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Wie viel verdienen Mitarbeiter einer KZ-Gedenkstätte?
Motivation
Ich habe mich schon immer für Museen interessiert. In meiner Schulzeit habe ich eine KZ-Gedenkstätte in meinem Heimatort besucht. Es hat mich berührt, zu erfahren, dass während der NS-Diktatur auch in meiner Heimatstadt Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen wurden – und zwar systematisch unter dem Deckmantel einer Heil- und Pflegeanstalt. Es hat mich bestürzt, dass kranke und behinderte Menschen als „lebensunwert“ galten und zwangssterilisiert und ermordet wurden. In gewisser Weise war dieser Besuch der Auslöser für meinen Berufsweg. Ich möchte etwas Sinnvolles tun. Als pädagogische Mitarbeiterin und Ansprechpartnerin für Barrierefreiheit und Inklusion möchte ich auch einen Beitrag für soziale und kulturelle Teilhabe leisten und die KZ-Gedenkstätte für alle zugänglich machen.
Der Weg
Nach meinem Abitur habe ich Kunstgeschichte und Europäische Ethnologie studiert. Während meines Studiums habe ich viele unbezahlte Praktika in unterschiedlichen Museen und kulturellen Einrichtungen gemacht. Dabei stellte ich fest, dass ich bei meiner Arbeit auch mit Menschen zu tun haben möchte. Nach meinem Master in Museumsmanagement und Museumskommunikation, habe ich für zwei Jahre ein Volontariat bei den Staatlichen Museen zu Berlin absolviert. Schon während meines Studiums habe ich für einige Zeit bei der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin gearbeitet. Seit zwei Jahren bin ich nun Pädagogische Mitarbeiterin in der KZ-Gedenkstätte Dachau.
Der typische Tag
Ich habe keinen typischen Alltag, dafür sind meine Aufgaben zu vielfältig. Ich verbringe viel Zeit im Büro. Dort bearbeite ich Besucheranfragen, organisiere Seminare oder arbeite an meinen eigenen Projekten. Gerade entwickele ich eine App mit, die Menschen in Gebärdensprache durch die Gedenkstätte führen soll. Außerdem bin ich Ansprechpartnerin bei allen Fragen, die mit Barrierefreiheit und Inklusion zu tun haben. Etwa bei Baumaßnahmen in der Gedenkstätte. Darüber hinaus betreue ich die Freiwilligen, die für ein Jahr in der Einrichtung arbeiten. Ich führe also Bewerbungsgespräche, veranstalte Seminare für sie und unterstütze sie dabei, ein eigenes Projekt umzusetzen.
Besucher, die sich respektlos benehmen
Einige KZ-Gedenkstätten in Deutschland sind sehr touristisch. Manche Besucher stört es, wenn auf dem Gelände Fotos oder Selfies gemacht werden. Das sehen wir als Mitarbeiter natürlich auch manchmal kritisch. Trotzdem denke ich nicht, dass das ein großes Problem ist. Für mich ist es wichtiger zu sehen, dass viele Menschen in die Gedenkstätte kommen, um sich über die NS-Zeit und den Holocaust zu informieren. Gerade wenn Besucher eine persönliche Verbindung zu diesem Ort haben, kann ich verstehen, dass sie Bilder machen. Wenn ich während eines Rundgangs über die Biografien einiger Opfer spreche, merke ich, dass Geschichte für die Besucher sehr viel konkreter und unmittelbarer wird. Aktionen, wie etwa das Posieren vor dem Lagertor, werden dann vielleicht auch noch mal überdacht.
Die schwierigen Momente
In meinem Arbeitsalltag erlebe ich kaum „schwierige“ oder „schlimme“ Momente. Natürlich gehen Themen wie Antisemitismus und der Holocaust nicht spurlos an mir vorbei. Besonders, wenn ich mich viel mit Zeitzeugen oder den Biografien der Opfer beschäftige, geht mir das sehr nahe. Trotzdem habe ich keine Angst, dass mir meine Arbeit zu viel wird. Eher im Gegenteil. Mir ist es wichtig, mich mit meiner Arbeit identifizieren zu können und dahinter zu stehen. Mir wird dabei auch immer wieder bewusst, wie wichtig die Wahrung von Demokratie und Menschenrechten ist.
Schwierig finde ich es zum Beispiel mit Menschen umzugehen, die Werte wie Menschenwürde und Menschenrechte des Einzelnen nicht schätzen und missachten. Zum Beispiel fahre ich manchmal mit Mitfahrgelegenheiten. Dabei kommt man oft mit den Fahrern und den anderen Mitfahrern ins Gespräch. Wenn ich von meinem Beruf erzähle, gehen immer wieder mal Diskussionen los, was auch am zunehmenden Rechtspopulismus liegen könnte. In solchen Unterhaltungen wird dann vieles aus der NS-Zeit relativiert oder meine Arbeit nicht ernst genommen. In solchen Momenten muss ich mich immer ein Stück zurücknehmen. Viele Themen sind einfach zu komplex, um sie während einer Autofahrt tiefgehend zu diskutieren. Ich lade die Leute dann manchmal dazu ein, in die Gedenkstätte zu kommen und sich zu informieren.
Manche gesellschaftlichen Tendenzen beobachte ich mit Sorge. Aussagen, die die Arbeit von Gedenkstätten in Frage stellen, finde ich nicht nachvollziehbar. Es bestürzt mich zu hören, dass Menschen so grundsätzlich an unserer Erinnerungskultur zweifeln. Obwohl das Thema Antisemitismus im Moment deutlich präsenter ist als früher.
Die schönen Momente
Bevor ich begonnen habe, in der KZ-Gedenkstätte zu arbeiten, habe ich noch nie mit einem Zeitzeugen gesprochen. Ich habe vorher nur Biografien von Zeitzeugen und Überlebenden des Holocaust gelesen oder habe Ausstellungen besucht. Wenn Menschen von Leid, Tod, Angst und dem Verlust von Familienmitgliedern erzählen, dann ist das sehr emotional. Ein persönliches Gespräch gibt mir die Möglichkeit, mit der Person in den Austausch zu treten, Fragen zu stellen, aktuelle Bezüge herzustellen und neue Perspektiven zu gewinnen. Gerade bei Veranstaltungen, wie der jährlichen Befreiungsfeier, beeindrucken mich die Überlebenden sehr.
In der Gedenkstätte gibt es einen Zeitzeugen, der sehr engagiert ist. Er hat ein Außenlager des KZ Dachau überlebt und lebt eigentlich in Israel. Jedes Jahr kommt er für einige Monate nach Deutschland und erzählt vielen Menschen von seinem Leben. Zum Beispiel geht er in Schulen und redet dort mit den Kindern und Jugendlichen. Mich beeindruckt vor allem die Art, wie er Menschen von der NS-Zeit erzählt. Er redet ganz sachlich über die Dinge, die ihm passiert sind. Trotzdem schafft er es mit einer Bemerkung, oder anderen Dingen, dass man als Zuhörer sehr ergriffen ist, sich aber gleichzeitig nicht schlecht fühlt.
Wenn ich Rundgänge gebe, freue ich mich, dass Schülergruppen sehr interessiert sind und viele Fragen stellen. Zum Beispiel fragen viele, warum die Häftlinge sich nicht gegen die SS im Lager zusammengeschlossen haben. Das ist eine Frage, die oft gestellt wird, weil die Schüler natürlich sehen, wie viele Häftlinge in dem Lager eingesperrt wurden und wie „wenig“ Wachen es gab. Oder ob es Menschen geschafft haben, aus dem Konzentrationslager zu fliehen. „Haben die Wachen im Konzentrationslager die Wahl gehabt, ob sie Befehle ausführen oder nicht?“, das ist auch etwas, was viele Schüler beschäftigt. Wir als Mitarbeiter können solche Fragen manchmal gar nicht eindeutig beantworten, weil es oft keine klare Antwort gibt. Stattdessen diskutieren wir viel mit den Schülern. Es ist mir wichtig, sie zum Nachdenken anzuregen.
Ich freue mich auch immer sehr, wenn ich positive Rückmeldungen zu unseren Angeboten bekomme. Das sind zum Beispiel E-Mails oder Anrufe von Menschen, die die Gedenkstätte jetzt besuchen können, weil sie behindertengerechter geworden ist. Einmal im Monat bieten wir zum Beispiel einen Themenrundgang an - letztes Jahr auch zum ersten Mal für gehörlose Menschen. Die Rückmeldung war super: Normalerweise kommen ungefähr 15 Menschen zu den Themenrundgängen, bei diesem besonderen Rundgang waren es über 30. Nach dem Besuch kamen einige Besucherinnen auf mich zu und haben sich bei mir und den Kollegen sehr bedankt. Vorher gab es hier nur wenige Angebote für gehörlose Menschen.
Das Geld
Ich werde nach dem Tarif des öffentlichen Dienstes bezahlt. Dieser ist unterteilt in unterschiedliche Entgeltgruppen. Ich bin der Gruppe 11 zugeordnet und verdiene gemäß meinen Berufsjahren momentan 3522 Euro brutto.
Die Frage, die auf Partys immer gestellt wird
Die erste Reaktion, wenn ich von meinen Job erzähle, ist oft: „Wow, das ist ja interessant!“ Und dann kommt meistens: „Wie gehst du damit um?“ Ich erkläre ihnen dann, dass es zwar oft sehr emotionale Situationen in der Gedenkstätte gibt, ich aber gut damit umgehen kann, weil ich weiß, wie wichtig meine Arbeit ist.