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3000 Euro brutto für die Ergotherapeutin

Ergotherapeut:innen helfen Menschen, ihren Alltag besser und selbstständig zu bewältigen.
Foto: privat; Bearbeitung: jetzt

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Was man als Ergotherapeutin macht

Ziel der Ergotherapie ist, dass unsere Patient:innen im Alltag wieder selbstständig sein können, zum Beispiel nach einem Unfall oder einer Krankheit. Viele Menschen verwechseln Ergotherapie mit Physiotherapie. Tatsächlich ist es schwierig, unseren Aufgabenbereich klar abzustecken. Denn wir bringen in der Therapie auch Wissen aus der Physiotherapie und der Logopädie ein. 

Was die Ergotherapie besonders macht, sind der Alltagsbezug und das Alltagstraining. Wir schauen immer, wo unsere Klient:innen konkrete Schwierigkeiten im Alltag haben und wollen ihnen helfen, sich in ihrem persönlichen Lebensumfeld eigenständig zurechtzufinden. Ich arbeite derzeit in der Geriatrie, also mit älteren Menschen, in der Kurzzeitrehabilitation. Die Patient:innen kommen nach ihrem Krankenhausaufenthalt zu uns. Dann arbeiten wir darauf hin, dass sie bald wieder nach Hause gehen können. Bei älteren Patient:innen ist die Herausforderung, dass sie oft schon sehr viele medizinische Diagnosen haben. Es gibt Menschen, die kommen zu uns, weil sie sich bei einem Sturz etwas gebrochen haben, hatten aber zum Beispiel auch schon einen Schlaganfall. In der Geriatrie muss man also auf besonders viel achten.

Der Unterschied zwischen Ergotherapie und Physiotherapie

 Physiotherapeut:innen arbeiten sehr auf das Körperliche und Funktionelle bezogen. Da geht es eher um Muskelaufbau und darum, dass das Bewegungsausmaß vergrößert wird. Wir in der Ergotherapie arbeiten teilweise auch funktionell, aber nicht nur. Unser Beruf ist viel alltagsbezogener. Wir machen zum Beispiel auch sogenannte Hilfsmittelabklärungen mit den Patient:innen. Da schaut man, was sie daheim brauchen, um wieder selbstständig zu werden. Genauso kann man eine Wohnraumabklärung machen und zum Beispiel die Installation von Haltegriffen am WC oder in der Dusche empfehlen. Physiotherapie und Ergotherapie ergänzen sich und die Zusammenarbeit ist wichtig. Wenn eine der beiden Berufsgruppen in ihrer Therapie etwas erreicht, kann die andere es auch in ihre einbauen.

Wie der Arbeitsalltag aussieht

Jeden Morgen besprechen wir uns erst einmal im Team. Danach gehen wir zu den Patient:innen auf die Station. Gerade bei Patient:innen mit kognitiven Einschränkungen ist auch der Kontakt mit den Angehörigen wichtig. Außerdem müssen wir alles, was wir machen, am Computer dokumentieren. Neunzig Prozent unseres Arbeitsalltags sind wir allerdings in unmittelbarem Kontakt mit den Patient:innen. Die meiste Zeit üben wir Alltagsaktivitäten mit ihnen.

Bei Patient:innen, die einen Schlaganfall hatten, hat sich zum Beispiel der komplette Alltag verändert. Sie sind häufig auf den Rollstuhl angewiesen und nicht in der Lage, sich ohne Hilfsperson vom Bett in den Rollstuhl oder aufs WC zu bewegen. Die banalsten Dinge des Lebens müssen sie ganz neu lernen, auch den Umgang mit Besteck oder das Anziehen. Oft kommen dann noch kognitive Einschränkungen dazu.  

Welche Fragen man auf Partys gestellt bekommt

Die Leute fragen oft: ,Ah, ist das so wie Physiotherapie?‘ Ich muss meinen Beruf immer erklären, da ihn die wenigsten kennen. Lustig wird es, wenn Menschen denken, dass sie meinen Job kennen, und dann versuchen, ihn zu erklären. Manche glauben, dass wir nur mit älteren Patient:innen arbeiten, die zum Beispiel sturzgefährdet sind. Andere stellen sich unter Ergotherapie vor, dass wir die ganze Zeit nur basteln, Körbe flechten oder stricken. Das war früher tatsächlich so – Ergotherapie wurde auch eingesetzt, um Kriegsverletzte wieder in den Berufsalltag zu integrieren und war vor allem auf Handarbeiten fokussiert. Die meisten wissen nicht, wie vielfältig Ergotherapie heute ist. Ich kann ihnen aber auch nicht böse sein. Ich wusste selbst lange Zeit nicht, was Ergotherapie ist.

Wie man Ergotherapeutin wird

Ich habe nach dem Abitur zum ersten Mal von Ergotherapie gehört. Damals wusste ich noch nicht so ganz, was man in diesem Beruf macht. Dann fand ich es aber besonders spannend, dass es so viele verschiedene Bereiche gibt. Man arbeitet mit Menschen aller Altersgruppen zusammen und beschäftigt sich jeweils mit ihren individuellen Problemen. Meinen Bachelor habe ich in Brüssel gemacht. Er hat Theorie und Praxis gut vereint. Vom ersten Jahr an hatten wir viele Praktika. Man kann aber auch eine Berufsausbildung zur Ergotherapeutin oder zum Ergotherapeuten machen. Nach dem Studium hat es mich nach Wien gezogen. Hier habe ich jetzt meinen ersten richtigen Job als Ergotherapeutin. 

Was der Job mit dem Privatleben macht

Durch meinen Beruf analysiere ich vieles in meinem Umfeld und frage mich, ob es barrierefrei ist. In einigen Altbauwohnungen in Wien fällt mir zum Beispiel auf, dass es zwar einen Aufzug gibt, aber dennoch Stufen zu überwinden sind, bis man dorthin kommt. Auch für mich selbst denke ich öfter vorausschauend. Wenn ich mir einmal eine Wohnung oder ein Haus kaufe, möchte ich, dass von Anfang an alles altersgerecht ist.

Welche Eigenschaften man als Ergotherapeutin braucht

Man muss auf jeden Fall sehr geduldig sein. Die Klient:innen brauchen oft länger, um etwas zu erledigen, als man selbst. Außerdem sind Flexibilität und Kreativität wichtig. Man hat in der Ergotherapie kein Rezept dafür, was man bei einer bestimmten Diagnose machen muss. Man muss alles individuell an die Patient:innen anpassen. Denn jeder und jede hat andere Probleme und vor allem andere Gewohnheiten, zu denen er oder sie zurückfinden möchte.

Was man als Ergotherapeutin verdient 

Ich arbeite Vollzeit und verdiene in etwa 3000 Euro brutto im Monat. Ich habe einen Kollektivvertrag, zu dem auch gehört, dass man mit zunehmender Berufserfahrung etwas mehr verdient. Das bedeutet allerdings nicht, dass man deshalb einen wichtigeren Posten hat. Man kann bei uns aber auch Fachbereichsleiter:in werden. Dann arbeitet man weniger mit den Patient:innen und erledigt mehr administrative Dinge.

Das Schönste am Beruf

Ich schätze in meinem Job besonders die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Berufsgruppen. In der Geriatrie zu arbeiten, finde ich sinnvoll, da die Menschen in unserer Gesellschaft immer älter werden. Ich mag es nicht, wenn man sie zu schnell vergisst und zum Beispiel in ein Altersheim abschiebt, wenn sie das nicht möchten. Solange sie daheim und selbstständig sein können und das auch aus therapeutischer Sicht möglich ist, finde ich es schön, sie in ihre Selbstständigkeit zu begleiten.

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