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Jungs fragen Mädchen: Habt ihr einen Schwangeren-Radar?
Die Jungsfrage:
Liebe Mädchen,
Ihr kennt doch sicher die Sherlock-Holmes-Serie mit Benedict Cumberbatch. Ein Großteil der Faszination dieser Serie besteht ja darin, dass der Typ eine ihm fremde Person nur etwa zwei Zehntelsekunden anschaut, dann aber gleich alles über ihr Leben weiß. Aus winzigen Details, die sonst keiner auch nur wahrnimmt, zieht er sofort seine Schlüsse. Daneben steht dann immer ein ob dieser Kombinationsleistung sehr erstaunt dreinschauender Watson.
Warum ich das erzähle? Weil ich glaube, dass es einen Bereich gibt, in dem ihr der schnell kombinierende Sherlock seid und wir der erstaunte Watson sind. Die Rede ist von Schwangeren.
Ob eine Freundin, Bekannte oder Kollegin schwanger ist, scheint ihr schon zu wissen, bevor wir auch nur auf die Idee kommen, uns zu fragen, ob sie es sein könnte. Ihr tuschelt dann untereinander und tauscht Indizien aus, um euren Verdacht zu erhärten. Denn direkt fragen, das ziemt sich ja in diesem frühen Stadium noch nicht. Und wenn wir dann Monate später zu euch sagen, "Du, die Dings ist schwanger, sieht man kaum, gell?", dann lächelt ihr müde, als hätten wir euch grade überrascht verkündet, dass Martin Schulz nicht der nächste Bundeskanzler wird.
Wir verstehen daran zweierlei nicht. Erstens: Wie merkt ihr’s? Was sind die kleinen Indizien, die ihr sherlockesk sammelt und zusammenfügt? Oder sind’s gar keine sichtbaren Anzeichen, und ihr habt einfach einen inneren Pregdar, also irgendein uns vorenthaltenes Sinnesorgan, mit dem ihr Schwangerschaften erspüren könnt?
Und zweitens: Warum ist euer Interesse am Zustand der Gebärmütter eurer Geschlechtsgenossinnen eigentlich so groß? Warum ist es so ein Riesenthema, über das man Nachforschungen betreiben und tuscheln muss? Uns reicht es völlig, irgendwann einen Bauch zu sehen, der eindeutig nichts mit zu viel Schoki auf der Couch zu tun hat, und dann in unserem inneren Notizbuch zu vermerken: "Die Dings ist schwanger".
Also, Mädchen, erklärt doch mal euer Schwangerschafts-Sherlocktum!
Die Mädchenantwort:
Liebe Jungs,
Zu Beginn einfach mal eine, sagen wir, völlig willkürliche Liste. Und die Frage: Was könnte mit dieser Person los sein?
- Trägt nichts Schweres, obwohl sie sonst immer für alle Umzüge und Heimwerker-Arbeiten zu haben war.
- Fragt bizarre Essenfragen (Ist das Rohmilchkäse? Ist der Salat gewaschen? Ist das geräuchert? Ist das durchgebraten?), obwohl sie sich vorher den Döner vom versifftesten Stand geholt hat.
- Trinkt nur noch komische Getränke (Schorle, alkoholfreies Bier).
- Ist dauernd müde, macht Mittagsschlaf und geht dann trotzdem schon um 21 Uhr ins Bett.
- Hat plötzlich mächtige Möpse, wo vorher nichts war.
- Faltet die Hände gerne über dem Bauch
- Hat auf einmal dutzende Arzttermine, ohne eine Diagnose mitzuliefern.
- Hat einen kleinen, gemütlichen Schwabbel-Bauch, über den sie sich nicht aufregt.
- Trägt plötzlich gemütliche Klamotten, in denen sie sich vorher nie hätte blicken lassen.
- Ist auf einmal wieder eng mit Angie befreundet, obwohl sie immer über sie gelästert hat. Angie ist übrigens schwanger.
- Hängt überhaupt auf einmal mit lauter schwangeren Frauen oder Müttern zusammen und redet über geheimes Zeug.
- Bemüht sich auf einmal verstärkt um eine gute Beziehung zur eigenen Mutter.
- Will sich nie abends auf ein Bier treffen, stattdessen tagsüber im Café. Trinkt dort aber Tee.
- Geht nicht mehr ins normale Yoga, sondern in einen ominösen Spezial-Kurs.
- Kauft sich zusammen mit dem Freund ein Auto (!!!).
- Besichtigt am Wochenende Reihenhäuser in den Randbezirken der Stadt. Mit ihrem Freund.
- Interessiert sich plötzlich für die Qualität der Kinderbetreuung in ihrem Viertel.
- Verlässt auch die besten Partys vor 24 Uhr wegen Müdigkeit und weil plötzlich alle drinnen rauchen.
- Spricht dich auf deinen Körpergeruch an, den sie plötzlich unangenehm findet.
Ihr werdet vermutlich spätestens bei Punkt drei verstanden haben, worauf wir hinaus wollen: Jep, diese Person ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit schwanger. Um das zu erkennen, brauchen wir keinen Pregdar und auch keine Sherlock-Holmes-Fähigkeiten, die Person könnte sich "schwanger" auch einfach auf die Stirn tätowieren. Wird sie aber nicht. Sie wird vermutlich kein Wort darüber verlieren und wir auch nicht – außer eben hinter vorgehaltener Hand mit Freundinnen. Weil immer noch viele Frauen eine Schwangerschaft in den ersten drei Monaten aufgrund des hohen Fehlgeburtrisikos für sich behalten. Und das akzeptieren wir. Diese Phase einer Schwangerschaft ist quasi wie eine geheime Verhandlung über Atomwaffen – jeder weiß, dass sie gerade geführt wird, darüber gesprochen wird aber erst, wenn es ein Resultat gibt. Für euch mag das mysteriös und nach Detektivarbeit klingen, für uns ist das ganz logisch. Sollten wir je schwanger sein, würden wir vielleicht auch nicht jedem davon erzählen wollen, obwohl wir ja wissen, dass viele es sich denken können.
Das führt auch zur Antwort auf die andere Frage von dir: Warum interessieren uns die Gebärmütter anderer Frauen überhaupt so – und euch ja offensichtlich nicht? Könnte es uns nicht völlig wurscht sein, wenn jemand schwanger ist?
Neben der puren Lust am Gossip steckt dahinter vor allem die Lust am Vergleich und vielleicht auch ein bisschen Bewunderung. So eine Schwangerschaft ist nämlich doch eine krasse Veränderung. Da schaut man schon mal bei den anderen: Zu welchem Zeitpunkt hat die damit angefangen? Wird die jetzt seltsam? Wie macht sie das mit ihrem Job? Aber auch: Wie geht es ihr damit? Wirkt sie krass angestrengt? Superlocker? Panisch? Alles Dinge, die wir bei der vermeintlich Schwangeren genaustens beobachten – sie einfach fragen können wir nicht.
Und aus diesen Beobachtungen ziehen wir dann auch Schlüsse für uns, ganz unabhängig davon, ob wir jetzt Kinder wollen oder nicht. Weil all diese Beobachtungen uns eines Tages auch betreffen könnten – ganz im Gegensatz zu euch. Von daher ist es vielleicht auch völlig okay, dass euer Pregdar im Vergleich zu unserem ein bisschen unterentwickelt ist. Ihr verbringt dann sehr viel weniger Lebenszeit damit, euch Sorgen zu machen.
Eure Mädchen
Mitarbeit: Christina Waechter