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Mädchen, konkurriert ihr anders als wir?

Foto: suschaa / photocase.de; Illustration: jetzt

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Liebe Mädchen,

es gibt da ein wirklich dämliches Wort, das gerade in der Diskussion um die faire Bezahlung von Frauen eine traurige Renaissance erfährt: Die sogenannte Stutenbissigkeit. Anstatt sich struktureller Benachteiligung zu widmen, fangen (männliche) Hobbypsychologen in den Kommentarspalten gerne an, ihr Fachwissen über das Verhalten von Frauen untereinander breitzutreten. Angeblich ist das nämlich so: Während Männer sich gegenseitig unterstützen, sich Jobs verschaffen und im Konfliktfall offen und transparent miteinander umgehen (Männer sind toll, nicht wahr?), machen Frauen das genaue Gegenteil. Sie beneiden andere Frauen um ihre höheren Positionen, giften sich tagtäglich an und tragen Konflikte über üble Nachrede aus (weil sie böse und dumm sind). So könne das ja nichts werden mit der Karriere. Soweit die „Theorie“.

Die Argumentation der Hobbypsychologen ist hierbei natürlich mindestens fragwürdig, allerdings lesen wir auch oft von Feministinnen, dass das Konkurrenzverhalten von Frauen zwar auf keinen Fall verantwortlich für den Gender-Pay-Gap ist, allerdings durchaus ein Problem darstelle. Sie rufen daher zu mehr „female solidarity“ auf: Gerade in der nicht unbedingt  für Solidarität bekannten, spätkapitalistischen Arbeitswelt sei es nämlich tatsächlich so, dass Frauen, die es „nach oben“ schaffen, oft wenig Bewunderung von ihren Geschlechtsgenossinnen entgegenschlägt, sondern eher Neid und Lästereien. Der Grund dafür sei aber nicht das böse weibliche Wesen, sondern eben die Struktur, in der diese Konkurrenz stattfindet. Hier müsse man bewusst gegenarbeiten, sich zusammenschließen, Frauenstammtische gründen, sich vernetzen und so weiter. Bisher sei es oft noch so, dass viele Frauen sich für eine erfolgreiche Karriere eher mit den Männern verbrüdern, ihr eigenes Frausein zu einem gewissen Grad aufgeben und möglichst nach dem von Männern erfundenen Regeln spielen. Gewissermaßen also die erwachsene Variante des „cool girls“, das auf dem Pausenhof bei den Jungs rumhängt und über sexistische Witze lacht. Nur, dass die erfolgreiche Frau dann eben auf ihrem Chefsessel sitzt und über die Frauen in den unteren Stockwerken lacht, die einfach „keine Eier“ hatten und lieber rumgeheult haben, anstatt sich anzustrengen.

So viel zu dem, was wir gelesen haben. Aber gebt ihr uns doch mal eine Einschätzung: Wie konkurriert ihr untereinander? Gibt es da tatsächlich so eine Art typisches Verhalten, das sich grundlegend von Konkurrenz unter Männern unterscheidet? Beginnt das vielleicht schon weit vor dem Arbeitsleben?

Eure Jungs

Die Mädchenantwort:

Mädchen
Dirk Schmidt

Liebe Jungs,

wer könnte uns eine bessere Innenansicht in die Lebenswelt von Frauen geben, als der männliche Hobbypsychologe aus den Kommentarspalten des Internets? Okay, Ironie aus. Wir sind sehr froh, dass ihr uns fragt, auch wenn wir uns am liebsten mit vor der Brust verschränkten Armen darüber aufregen würden, was für eine bodenlose Frechheit diese zusammengeschusterte „Theorie“ ist – aber das wäre gelogen.

Aber von vorne. Ja, es gibt einen Unterschied, wie ihr Jungs konkurriert und wie wir Mädchen konkurrieren. Ich würde das gerne an einem Beispiel zeigen: Es gibt da einen Film, er heißt „Girls Club – Vorsicht bissig!“ und seine Veröffentlichung 2004 passte ziemlich gut mit dem Erwachsenwerden vieler von uns zusammen. Vermutlich kennt ihr den Film nicht, deswegen eine kleine Zusammenfassung: Lindsay Lohan spielt darin ein Mädchen namens Cady, das an eine neue High School kommt und da auf die Mädchenclique „The Plastics“ trifft. Oberhaupt der Clique ist Regina – ein superbeliebtes, hübsches, aber auch zickiges Mädchen – und natürlich haben Cady und Regina dann Beef.

„Ich wusste, wie sowas in der Tierwelt geregelt wird“, sagt Cady in einer Szene aus dem Off und man sieht, wie sie zähnefletschend auf Regina zustürmt, sie am Hals packt und zu Boden wirft, „aber ich war in der Girlywelt“. „Girlywelt“ heißt in diesem Fall, dass niemand sich auf dem Boden wälzt, sondern dass ein subtiler Vernichtungsfeldzug geplant wird, bei dem Cady Regina, die abnehmen möchte, vermeintliche Proteinriegel gibt, die in Wahrheit aber super-schnell-zunehm-Riegel sind. Regina stopft die Riegel dann wie blöd in sich hinein und wird dick. Hihihi.

Was wir nicht mit Fäusten ausdrücken wollen, machen wir eben mit Neid, Missgunst und Lästereien.

Ihr Jungs lebt, was Konkurrenz angeht, eher so in der „Tierwelt“: Wenn ihr Stress habt, oder um etwas konkurriert, dann prügelt ihr euch einfach und der Gewinner gewinnt. In der Arbeitswelt gibt es natürlich eine zivilisiertere Variante des Prügelns, aber es sind immer relativ klar definierte und nach außen sichtbare Machtkämpfe. Natürlich könnten wir das auch, aber prügeln tut weh und Gewalt ist keine Lösung. Deswegen leben wir eher in der „Girlywelt“ und die Konkurrenz dort ist ziemlich dirty, believe me! Sie ist sehr viel subtiler, hinterhältiger und ich würde behaupten, auch sehr viel zerstörerischer, als ein blaues Auge oder ein verstauchtes Handgelenk. Was wir nicht mit Fäusten ausdrücken wollen, machen wir eben mit Neid, Missgunst und Lästereien.

Jetzt kommt meine (hobbygesellschaftswissenschaftliche) Analyse, warum das so ist und ich gebe euch vollkommen Recht, der Grund dafür ist nicht das böse weibliche Wesen, sondern eher die Strukturen, in denen wir leben. Das heißt konkret: eine Gesellschaft, die uns Frauen permanent vorhält, dass wir nicht gut/schlank/hübsch/schlau/erfolgreich genug sind und dass es einfach nicht genug Platz/Jobs/Partner für alle Frauen auf dieser Welt gibt, sodass wir glauben, permanent im Wettstreit miteinander zu sein.

Und dann gibt es eben manchmal so etwas, wie das „cool girl“, das ihr beschreibt. Also die im Chefsessel sitzende Frau, die sich die Eier schaukelt, heftig mit den männlichen Kollegen abkumpelt, beim besten Willen keine Diskriminierung sehen will und in feinster

Frank-Thelen-Manier behauptet: „Wieso, geht doch! Ich habe es auch geschafft, Bitches!“ Das ist sehr unschön, funktioniert aber. Mit dem Unterschied, dass wenn wir Frauen nach oben buckeln, wir in die Richtung von Männern buckeln müssen, weil die meistens Führung- und Entscheidungspositionen immer noch von Männern besetzt sind und wenn wir nach unten treten, das neben einigen Männern leider meistens sehr viele Frauen trifft.

Wenn wir in der Chefetage nur eine einzige Frau sehen, dann haben wir das Gefühl, dass für mehr offenbar kein Platz ist.

 

Natürlich gibt es auch Frauen, die es ohne Treten nach oben geschafft habe, weil sie einfach supertaff, klug und toll sind und die Diskriminierung sehr wohl sehen, aber auch da bleibt manchmal die „female solidarity“ ein bisschen auf der Strecke, weil jede selbst gucken muss, wo sie bleibt. Wo wir wieder bei den STRUKTUREN sind, genauer bei der Sichtbarkeit und dem Gender Pay Gap. Wenn wir in der Chefetage nur eine einzige Frau sehen, dann haben wir das Gefühl, dass für mehr offenbar kein Platz ist und umso größer wird die (hinterhältig-fiese) Konkurrenz um diesen einen Platz. Die Leistung von Frauen, die es dann tatsächlich „nach oben“ geschafft haben, wird viel zu selten lobend anerkannt, sondern eher misstrauisch beäugt von wegen „das hat die nicht auf ‚normalem‘ Weg geschafft“, um ihren Erfolg zu relativieren. Wenn man nicht weiß, wie man positiv auffallen kann, dann wendet man seine Energie eben darauf, andere schlecht zu machen – das ist eine ziemliche Scheißdynamik, aber auch sehr effektiv im Konkurrenz zerstören.

Eine kleine Bilanz: Die „Girlywelt“-Konkurrenz ist weder hilfreich noch richtig und es tut gut zu wissen, das es auch anders geht: Zumindest ich habe in meinem worklife bisher immer nur Unterstützung und Güte von meinen „Mitstreiterinnen“ erfahren und ich glaube, der einzig vernünftige Weg ist, dass wir uns alle vollständig in „female solidarity“ auflösen. Daher ab jetzt bitte nur noch Empowerment – immer nach dem Motto der amerikanischen Businesswoman Aminatou Sow: Kiss down, not up.

Da könnt ihr natürlich auch gerne mitmachen!

Küsschen,

Eure Mädchen

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