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Mädchen, freut ihr euch über nächtliche Besuche?

Foto: AlexAlex/photocase.de; Bearbeitung: jetzt

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Liebe Mädchen,

Alkohol bringt einen auf dumme Ideen. Manche von uns macht er dabei zu wehmütigen Romantikern. Oder zu übergriffigen Creeps. Im Spannungsfeld zwischen diesen Polen – Dummheit, Romantik, Übergriffigkeit – spielt sich folgendes Ritual ab, das nach unserer Beobachtung besonders von Jungs begangen wird: Spätnachts beziehungsweise frühmorgens halten wir es manchmal plötzlich für eine prima Idee, bei euch anzurufen. Und zwar, um uns sozusagen selbst einzuladen. Zu euch nach Hause. Oder, noch extremer, wir kommen einfach direkt bei euch vorbei. Ziemlich betrunken.

Wir reden hier nicht von der festen Freundin, sondern von Affären, Verflossenen und anderen Es-ist-Kompliziert-Geschichten. Dieses nächtliche „Werben“ um eine Frau hat ja gewissermaßen Tradition, im Bayerischen gibt es dafür den Begriff des „Fensterln“: Junge Männer zogen – so zumindest die Legende – schon vor hunderten Jahren nachts mit einer Leiter durchs Dorf, verschafften sich damit Zugang zum Fenster der sogenannten Herzensdame und hofften auf Einlass. Ein halber Einbruch sozusagen.

Kann man romantisch finden: Frühmorgens zieht es den rastlos umherziehenden Mann in die Arme der – zumindest für den Moment – einzig Richtigen. Er hat versucht, es zu verdrängen, hat sich mit Alkohol und Tresenbekanntschaften abgelenkt, aber es war sinnlos. Dieses Narrativ wird uns in Filmen uns Songs vermittelt, zum Beispiel in Dagoberts „Morgens um halb 4“ oder in zahllosen Filmszenen, in denen betrunkene Männer ihre Liebe in Romeo-Manier zu einer Frau im Pyjama auf dem Balkon hinaufbrüllen.

„Uns soll es hier nur um die einvernehmlichen Besuche gehen“

So ganz nüchtern betrachtet klingt das Konzept Morgenbesuch aber eben auch: anmaßend und alles andere als romantisch. Warum solltet ihr euch – gehen wir mal davon aus, dass ihr nicht grad selbst im Nachtleben unterwegs seid – im Halbschlaf über den Besuch eines angetrunkenen Typen freuen? Der morgens zu euch hereinstolpert, euch entweder vollabert oder erwartet, dass eure Libido zwei Stunden vor Sonnenaufgang gerade den Zenith erreicht? Der euch den Schlaf klaut und dann noch davon ausgeht, seinen Rausch bis in den Nachmittag bei euch ausschlafen zu dürfen?

Dass ihr euch über nicht-einvernehmliche sexuelle Avancen jeder Art nie freut, soll hier auf keinen Fall zur Diskussion stehen. Wer sich unter Vorwänden in eure Wohnung quatscht, um dort unvermittelt über euch herzufallen – daran gibt es überhaupt nichts zu romantisieren. Uns soll es hier ausschließlich um die einvernehmlichen Besuche gehen, die auch gar nicht unbedingt die Hoffnung auf Sex beinhalten müssen. Denn solche gibt es eben auch.

„Kann es schön sein, wenn jemand nach viel Schweiß, Zigaretten und Alkohol zu euch ins Bett will?“

Wenn der angetrunkene Kumpel sich nach dem Club noch entschließt, bei einer von euch anzurufen, klingt das zwar meist nach einer sehr dummen Idee. Wenn er dann aber später erzählt, dass er noch das ganze Wochenende bei euch verbracht hat und ihr jetzt so etwas wie eine Beziehung führt, scheint der morgendliche Besuch in manchen Fällen eben doch romantisch zu sein. 

Unsere Frage wäre nun, wie ihr das so wahrnehmt: Freut ihr euch über morgendliche Besuche? Ist es schön, wenn jemand nach viel Schweiß, Zigaretten und Alkohol durch die Stadt irrt und zu euch ins Bett will? Oder nimmt man das eher hin als einigermaßen dämlichen Pflicht-Teil des Liebeslebens zwischen, sagen wir mal, 20 und 35? Sollten wir diese Art von Romantik zukünftig in jedem Fall sein lassen?

Und: Liegen wir uns unserer Wahrnehmung überhaupt richtig, dass es sich dabei tendenziell um ein eher männliches Ritual handelt? Klingelt ihr vielleicht mindestens so oft bei uns und wir hören es nur nicht?

Eure Jungs

Mädchenantwort

Collage: jetzt.de

Liebe Jungs,

zuallererst: Entwarnung. Soooo verbreitet ist das Phänomen morgendlicher Spontanbesuche nämlich gar nicht (mehr). Trotzdem sollten wir dringend mal darüber reden, denn in der Tat: In den allermeisten Fällen ist es nicht gerade Teil unserer Träume, mitten in der Tiefschlafphase von einem Anruf geweckt zu werden, der uns 80 Kilo bieratmenden Typen ankündigt.

Glücklicherweise wohnen vermutlich selbst veronesische Adelstöchter heutzutage in Mietshäusern ohne Balkon und  das Fensterln hat sich auch sonst in die Geschichtsbücher verabschiedet (Wikipedia schreibt dazu übrigens etwas gehässig „eine inzwischen fast bedeutungslos gewordene Art der Brautwerbung“). Aber auch ein spontaner Besuch, dem eine Vorwarnung im zeitlichen Rahmen eines Raketen-Countdowns („ich steh grad vor deinem Haus, kann ich raufkommen?“) vorangeht, begeistert die wenigsten von uns. Denn beinahe nichts ist schrecklicher als die Vorstellung, dass ein Mann, auf den wir stehen, plötzlich und unangekündigt in unser Schlafzimmer guckt.

Im Zweifelsfall genau nach dem Freitagabend, an dem wir es uns mal alleine zuhause gemütlich machen wollten. Denn was sähe er da? Die Jogginghose auf dem Boden, die wir einfach abgestreift haben, bevor wir ins Bett gegangen sind? Reste der ganz persönlichen Freak-Mahlzeit aus Guacamole, Käsestangen, Pralinen und einem Bananenmilchshake? Die von unserem Gesicht abblätternde Totes-Meer-Schlamm-Maske, mit der wir eingeschlafen sind?

„Euer Besuch stört das intime wie seltene Vergnügen des ganz bewussten Alleinseins“

Und nein, das sind keine Allüren. Hier geht’s nicht primär darum, dass wir euch nur möglichst aufgebrezelt im blankgewienerten Salon empfangen wollen, sondern um das so intime wie seltene Vergnügen des ganz bewussten Alleinseins mit sich, die euer Anruf empfindlich stört.

Klar könnten wir euch auch einfach bitten, morgen wieder zu kommen. Machen wir aber fast nie. Weil wir entweder a) Lust auf Sex haben und davon ausgehen, dass ihr auch welchen mit uns haben wollt; b) rettungslos in euch verliebt sind und deshalb nicht in der Lage sind, „nein“ zu euch zu sagen (in der Hoffnung, dass daraus genau jener wochenendumfassende Beziehungsanfang entsteht, von dem der angetrunkene Kumpel erzählt); oder c) schlicht getrieben sind von Neugier und Freude an eurem zuweilen absurden Balz-Schauspiel.

Grundsätzlich aber gilt: Betrunkene Spontanbesuche sollte man sehr, sehr sparsam dosieren. Besonders, wenn es um einen Menschen geht, den man gern hat und mit dem vielleicht noch was Ernstes laufen soll, Stichwort Romantik. Denn die Gefahr, dass das Ganze wirkt wie ein billiger Booty Call bei derjenigen, die um die Uhrzeit halt noch antwortet, ist echt hoch.

Wir denken nicht: „Oh, wie romantisch“, sondern eher: „Ah, wie durchschaubar“

Gerade in dieser Phase der ersten Dates, in der man den anderen unglaublich aufregend findet, aber völlig unklar ist, ob mehr als eine Affäre draus werden könnte, sind ja Zwischentöne alles. Wenn ihr dann nachts um halb vier ins Telefon lallt, ob ihr noch vorbeikommen könnt, dann denken wir leider nicht zwangsläufig: Oh, wie romantisch (er will mich sehen), sondern eher: Ah, wie durchschaubar (er will mich vögeln). Zack, vorbei ist der Zauber.

Bestimmt tun wir euch damit oft unrecht, und so einfach lassen sich Verliebtheit und Begehren ja glücklicherweise auch nicht trennen. Aber auch spontaner, unverbindlicher Sex mit leichtem Promille-Glimmer ist doch meistens viel toller, wenn er sich durch Blicke und Ins-Ohr-Flüstern anbahnt und nicht durch ein verpenntes Zehn-Sekunden-Telefonat, bei dem nur eine Seite schon in Stimmung ist.

Vielleicht liegt in diesem Gefälle auch der Grund, warum wir euch umgekehrt so gut wie gar nicht frühmorgens überfallen: So ein Besuch ist meistens einfach selten so schön, wie man sich das vorstellt. Sondern er endet meistens mit einem hellwachen Nachmittag, an dem man das Bett gerne für sich hätte oder darin zumindest gern zweisam aktiv wäre. Da liegt aber ein schnarchender Mensch, der sich mit einiger Verspätung von den vier Gin-Tonics gestern Abend erholt und mit dem man in diesem Zustand nichts anzufangen weiß.

In diesem Sinne: Schickt uns doch lieber eine Nachricht und schlaft euch stattdessen aus, um uns am nächsten Abend mitzunehmen in euer Nachtleben – dann nehmen wir euch später umso lieber mit nach Hause. Wenn ihr aber so lange nicht warten könnt, weil die Sehnsucht zu mächtig ist, dann gebt uns ein paar Minuten Vorlauf. Und werft euch zumindest ein Kaugummi ein.

Eure Mädchen

Jungsfragen gibt es jetzt auch zum Anhören:

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