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Jungs, was soll das laute Niesen?

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Ich habe bis heute vor gewissen Dingen große Angst, die eigentlich ganz harmlos sind. Es ist so eine kindische Ohrenzuhalte- und Augenzusammenkneif- und Luftanhalteangst und ich habe sie vor: vorbeifahrenden Zügen, Staubsaugern, der Klospülung (vor allem im Zug oder im Flugzeug!) und dem Niesen meines Vaters.

Mein Vater saß zum Beispiel auf seinem Küchenstuhl aus Holz und aß friedlich sein Mittagessen. Dann fing er plötzlich an, sich wie in Zeitlupe zu bewegen. Langsam, ganz langsam legte er Messer und Gabel beiseite, verlor langsam, ganz langsam, die Kontrolle über seine Gesichtszüge (was ich daran sah, dass sie sich zu einer gruseligen, schreckerfüllten Grimasse verzogen) und dann fing er an, literweise Luft durch Mund und Nase einzusaugen. Er drehte seinen Kopf vom Tisch weg und dann hörte die Zeitlupe auf und ihm entfuhr ein grollendes, stürmisches "Uuuuuäääääääächhuuuuuufffschhhhhzzzz!"

Der Stuhl unter ihm verrutschte und knarzte, er selbst vibrierte, der Tisch geriet ins Wackeln und alle Kinder am Tisch flogen vor Schreck einige Zentimeter in die Luft. Dann war Ruhe, meine Mutter sagte "Gesundheit", er sagte: "Entschuldigung" und "Aaaah" und lächelte und alles war wieder wie immer.

Wir hingegen starrten ihn an und wussten nicht ob wir weinen oder lachen sollten. Was war das? Mit dem "Hatschie" oder dem "Hatschuh" oder dem kleinen "Öhü" meiner Mutter, Oma, meiner Geschwister oder mir selbst hatte es nichts zu tun. Eher mit dem Untergang Fantasiens in der Unendliche Geschichte, mit der alten Riesenschildkröte Morla, mit irgendeiner einer teuflischen Bedrohung eben, die für Sekunden Besitz von dem Körper meines Vaters ergriffen haben musste und als nächstes zum Feuerspeien ansetzen würde.

Später, als ich aufhörte soviel mit meinem Vater, dafür aber mit den potentiellen Vätern meiner eigenen Kinder rumzuhängen, wurde mir klar: Es ist kein Papa-Ding, so furchterregend zu niesen, es ist ein Männerding.

Warum ist das so? Ich weiß schon, wie sehr einen ein kommender Nieser aufwühlen kann und wie unfassbar gut es tut, ihn mal so richtig rauszulassen. Ich bin wirklich keine Person, die versucht, ihre Nieser noch in den Nasengängen zu ersticken. Und ich versuche auch nicht, zumindest nicht bewusst, besonders niedlich zu niesen. Auch solche Leute soll es ja geben.

Dennoch versuche ich da immer so ein Mittelding hinzukriegen: Schon rauslassen, aber bitte nicht ganz so überschwenglich. Ich finde so einen Niesausbruch immer auch ein bisschen etwas Peinliches, es ist so intim, weil man ja kurz die Kontrolle verliert und das kann theoretisch ja auch irgendwie ganz schön eklig und unsexy werden. Und außerdem will ich niemanden erschrecken. Wenn ich niese, wackelt also eher kein Tisch. Und ich brülle auch nicht unbedingt in den Raum hinein, sondern höchstens etwas bescheiden in meine Handinnenflächen, die ich wie eine halbe Kokosnuss vor mein Gesicht halte.

Euch hingegen scheinen solche Schamgedanken entweder völlig wurscht zu sein, oder aber ihr findet da einfach etwas dran, an diesem männlichen, brüllenden Donnerniesen. Als gehöre das irgendwie dazu, oder als sei das irgendein Ventil für irgendetwas, und vor allem, als könne es nie und nimmer eklig werden. Also, Jungs, bitte aufklären, wie steht es um eure Niese-Kultivierung?

Auf der nächsten Seite liest du die Jungsantwort von julian-schmitzberger.


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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Für meine Antwort muss ich auch etwas ausholen. Nämlich so weit, wie ich überhaupt kann. In einer meiner frühsten Kindheitserinnerungen sitze ich in einem kleinen Fotostudio in Barkerville, Canada. Ich bin gerade etwa sechs Jahre alt und mache mit meinen Eltern den ersten großen Urlaub im Ausland. Barkerville ist eine historische Stadt. Für nordamerikanische Verhältnisse bedeutet dies nicht, dass die noch erhaltenen Holzhütten unter Denkmalschutz stehen. Sondern dass die einstige Goldgräbergemeinde zu einer riesigen Touristenattraktion ausgebaut worden ist. Es gibt stündliche Postkutschenrennen, Goldschürfstationen und eben ein Fotostudio, in dem man in authentischer Goldgräbermontur Portraits von sich machen lassen kann.

Ich sitze also still auf einer Holzbank – neben mir meine Mutter mit Haube über der Dauerwelle und Waschbrett in der Hand – während mir der Fotoassistent, vor mir in der Hocke sitzend, gerade den Cowboyhut zurechtrückt und -„HAAATSCHWUAAAH!" – ich ihm plötzlich ins Gesicht niese. Ohne genüssliches Ausholen oder nur ein Anzeichen von Vorwarnung.

Das Foto stand jahrelang auf unserem Telefontisch. Ich nehme an als Mahnmal. Die Farbe meines Gesichts, wohl so rot wie das des Assistenten nass, verrät das schwarz-weiße Bild zum Glück nicht.

Bis heute hat sich daran leider nicht sehr viel geändert: Ich niese oft unvermittelt, laut und auch ein bisschen, nun ja, feucht. Und das tue ich keineswegs absichtlich. Niesen ist ja auch für uns irgendwie peinlich und etwas eklig. Es sieht vielleicht herzhaft und leidenschaftlich aus, wenn wir es tun, aber wahre Hingabe ist da trotzdem nicht im Spiel.

Nur weil ihr es meistens auf die Reihe kriegt, beim Niesen lediglich ein hohes und helles „Tschi" von euch zu geben, wie in „Chigong" – oder sogar noch weicher, wie in „Skifahren" –, heißt das noch lange nicht, dass wir uns für unser lautes Gebrüll nicht schämen. Wir wollen weder durch unsere Lautstärke auffallen, noch genießen wir es, unsere Umgebung zum Zittern bringen oder kleinen Mädchen Angst zu machen.

Wir niesen ganz einfach nur deshalb wie ein ausgewachsener Elefantenbulle, weil die Luft dabei bis zu 160 km/h (also 45 Meter pro Sekunde!) schnell wird. Das muss man sich erstmal vorstellen! Halbiert man jetzt den Nieser, indem man ihn teilweise wegdrückt oder versucht ihn abzufangen, umzulenken oder wie auch immer ihr das so anstellt, wäre das ja fast so, als ob man auf der Autobahn eine Vollbremsung hinlegen würde, einfach so. Das kann doch nicht gesund sein.

Ich hab ja verstanden: Du denkst, du niest einfach nur bescheiden in deine Handinnenflächen. Aber genau das ist das Problem. Eure Bescheidenheit. Diese unnütze Pseudo-Kultiviertheit in Sachen Instinkte. Keine Sorge, wenn es sein muss, können wir uns schon auch zurückhalten. Aber in dieser Hinsicht haben wir vermutlich einfach ein besseres Bewusstsein für uns selbst. Wir hören eben auf unseren Körper. Sagt er: Ich muss niesen!, lassen wir ihn in Herzenruhe niesen. Er signailisiert uns, dass er das jetzt braucht. Dass wir vielleicht krank sind. Dass da zigtausend Bakterien in uns drin sind, die der Körper souverän rauswerfen will.

Ihr hingegen seid die Meister der Verdrängung. Wenn die Jeans nicht passt, dann kommt sie einfach in den Schrank. Und zwar in die unterste Schublade, da wo man sie am schnellsten vergisst. Wenn ihr krank seid, haltet ihr das aus und tut, als wär nichts. Damit alle sehen, was für toughe, unabhängige Frauen ihr seid. Macht nur weiter so. Ignoriert nur eure innere Stimme. Nieselt nur weiter vor euch hin, statt ordentlich zu Niesen. Gesund ist das nicht.

julian-schmitzberger

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