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Jungs fragen Mädchen: Wer fickt hier eigentlich wen?
Die Jungsfrage:
Liebe Mädchen,
der Kollege hatte in der Konferenz neulich einen brandaktuellen Aufhänger für die Frage. Aber ich finde ihn gerade nicht mehr (den Aufhänger, nicht den Kollegen – der ist im Moment bloß sehr im Stress und ich will ihn nicht stören). Ist aber nicht schlimm. Die Diskussion schwelt eh zeitlos. Es geht nämlich um das englische Verb „to engulf“, was sich als deutsches „verschlingen“ oder „einhüllen“ schon ein ganzes Eck mauer anhört, dafür aber etwas sehr Spannendes meint: das feministische Pendant zum Penetrieren nämlich.
Der Gedanke dahinter: Im Begriff „penetrieren“ schwingt etwas Aggressives mit. Eindringen, erobern, das Burgtor durchbrechen. Oder so. In jedem Fall alles sehr aktiv. Und vielleicht auch ein bisschen aggressiv und kriegerisch. Was im Umkehrschluss die – in Hetero-Beziehungen – penetrierte Frau zu etwas Passivem macht. Zu etwas, das (Himmel, mir macht das hier rhetorisch gerade auch keinen Spaß) irgendwie aufgeknackt, überwunden, eingenommen oder eingerissen wird. Vulgo: gefickt.
Indem man nun sagt, „Nein, liebe Männer, nicht ihr seid es, die uns aktiv penetrieren, vielmehr sind wir es, die euch aktiv ‚umschließen’“, will man den Sexismus umkehren, der in "penetrieren" steckt. Ganz privat hätte ich jetzt zwar das Gefühl, dass man da Feuer mit Feuer bekämpft. Dass irgendwer in beiden Varianten immer irgendwen fickt, statt dass man das einfach zusammen macht. Miteinander quasi. Aber zumindest auf einer theoretischen Ebene, ist dieses Konstrukt durchaus spannend.
Uns würde jetzt aber das Praktische interessieren: Wie fühlt sich das für euch an, wenn wir miteinander schlafen? Nicht technisch, sondern im emotional-gesellschaftlichen Überbau. Fühlt ihr euch da manchmal penetriert? Und wenn ja, ist das dann nur erniedrigend? Oder auch mal toll? Und wann davon was? Oder fühlt es sich andersherum an: nach „verschlingen“ und „umschließen“ und „einhüllen“? Würdet ihr also eher sagen: „Hey, Cuties, total niedlich, was ihr euch da immer so einbildet, wenn ihr mit euren Penissen herumschwängelt. Aber eigentlich spielt sich der aktive Part echt nur in euren dann sehr schlecht durchbluteten Gehirnen ab. In Wirklichkeit habt ihr mit der Sache wenig aktiv zu tun. Eigentlich seid ihr da nur Beifahrer.“ Oder ist das alles eigentlich eine Diskussion, die euch ein Feminismus aufdrängt, mit dem ihr wenig zu tun habt? Also mehr so: „Fickt euch, mit dieser blöden Frage!“
Oder ganz direkt: Wer fickt hier eigentlich wen? Und wenn ja, warum immer noch nicht wir miteinander?!
Penetrante Grüße,
Eure Jungs
Die Mädchenantwort von Charlotte Haunhorst:
Liebe Jungs,
eigentlich war mein erster Reflex auf die Frage eindeutig: Riesenquatsch das alles. Sex, das ist ja im besten Fall eine Sache zwischen zwei Menschen, die einander mögen. Und da sagt doch niemand „Gestern Nacht hat er mich penetriert“ sondern eher „wir haben miteinander geschlafen“. Was für mich ganz eindeutig nach einer beidseitig befahrbaren Straße klingt. Eine Situation, in der jemand einseitig penetriert wird und sonst nix los ist, klingt dann eher danach, dass es unter Zwang passiert ist – oder furchtbar langweilig war (oder Teil eines beidseitigen Fetischs ist, das will ich hier natürlich nicht ausschließen). Und überhaupt „Penetration“. Sogar ein auf Geschlechtskrankheiten untersuchender Arzt würde doch kaum noch fragen „Haben Sie sie penetriert?“. Sondern eher „Hatten Sie Vaginalverkehr?“
Erste Antwort also: Was für eine absurde Diskussion um so ein absurd technisches Wort. Weil: Nein, in aller Regel fühlen wir uns sicher nicht penetriert. Weder praktisch, noch im „emotional-gesellschaftlichen Überbau“. Wir können da mit allen Spielarten sehr gut umgehen, wenn wir wollen. Auch aktiv.
Nun wollte ich diese Antwort allerdings noch mit ein bisschen „Recherche“ anreichern. Will sagen: Ich habe mich in diversen Foren rumgetrieben, die im entferntesten die Worte „engulf“ und „penetrate“ enthielten. Da waren viele Beiträge über Waldbrände dabei („to engulf“ kann nämlich auch „etwas fluten“ heißen). Viele fiese Lyrics von Rappern („I'm putting in, I'm penetrating. I'm getting big, I'm stimulated“). Aber auch diverse feministische Betrachtungen des Themas.
Und da habe ich rausgefunden: Diese Diskussion um penetrieren vs. umschließen wurde schon in den Achtzigern geführt, nämlich kurz nachdem das Buch „Intercourse“ der radikalen Feministin Andrea Dworkin erschienen ist. Die war der Meinung, Männer würden Frauen prinzipiell terrorisieren und wollte Pornografie verbieten lassen, weil das für sie ein Ausdruck dieses Terrors war.
Dinge, bei denen ich inhaltlich jetzt nicht mitgehen würde. Aber: Andrea Dworkin war eine der Gründe, dass überhaupt eine Diskussion darüber gab, inwiefern Sprache Rollenbilder verfestigt. Und diese Diskussion ist ja nun mal eine sehr aktuelle. Während wir heute allerdings um ein „X“ oder den Gendergap oder Sternchen oder oder oder diskutieren, ging es ihr damals erst einmal darum, inwiefern Sex nicht automatisch auch ein Akt der Unterwerfung für Frauen ist. Weil es früher nun mal so war, dass der Mann penetrieren durfte, wann er wollte. Vergewaltigung innerhalb der Ehe ist auch in Deutschland erst seit 1997 ein Straftatbestand.
Glücklicherweise hat sich das geändert. In den Diskussionen der Achtziger wurden nämlich auch Begriffe wie „fuck“, „screw“ oder „bang“, was man wohl am ehesten mit „ficken“, „vögeln“, „bumsen“ oder „knallen“ übersetzen kann, stark diskutiert. Das sind Worte, bei denen ich heute sagen würde: Das ist nichts automatisch Männliches. Eine Frau kann auch einen Mann (oder eine Frau) vögeln. Aber diese Wahrnehmung war nicht immer so. Da hatten diese Begriffe auch etwas mit der körperlichen Überlegenheit des Mannes zu tun. Nicht umsonst werden viele dieser Worte auch zum Fluchen verwendet.
Vielleicht muss die Antwort auf eure Frage also eigentlich lauten: Totaler Quatsch mit der Penetration und dem Umhüllen. Erstens, weil niemand diese Worte noch ernsthaft verwendet. Zweitens, weil wir uns doch alle bewusst sind, dass Sex mehr ist als Penetration oder Umhüllung von einer Seite. Dann muss man aber auch drittens sagen: Das ist nur so, weil besagte Diskussion vor 30 Jahren eine Sensibilität für das Thema ausgelöst hat. Zum Glück.