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Mädchen, nehmt ihr die Pille, um schöner zu werden?

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Die Jungsfrage:

Liebe Mädchen, ich habe mir Werner Bartens beim Mittagsessen in der Kantine gestern mal bewusst angeschaut: makellose Haut! Er schreibt also wohl aus einer privilegierte Situation heraus, wenn es in seinem Text in der SZ heißt: „Das geschickte Marketing mit Verpackungen und Give-aways für die Girlie-Generation trägt dazu bei, dass die neuen Pillen kaum noch wie ein Medikament wahrgenommen werden, das eben auch Risiken und Nebenwirkungen hat, sondern wie ein Lifestyle-Produkt.“ Und wenn er eine Expertin dann noch sagen lässt: "Die Schönheitsversprechen spielen eine wichtige Rolle für viele junge Frauen, die sich stark über ihr Äußeres definieren."

Wobei man sagen muss, dass der Text vom SZ-Kollegen ansonsten ja eigentlich sehr besonnen ist und eher betont, dass Ärzte ihre Patientinnen schlecht beraten. Und nicht, dass die Frauen vor lauter Freude über einen pinken Girlie-Schminkspiegel ihr Hirn abgeben. Andere sind da weniger besonnen. Von einer „Lifestyle-Droge“ schreiben die. Und dass Mädchen und junge Frauen die Pille „in erster Linie“ nähmen, „um schöner zu werden“. Und die Techniker Krankenkasse, die beschreibt in ihrem „Pillenreport 2015“, wie „besonders junge Erstanwenderinnen mit den vorteilhaften Wirkungen der neueren Pillen auf Haut und Haare“ gelockt würden.

Was wir (auch durch diese Artikel) wissen: Die Pille ist ein Medikament mit krassen Nebenwirkungen. Hormonkram. Thrombosen-Gefahr. Serious Shit! Was uns an diesen Artikeln aber wundert: Unterm Strich vermitteln sie halt doch den Eindruck, dass ihr das alles nicht wisst. Oder es euch nicht interessiert. Oder für euch zumindest „der kurzfristige Nutzen größer und greifbarer [erscheint] als ein möglicher langfristiger Schaden, der zudem vielleicht ja doch nie eintritt“ (noch mal die Expertin vom Bartens).

Und das glauben wir nicht so recht. Ihr vermeidet ja schließlich auch Deos mit Aluminium, Zigaretten mit den ganz krassen Zusatzstoffen und Geschlechtsverkehr ohne Kondome. Ihr seid also, was eure Gesundheit betrifft, sonst grundklug. Und hier jetzt nicht? Fänden wir seltsam.

Deshalb müsst ihr uns da mal aufklären: Erzählen die Artikel komplett Blödsinn? Ist nur ihre angenommene Kausalität falsch? Oder haben sie in einem Punkt doch recht: Beraten Frauenärzte tatsächlich oft schlecht? Haben die euch die Pille also tatsächlich früher oder sogar aktuell wegen Hautproblemen verschrieben? Und falls ja: Sagt ihr dann wirklich „Ach so, ein Give-away für die Girlie-Generation ist auch dabei? Dann nur her damit!“ Oder sagt ihr dann: „Geht’s noch?!“

In ganz kurz also: Warum nehmt ihr die Pille?

Die Mädchenantwort von Sarah Beha:

Liebe Jungs,

schöne Textquellen, die ihr da rausgesucht habt. Klar wollen die in erster Linie darauf aufmerksam machen, dass die neuesten Pillen, also die der 3. und 4. Generation, eben doch nicht das sind, was sie versprechen zu sein (so eine Art Wundermittel, von dem man abnimmt, schönere Haut, tolle Haare und größere Brüste bekommt) und dass diese Pillen das Thromboserisiko sogar erhöhen. Und es ist wirklich toll, dass darüber berichtet wird und dass ihr euch dazu auch Gedanken macht.

Aber sie vermitteln eben auch so ein Bild, bei dem ihr stutzig werdet und ich fuchsteufelswild: Die doofe „Girlie-Generation“ denkt, sie kann sich schönschlucken und blendet die Nebenwirkungen der Pille einfach aus. Und so ist es sicherlich nicht. Ich erklär euch jetzt mal, wie das bei einer jungen Frau in einer Frauenarztpraxis so abläuft. Vielleicht nicht in jeder, aber doch in einigen.

Also: Sie geht zu ihrer Ärztin, weil sie die Pille will. Sie gehört zu den 88 Prozent der Frauen zwischen 14 und 17 Jahren, die die Pille laut einer Studie des Robert-Kochs-Instituts von 2008 zur – oh welch ein Wunder – Verhütung nimmt. Denn seien wir mal ehrlich, Kondome sind zwar auch eine sichere Verhütungsmethode, aber ohne fühlt es sich eben doch besser an. Oder sie hat so starke Regelschmerzen (1,2 Prozent) oder Zyklusstörungen (8,1 Prozent), dass sie sie deshalb braucht. Oder – und das war in der damaligen Studie ein Anteil von 1,9 Prozent !!!! – sie nimmt die Pille, weil sie Akne hat.

Vielleicht hat sie sich schon etwas informiert, vielleicht will sie die Pille, die ihre beste Freundin nimmt. Wahrscheinlich macht sie sich Sorgen, dass sie zunimmt oder weniger Lust auf Sex hat oder Stimmungsschwankungen bekommt oder sonst noch eine der Nebenwirkungen, von denen ihr ihre Freundinnen schon erzählt haben. Vielleicht erhofft sie sich größere Brüste oder eine bessere Figur, weil das doch bei einer ihrer Freundinnen auch so war. Die Ärztin hört ihr zu, sie erklärt ihr vielleicht sogar, wie die Pille funktioniert und auch, was für Nebenwirkungen auftreten können (falls welche auftreten sollten, könne man ja dann einfach ein anderes Pillen-Präparat ausprobieren). Sie fragt sie, ob sie raucht, ob sie übergewichtig ist, und ob in ihrer Familie schon mal jemand eine Thrombose hatte. Wenn sie das alles verneinen kann und noch ihre Ängste und Wünsche äußert, dann bekommt sie wahrscheinlich eine der neueren Pillen verschrieben.

Selbst erlebt: Du erzählst, dass du von Fällen gelesen hast, in denen eine Frau wegen der Pille eine Thrombose bekam, und fragst, ob es denn keine Alternative gebe und bekommst als Antwort: „ Sehen Sie es doch mal so: Wenn Sie schwanger werden würden, wäre das Thromboserisiko viel höher.“

Tja, was soll man da noch sagen. Klar kann man es uns zum Vorwurf machen, dass wir jeden Tag irgendwelche Pillen zu uns nehmen, über die wir anscheinend zu wenig wissen. Klar könnte man den Mädchen (laut der oben genannten Studie 1,9 Prozent), die die Pille wegen Hauproblemen nehmen, unterstellen, dass sie sich stark über ihr Äußeres definieren und den langfristigen Schaden einfach ausblenden.

 

Aber, was diese ganzen Texte ja eigentlich auch betonen: Die Pille ist ein Medikament und ein Medikament wird vom Arzt verschrieben. Und bei Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker…

 

Man kann also Texte zu diesem Thema verfassen und anklagend behaupten: „Als die Antibabypille vor mehr als 50 Jahren auf den Markt kam, wurde sie zum Symbol der sexuellen Revolution. Heute ist sie eine Lifestyle-Droge. Denn viele Mädchen und junge Frauen nehmen sie in erster Linie, um schöner zu werden.“ Oder man könnte sich die Frage stellen: „Warum, verdammt noch mal, klären die Ärzte Ihre Patientinnen nicht richtig auf?“ Man könnte zum Beispiel mal auf die Internetseite des Berufsverband der Frauenärzte oder auf die der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe gehen und dann bemerken, dass in den dortigen Stellungnahmen auch keine ganz klare Distanzierung zu den Pillen der 3. und 4. Generation gemacht wird. Und das, obwohl aktuell ein wahrscheinlich langjähriges Gerichtsverfahren gegen den Pharmakonzern Bayer beginnt. Eine junge Frau hatte eine Thrombose erlitten und nur knapp überlebt. Von dem erhöhten Thromboserisiko ihrer Pille hat sie erst über die Medien erfahren. Im Beipackzettel ihrer Pille stand dazu nichts.

 

Man könnte sich also fragen, warum das so ist. Aber man kann natürlich auch einfach die verantwortungsbewussten Frauen verteufeln, die verhüten, die jahrelang Hormone zu sich nehmen, die Nebenwirkungen in Kauf nehmen und vielleicht einfach gehofft haben, dass die neuen Präparate besser als die alten sind. Und dann kann man behaupten, die Pille sei eine Lifestyle-Droge und die eitlen jungen Damen bekämen lieber eine Thrombose als einen Pickel.

 

Warum nehmen wir also die Pille? Wir nehmen sie, weil es eine sehr sichere Verhütungsmethode ist, weil sie oft als alternativlos dargestellt wird und weil wir der Meinung unserer Ärzte vertrauen, die uns nicht ausreichend über die Risiken informieren.

 

Weswegen wir sie ganz sicher niemals nie nicht nehmen: Weil wir mal wieder einen neuen rosa Schminkspiegel oder sonst ein "cooles" Give-away, auf dem dann dick und fett noch der Name der Pille drauf steht, brauchen. 

 

Eure Mädchen

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