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Wenn deine Eltern deine Chefs sind

Photos: privat

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Über Bezahlung zu verhandeln, kostet immer Überwindung. Insbesondere, wenn man diejenigen, von denen man eigentlich mehr Geld will, sehr mag. Wir haben Menschen gefragt, wie sie mit Eltern oder Partnern über Gehalt sprechen.    

Cem: „Manchmal habe ich im Spaß zu meinen Eltern gesagt: 'Ihr wisst, dass das kein Mindestlohn ist, oder?'

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Cem, 23, aus Berlin, arbeitete sechs Jahre im Späti seiner Eltern

Foto: privat

„Meine Eltern besitzen einen Späti in Prenzlauer Berg. Mit 16 habe ich angefangen, da auszuhelfen: Getränke auffüllen, Kasse machen, Kunden bedienen. Anfangs war das immer nur so einmal in der Woche und damals habe ich auch nichts dafür bekommen. Das habe ich aber nie wirklich als unfair empfunden, weil meine Eltern dafür sehr spendabel mit Taschengeld und anderen Sachen waren. Ich habe das nie als klassisches Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis wahrgenommen – einfach, weil es der Laden meiner Familie ist und ich die ja auch gerne unterstütze.

Mit der Zeit war ich dann regelmäßiger im Laden und da habe ich dann auch ein festes Gehalt von meinen Eltern bekommen, ohne dass ich sie drauf ansprechen musste. Das waren nur fünf bis sechs Euro die Stunde, aber für mich war das immer noch fair. Ich konnte mir während der Schicht Zigaretten, Getränke und Essen nehmen und in meinem Freundeskreis hat sich der Späti auch zu einem beliebten Treffpunkt entwickelt. Während der Abi-Zeit habe ich dann schon so drei Mal die Woche gearbeitet, aber es hat sich nie so richtig nach Arbeit angefühlt. Ich gehe halt in den Laden und bin dann da ein paar Stunden.

Nach meinem Auszug habe ich mir parallel einen zweiten Job bei Edeka an der Kasse gesucht, um mir mein Leben zu finanzieren. Da habe ich manchmal im Spaß schon zu meinen Eltern gesagt „ihr wisst, dass das kein Mindestlohn ist“, aber das war nie wirklich ernst gemeint. Sie haben mir weiterhin Urlaubsgeld gegeben und mich immer finanziell unterstützt, wenn ich es nötig hatte, daher mache ich mir um Mindestlohn im Späti eigentlich keine Gedanken. Ich habe denen nie ernsthaft was vorgeworfen, wenn es ums Geld ging.

Klar gab es Zeiten, in denen ich überhaupt keinen Bock hatte, für so wenig Geld für meine Eltern zu arbeiten. Das war aber nur, wenn wir privat Stress hatten oder ich mich in irgendeinen Streit zu krass reingesteigert hatte und dann frustriert im Laden meine Schicht absitzen musste. Solche Situation waren aber absolute Ausnahmen. Im Vergleich zu meinem anderen Job bei Edeka habe ich die Arbeit bei meinen Eltern nie als Zwang oder klassische Lohnarbeit empfunden. Deshalb gab es auch keine großen Gehaltsverhandlungen.

Heute ist das Aushelfen eher eine Zeitfrage. Ich habe eine Ausbildung zum Kindergärtner begonnen und da ist meine Freizeit sehr begrenzt. Nach 45 Stunden Arbeit unter der Woche habe ich wenig Lust, am Wochenende noch im Späti anzutanzen. Das hat aber nichts mit der Bezahlung, sondern vielmehr mit meinen Ressourcen zu tun. Wenn irgendjemand krank ist, dann springe ich schon noch ein, aber das kommt nur noch sehr selten vor.“

Raphael: Die erste Rechnung meines Lebens habe ich an meine Freundin geschrieben

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Raphael, 27, bekommt Honorare von seiner Freundin Julia ausgezahlt

Foto: privat

„Vor knapp zwei Jahren bin ich mit meiner Freundin in den südlichsten Zipfel von Spanien, nach Cádiz, ausgewandert. Julia arbeitet im Online-Marketing und kann das eigentlich von überall machen. Ich habe dagegen in Vorbereitung auf ein Medizin-Studium eine Ausbildung im medizinisch-technischen Bereich gemacht. Für sie war es nach unserer Ankunft in Spanien kein Problem, weiter Aufträge an Land zu ziehen, aber für mich sieht der Arbeitsmarkt hier nicht so rosig aus.

Gemeinsam haben wir einen Foodblog hochgezogen und da habe ich gemerkt, dass mir Julias Job eigentlich auch Spaß macht. Wir wollten testen, ob ich sie nicht bei ihren Aufträgen unterstützen kann. Anfangs hatten wir überhaupt nicht geplant, dass ich mal für sie arbeite, das hat sich eher so ergeben, weil wir gemerkt haben, wie gut wir zusammenarbeiten können.

Julia testet unter anderem Homepages auf ihre Nutzerfreundlichkeit in verschiedenen Sprachen und da ich sehr gut Französisch spreche, hat mich Julia dann gewissermaßen eingearbeitet. Ein Kunde brauchte dann tatsächlich einen Test auf Französisch und so kam ich zu meinem ersten Auftrag. Anfangs war das alles unbezahlt. Wir mussten ja erst mal ausprobieren, ob das überhaupt klappt.

Irgendwann habe ich dann die erste Rechnung meines Lebens geschrieben. An meine Freundin. Wir haben natürlich vorher besprochen, was da drauf soll. Und da das Geld am Ende eh in eine Kasse fließt, sind Gehaltsverhandlungen ein bisschen überflüssig. Es geht eher darum, dass wir zu zweit ein größeres Aufgabenspektrum abdecken können, als dass Julia mich groß bezahlt. Die Zahl auf der Rechnung ist dann eher symbolisch. In unserer Situation hat es einfach nur Sinn gemacht, dass ich bei Julia einsteige und für sie arbeite. Sie hat in dem Bereich einfach die besseren Kontakte und die nötige Berufserfahrung.

Ich empfinde das nicht als Abhängigkeit. Vieles von dem, was wir gemeinsam verdienen, stecken wir in unsere eigenen Projekte. Gerade haben wir ein Start-Up für einen nachhaltigen Kalender gegründet. Da fließt gerade ein Großteil unserer Energie und auch unser Geld rein, bis sich das selber trägt. Es wäre deshalb albern, über Gehalt zu streiten. Das macht nur eine Ebene weiter oben, bei den Kunden, Sinn. Da muss man wirklich aufpassen, dass man sich nicht unter Wert verkauft. 

Unsere Arbeitsaufteilung bedeutet auf der anderen Seite halt auch, dass ich von Julias Aufträgen und sie wiederum von Kundenaufträgen abhängig ist. Das heißt: kein reguläres Gehalt für uns beide, keine Krankenversicherung. Manchmal wünscht man sich da schon mehr Sicherheit. Aber wir sind ja gerade hier in Spanien, weil wir etwas anders machen wollen. Ich könnte mir jedenfalls gerade überhaupt nicht vorstellen, für einen 'richtigen' Chef zu arbeiten.“

Adriana: „Meine Mutter besteht darauf, mir ein angemessenes Gehalt zu zahlen

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Adriana, 26, Theaterpädagogin, wird von ihrer Mutter engagiert

Foto: privat

„Schon als Kind habe ich in den Stücken im Theater meiner Mutter in Bamberg mitgespielt. Es ist ein Kleinkunsttheater, ein Familienbetrieb. Ich kann mich nicht genau erinnern, aber ich glaube, ich habe schon damals Gage für meine Auftritte bekommen. Wieviel, das hing immer von den Besucherzahlen ab. Reich wird da bis heute niemand, aber das wissen die Schauspieler auch. Es war immer selbstverständlich, dass ich das gleiche Gehalt bekomme wie alle anderen auch.

 

Mit 16 habe ich dann angefangen, selbst Theaterworkshops zu leiten. Auch nach dem Auszug von Zuhause habe ich den Job beibehalten: In den Ferien engagiert meine Mutter mich für Workshops mit Kindern und Jugendlichen, manchmal springe ich auch bei Stücken als Schauspielerin ein, wenn andere krank sind. Das sind meist kleine Rollen, die sich schnell einüben lassen. Dazu kommen spontane Aufträge für Schulklassen oder Kindergeburtstage.

 

Obwohl ich als Jugendliche oft wenig Bock hatte, meine Samstage im Theater oder mit Proben zu verbringen, habe ich mich immer wieder überreden lassen. Und mittlerweile ist das ein ganz eigenständiges Interesse: Ich beende gerade meine Ausbildung als Theaterpädagogin und arbeite gerne am Theater meiner Mutter, weil ich die Inhalte aus meiner Ausbildung da direkt anwenden kann und mir keine Grenzen gesetzt werden. Im Vergleich zu anderen Mitarbeitern kenne ich die Abläufe im Haus von klein auf, das ist sicher ein Vorteil. Ansonsten werde ich aber behandelt wie alle anderen Angestellten.

 

Das Thema Bezahlung war immer eher nebensächlich. Ich weiß aus Erfahrung, dass ich immer irgendwas dafür bekomme und ich kann mich darauf verlassen, dass meine Mutter mich fair bezahlt. Es ist eher so, dass sie mal sagt „hey, du hast jetzt eine Ausbildung, du musst dich nicht unter Wert verkaufen“ und mich bestärkt, auch in anderen Engagements selbstbewusster aufzutreten, was meine Honorare angeht. Dass ich mehr in anderen Jobs verlange, habe ich unter anderem ihr zu verdanken, weil sie darauf besteht, mir ein angemessenes Gehalt für meinen Ausbildungsgrad zu zahlen.

 

Mittlerweile zahlt mir meine Mutter zwischen 25 und 50 Euro die Stunde. Das Gehalt ist okay für die Branche, aber die Arbeitsbedingungen sind überdurchschnittlich gut, weil ich tun und lassen kann, was ich will. Durch meine eigene Professionalisierung hat sich auch das Arbeitsverhältnis mit meiner Mutter stark professionalisiert. Unser Lernen hat sich praktisch umgedreht. Während ich früher viel Schauspiel von ihr gelernt habe, schaut sie sich heute meine pädagogischen Skills für ihr Theater ab. Wenn ich heute Workshops gebe, genieße ich den Freiraum, den sie mir einräumt.“

 

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