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Wie viel Geld brauchen wir zum Leben?
Eigentlich sollte die Gehaltsrechnung ganz simpel sein: Wir investieren einen Teil unserer Zeit, unserer Kompetenzen und unserer Arbeitskraft und im Ausgleich dafür bekommen wir Geld für die üblichen Ausgaben eines Lebens: Wohnen, Essen, Vergnügen, Versicherungen, Altersvorsorge und sonstiges Kinkerlitzchen. Also könnten wir prinzipiell bei der nächsten Gehaltsverhandlung ganz offen sagen: für die Arbeitszeit x verlange ich die Summe y, um davon den Rest meiner Zeit gut leben zu können.
Nur: so einfach ist es nicht. Denn unser Verhältnis zu Geld ist bekanntlich um einiges komplizierter, als man bei einem Tauschmittel für erbrachte Leistungen annehmen könnte. Und in die Gehaltsrechnung gehen sehr viel mehr Faktoren ein, als nur die erbrachte Arbeitsleistung und das benötigte Einkommen. Das fängt schon damit an, dass Gehalt nicht einfach nur eine Entschädigung für entgangene Lebenszeit ist. Sondern auch Anerkennung für erbrachte Leistungen und im schlimmsten Fall Beweis unseres persönlichen Wertes. Wir glauben unglücklicherweise oft, dass derjenige viel wert ist, der viel Geld verdient. Dass das eine ziemliche Milchmädchenrechnung ist, zeigt sich bei einem schnellen Vergleich der Gehaltstabellen von, sagen wir mal Krankenpflegern und PR-Managern. Nicht, dass letztere nicht viel arbeiten würden. Aber wenn das Gehalt tatsächlich an den Wert für die Gesellschaft gekoppelt wäre, würden Pfleger, Erzieher und die Menschen bei der Müllabfuhr sehr viel mehr verdienen und Werbetexter sehr viel weniger.
Außerdem sind die Bedürfnisse von Menschen durchaus verschieden. Selbst wenn zwei Kollegen denselben Familienstand haben, in der gleichen Stadt leben und ähnliche Interessen haben, gehen ihre Vorstellungen davon, was zu einem schönen Leben gehört, oft weit auseinander.
Der vielleicht fieseste Faktor in dem ganzen Gehalts-Kuddelmuddel sind all die negativen Emotionen, die mit dem Thema Geld einhergehen. Mit Neid und Missgunst und der Angst, abgewertet zu werden. Die Vorstellung, als unfähiger Trottel dazustehen, weil man viel weniger verdient als die Kollegen, ist ungefähr genauso unangenehm wie die Angst, in den Fokus der Teeküchen-Lästergruppe zu geraten, die gehässige Vermutungen darüber anstellt, was man für den fetten Gehaltsscheck zu tun bereit war. Kein Wunder, dass Gehaltsverhandlungen zu den schwierigsten Übungen im Berufsleben überhaupt gehören und nicht wenige Menschen kalte Schweißausbrüche bekommen, wenn sie in einer Bewerbung ihre Gehaltsvorstellungen angeben sollen.
Vielleicht sollten wir uns bei diesem emotional so aufgeladenen Thema deshalb einmal kurz zurücklehnen und noch einmal zurück zur ursprünglichen Rechnung kommen. Dabei hilft etwas sehr Altmodisches: ein Haushaltsbuch (ob Notizbuch oder App ist da egal), in das wir unsere Ausgaben eintragen. Das kann mitunter zu ziemlich erhellenden Erkenntnissen führen: dass wir ein bisschen viel Geld für Schokolade ausgeben, zum Beispiel. Oder dass wir zum Leben gar nicht so viel brauchen, wie wir gedacht hätten.
Wir haben fünf Menschen gebeten, uns eine ehrliche Aufstellung dessen zu geben, was sie pro Monat zum Leben brauchen. Nicht, was sie verdienen. Sie alle waren am Ende erstaunt darüber, wo das Gehalt im Laufe eines Monats landet.
Maria*, 20, lebt in München und braucht 400 Euro im Monat Ich studiere im vierten Semester und wohne zum Glück noch zuhause, sonst könnte ich mir mein Leben so nämlich nicht leisten. Ich führe eine Fernbeziehung. Mein Freund lebt in Hamburg und für Treffen mit ihm geht gerade das meiste drauf, was ich mit meinem Nebenjob in der Gastronomie verdiene. Für die Fahrten mit dem Fernbus oder der Bahn gebe ich durchschnittlich 120 Euro im Monat aus. Wenn ich ihn dann besuche, geben wir relativ viel Geld fürs Essengehen und Ausgehen aus – das kostet mich dann noch mal ungefähr 100 Euro im Monat. Ebenfalls 100 Euro gebe ich für Handy, Klamotten und anderen Schnickschnack aus. Und die Ausgaben für Bücher und anderen Uni-Kram, wie Mensa und so kosten ungefähr 30 Euro im Monat. Und dann spare ich noch jeden Monat mindesten 50 Euro für (echte) Reisen und andere größere Auslagen. Miete, Handy, Internet und Versicherungen fallen zum Glück noch weg, weil ich noch bei meine Eltern wohne und versichert bin.
Sophie*, 36, lebt in München und braucht 1600 Euro im Monat Ich habe keine teuren Hobbys, aber um meinen Lebensstil aufrecht zu erhalten und dazu auch noch ein gutes Gefühl zu haben, das mir ein kleines Kissen aus Geldscheinen besorgen würde, brauche ich ganz schön viel Geld, wie ich gemerkt habe. Ich zahle 750 Euro Miete für die Hälfte eines Reihenhauses, und für Versicherungen zahle ich knapp 250 Euro. Ich brauche, weil ich eine Familie habe, gut 350 Euro für das tägliche Leben – Einkäufe, Betreuungskosten, Internet, etc... Für zusätzliche Ausgaben (Kleidung, Skikurse, Schwimmkurse, etc.) brauche ich zusätzlich noch mal pro Monat 250 Euro, dann ist es aber wirklich sehr gemütlich. Und dann kommt noch ein beachtlicher Posten dazu, den ich mir wahnsinnig wünschen würde: ein monatlicher Batzen Geld, den ich zur Seite legen kann für später/Rente/wenn was Schlimmes passiert. 500 Euro wären da super. Momentan ist das aber bei meinem Gehalt nicht drin.
Lukas*, 25, lebt in Frankfurt und braucht 1230 Euro im Monat Ich habe letztes Jahr meinen Master in Elektrotechnik gemacht und im Januar meinen ersten Job angefangen. Mein Leben fühlt sich aber noch immer ziemlich studentisch an: Ich lebe in einer WG und meine Ansprüche sind ähnlich gering wie zu Studienzeiten. Deshalb brauche ich auch relativ wenig Geld zum Leben: Für mein WG-Zimmer zahle ich 500 Euro warm. Für Lebensmittel und mal Essen gehen (nicht immer nur Döner) brauche ich pro Monat ungefähr 180 Euro. Für die handelsüblichen Versicherungen, Handy, Internet und andere Fixkosten zahle ich 450 Euro und für Reisen und Hobbies brauche ich monatlich ungefähr 100 Euro, ich surfe nämlich und das geht ganz schön ins Geld - vor allem die Reisen zu den guten Wellen.
Johannes*, 33, lebt in Berlin und braucht 1150 Euro im Monat Als Student bin ich darauf angewiesen, relativ knapp zu kalkulieren. Gleichzeitig habe ich eine Freundin und ein Kind und mir in meiner berufstätigen Vergangenheit einen Lebensstil angewöhnt, auf den ich zumindest nicht komplett verzichten möchte. Ein Zurück zu Yum-Yum-Suppen und 15-Quadratmeter-WG-Zimmer kann ich mir tatsächlich nicht vorstellen. Ich bin in der irrsinnig privilegierten Situation, eine Partnerin zu haben, die das okay verdient und mir sehr stark unter die Arme greift. Sonst könnte ich mir meinen Alltag, so wie ich ihn gerade lebe, nicht leisten. Glücklicherweise habe ich noch einen relativ alten und damit günstigen Mietvertrag. Ich zahle nur circa 500 Euro Miete für die Hälfte einer schönen Altbauwohnung, die für unsere dreiköpfige Familie großzügig Platz bietet. Müssten wir jetzt umziehen, müssten wir wahrscheinlich Abstriche machen, da die Mieten in unserer Gegend explodieren. Mein Anteil für Lebensmittel und alltägliche Anschaffungen liegt ungefähr bei 250 Euro. Internet, Handy, Netflix und sonstige monatlichen Kosten kommen nochmal auf etwa 100 Euro. Reparaturen, Kleidung, und „Dinge“, die man einfach immer mal wieder braucht oder die einfach immer mal wieder kaputt gehen sind mit 150 Euro im Monat eigentlich gut abgedeckt. Wir fahren wenig Auto, deshalb reichen im Schnitt 50 Euro für Benzin. Meine Ausgehgewohnheiten haben sich, seit ich Vater bin, arg verändert, so dass ich die gelegentlichen Biere und Pizzen mit Freunden locker mit 100 Euro im Monat bestreiten kann. Für Urlaube und größere Anschaffungen würde ich sehr gerne 500 Euro im Monat zurücklegen, das ist im Moment aber nicht drin. Ohne zu sparen komme ich also auf 1150 Euro. Die lassen sich schon aufbringen. Aber wie gesagt: Ohne Unterstützung wäre es sehr happig.
Sergeja*, 27 Jahre, lebt in Nürnberg und braucht 880 Euro im Monat Ich mache nach einigen Irrungen und Wirrungen (Ausbildung zur Verwaltungsangestellten, Verkäuferinnen-Jobs und Gastro) gerade eine zweite Ausbildung zur Kinderpflegerin. Mein Gehalt ist dementsprechend niedrig und am Ende des Monats eigentlich immer weg. Der Großteil geht dabei definitiv für die Miete drauf. Obwohl ich nur eine kleine Wohnung habe, zahle ich 480 Euro warm. Dafür brauche ich nicht so viel Geld für Lebensmittel, weil ich zwei Mahlzeiten am Tag in der Krippe bekomme. Trotzdem komme ich da im Schnitt pro Monat auf 70 Euro. Auto und Versicherungen kosten mich im Monat fast 200 Euro. Fürs Ausgehen oder Shopping habe ich ungefähr 100 Euro im Monat. Und dann spare ich jeden Monat noch ein bisschen was für Reisen oder größere Ausgaben, wie demnächst eine eigene Waschmaschine. Allerdings ist das momentan eher wenig, weil mein Gehalt nicht mehr hergibt – so 30 Euro pro Monat lege ich dafür beiseite.
* die Namen wurden von der Redaktion geändert