich auf den gleichen Job bewirbt wie wir: scannen. Wenn wir mit ihr auf einer Party sind und wir den gleichen Rummach-Menschen im Visier haben: scannen. Wenn sie die Ex-Freundin unseres neuen Partners ist: scannen. Wenn sie die noch verliebte Ex-Freundin unseres Partners ist: scannen, scannen, scannen!

Man darf ruhig wissen wollen, womit man es zu tun hat

Ihr merkt: Es kann hier auch um Konkurrenz gehen, ganz klar und natürlich, einfach eine Vorsichtsmaßnahme. Wäre ja auch schön blöd von uns, uns potenzielle Nebenbuhlerinnen nicht anzuschauen. Man darf ruhig wissen wollen, womit man es zu tun hat.

Was uns in der Abcheck-Sekunde aber eigentlich wichtig ist: Der Full-Body-Scan soll unauffällig passieren. Erstens, weil wir unserem Gegenüber nicht sofort zeigen wollen, wie sehr sie uns interessiert. Und zweitens, damit unser Blick auf die Andere eben nicht wirkt, als wollten wir mit ihr umgehen wie die Cheerleaderin mit dem Loser. Wir wollen ja keinen Krieg. Nur mal gucken.

Deshalb sind wir jetzt auch etwas beunruhigt durch eure Frage. Sie zeigt schließlich, dass wir eben nicht so unauffällig abchecken, wie wir dachten. Vielleicht müssen wir da in Zukunft etwas subtiler vorgehen. Aber vielleicht könnt ihr uns das ja bald mal beibringen? Dass ihr euch gegenseitig nie abchecken würdet, kaufen wir euch nämlich nicht ab. Spätestens wenn wir euch mit unserem Ex konfrontieren, während ihr noch um unsere Gunst werbt, sind wir uns sicher: Da wird euer Blick auch etwas entgleisen. Und das ist ja eigentlich auch gar kein Problem, oder?

Eure Mädchen  

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