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Was verdient ein Kriminaloberkommissar
Wie ich zur Mordkommission gekommen bin
Ich wollte schon als Kind Polizist werden. Mit Mitte 20 habe ich mich bei der Kriminalpolizei Berlin beworben. Für den Gehobenen Dienst habe ich meinen Bachelor in „Gehobener Dienst Schutzpolizei/Kriminalpolizei“ an der Hochschule für Wirtschaft und Recht absolviert. Die Mordkommission – dieses Schnüffeln und Ermitteln – hat mich seit dem ersten Semester gereizt und war deswegen gleich meine erste Anlaufstelle im Praktikum. Die Stellen bei der Mordkommission sind sehr begehrt und es war optimal, schon einen Fuß in der Tür zu haben. In Berlin ist man nach dem Studium drei Jahre lang „Beamter auf Probe“. In dieser Zeit bin ich nach einem kurzen Zwischenstopp beim Kriminaldauerdienst und in einem Betäubungsmittelkommissariat wieder bei der Mordkommission gelandet – und bis heute geblieben.
Welche Eigenschaften man für den Job braucht
Meine stärkste Waffe ist die Sprache. Als Kriminalbeamter muss ich kommunikativ sein und vor allem gut im Team arbeiten können. Auch wenn man den Umgang mit schwerverdaulichen Themen lernen kann, sollte man eine stabile Psyche haben und belastbar sein. Kein Tag ist wie der andere. Dafür ist es wichtig, sich schnell und flexibel auf neue Situationen einlassen zu können. Ich persönlich war zum Beispiel froh, dass ich schon etwas älter und emotional gefestigt war, als ich zum ersten Mal eine Leiche im Kontext eines Tötungsdelikts gesehen habe. Es hilft mir in solchen Situationen, mich auf meinen Ermittlungsauftrag zu konzentrieren und die Gefühle vorerst in den Hintergrund zu rücken.
So sieht mein Alltag aus
Einerseits ist meine Arbeit ein Bürojob: Montag bis Freitag dokumentiere ich acht Stunden täglich Tötungsdelikte und werte Daten aus. Im zehntägigen Rhythmus rotiert, welche der acht Berliner Mordkommissionen Bereitschaftsdienst hat. Dieses Team ist 24/7 erreichbar und übernimmt versuchte und vollendete Tötungsdelikte oder auch Geiselnahmen und Entführungen. Die meisten Morde passieren abends oder am Wochenende. Jeder Fall ist anders, aber zur klassischen Tatortarbeit gehört, sich schnellstmöglich einen Überblick zu verschaffen und die Aufgaben zu verteilen. Dann werden Zeugen, Angehörige, Tatverdächtige und – sofern sie überlebt hat – die geschädigte Person vernommen. Je nach Situation kann es passieren, dass ich auch jemanden festnehmen muss, das passiert jedoch sehr selten. Sollte der oder die Täter:in unbekannt oder flüchtig sein, müssen wir „in Kommission gehen“. Diese Fälle sind so arbeitsintensiv, dass sich die jeweilige Mordkommission voll und ganz darauf konzentriert. In diesen Zeiten arbeite ich nicht selten bis zu 16 Stunden am Tag. In meinem Team bin ich zudem spezialisiert für technische Arbeiten wie Telefonüberwachung oder Funkzellen- und Handyauswertung.
Darum ist der „Tatort“ fern von der Realität
Hin und wieder schaue ich Krimis oder höre True Crime Podcasts. Grundsätzlich versuche ich aber, nicht auch noch mein Privatleben mit Mord und Totschlag zu belasten. Sitze ich dann sonntags doch mal vor dem „Tatort“, muss ich immer schmunzeln, wenn die Ermittelnden auf eigene Faust Tatverdächtigen hinterherschnüffeln. Das würde ich niemals allein tun – mein Job ist die totale Teamarbeit. Im „Tatort“ gibt es ein Ermittlerduo, egal wie intensiv der Fall ist. In Wahrheit arbeite ich mit bis zu neun Kolleg:innen zusammen. Als Kriminalbeamter trete ich auch nicht wie im Film mit gezogener Waffe an vorderster Stelle Türen von Tatverdächtigen ein. Das ist Aufgabe der Spezialeinsatzkräfte. Und diese zerbrochenen, düsteren Existenzen - meist mit kaputten Familien - als die Mordkommissar:innen oft dargestellt werden, sind mir noch nicht untergekommen. Ich habe ein sehr lebensfrohes Team.
Diese Mordfälle haben mich nachhaltig beeinflusst
Ich vergesse keinen meiner Fälle, aber natürlich gibt es welche, die mich emotional mehr belasten als andere. Ende 2021 habe ich zu einem Fall ermittelt, bei dem ein Vater aus Rache an seiner Frau das gemeinsame dreijährige Kind ermordet und die Tat gefilmt hat. Ich war zu dieser Zeit selbst gerade Vater geworden. Da kannst du psychisch noch so stabil sein, das geht einem einfach sehr nahe. Ein bekannter Fall, an dessen Aufklärung ich beteiligt war, war der Mord an Fritz von Weizsäcker. Der Sohn des ehemaligen Bundespräsidenten wurde in Berlin erstochen. Daran hat mich besonders schockiert, wie viel Strategie hinter der Tat steckte. Der Mörder hatte den Angriff über Monate geplant, sich in den Zug gesetzt und vollzogen. Später wurde er dann aufgrund seiner psychischen Verfassung als schuldunfähig eingestuft und in einer geschlossenen Psychiatrie untergebracht.
Wie ich bei all den grausamen Fällen mental gesund bleibe
Sobald mein Team einen Mordfall annimmt, funktionieren wir erst einmal. Womit ich mich den Tag über beschäftigt habe, begreife ich oft erst nach Feierabend. Dieser emotionale Hammer haut mich aber nicht um, denn zum einen fängt mich mein privates Umfeld auf. Zum anderen wende ich mich immer wieder an die Psycholog:innen bei der Polizei. Zur Nachsorge von besonders intensiven Fällen kommt zudem der Sozialpsychiatrische Dienst aktiv auf uns zu. Dann sprechen wir allein oder in Gruppen in Ruhe über das Erlebte. Früher dachten viele Polizist:innen, sie seien unantastbar. Das hat sich zum Glück verändert: Das therapeutische Angebot der Polizei wird heutzutage mehr angenommen. Ich fände regelmäßige, verpflichtende Supervisionen noch besser.
Was ich besonders an meiner Arbeit schätze
Kein Fall ist wie der andere, das ist das Spannende. Wer bei der Mordkommission arbeitet, entwickelt eine Art „Jagdtrieb“, sobald ein Täter oder eine Täterin auf der Flucht ist. Es macht Spaß, dass wir dabei so viele rechtliche Mittel einsetzen dürfen und der Kriminalpolizei auch genügend Geld zur Verfügung steht. Aus der Bevölkerung wird mir größtenteils Wertschätzung entgegengebracht. Ich weiß nicht warum, aber ich habe das Gefühl, dass der Respekt steigt, sobald das Wort „Mordkommission“ fällt. Abends fahre ich jedenfalls mit dem Gefühl nach Hause, der Gesellschaft etwas zurückzugeben.
Diese Fragen werden mir auf Partys oft gestellt
Viele interessieren sich für die Statistik: Wie viele Morde passieren in Berlin? Je nach Situation bekomme ich auch intimere Fragen: Was war der schlimmste Fall bisher? War ich schon einmal selbst in Gefahr? Es hat mich auch schon jemand mit einem Lachen im Gesicht gefragt, ob ich schon einmal auf jemanden geschossen hätte – ich fand das kein bisschen lustig.
Ich bemühe mich daher, nicht zu viel oder zu lange über die Arbeit zu reden. Damit man in einer gut gelaunten Runde nicht plötzlich über einen Kindsmord redet, muss man manchmal rechtzeitig die Kurve kriegen oder die Antwort sehr allgemein halten. „Ich könnte das nie“ habe ich schon oft zu hören bekommen – und das ist ja auch völlig in Ordnung.
Wie viel ich als Kriminaloberkommissar verdiene
Während des Studiums bekommt man ein Gehalt von rund 1500 Euro brutto. Nach dem Bachelorabschluss werden Polizistinnen und Polizisten in eine sogenannte Besoldungsgruppe eingestuft. Als Kriminalkommissar war ich „A9“ zugeordnet, das entspricht knapp 3200 Euro brutto. Drei Jahre nach dem Studium wird man in Berlin vom „Beamten auf Probe“ zum „Beamten auf Lebenszeit“ ernannt. Zusätzlich wurde ich zum Kriminaloberkommissar befördert und verdiene aktuell rund 4400 Euro brutto. Neben verschiedenen Weiterbildungen besteht die Möglichkeit, sich für den höheren Polizeivollzugsdienst zu bewerben. Nach einem zweijährigen Master, für den man auch bezahlt wird, könnte ich höheren Besoldungsgruppen zugeteilt werden und mich theoretisch bis zum Kriminalrat mit einem Gehalt von 5165 Euro brutto hocharbeiten.