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So überlebst du die Rush-Hour-Bahnfahrt

Illustration: Federico Delfrati

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Nicht alles im Leben ist freiwillig. Die Survival-Kolumne ist Anlässen gewidmet, denen wir uns stellen müssen – ob wir wollen oder nicht. Ein Leitfaden zum Überleben. 

Öffentliche Verkehrsmittel haben es nicht leicht. Weil man für Auto-Staus irgendwie niemanden verantwortlich machen kann (außer „die ganzen Deppen“ vor einem), lässt der Deutsche seine Wut über verschwendete Zeit seit jeher viel lieber an Zügen aus. Dabei lästert er alljährlich über die Deutsche Bahn, weil die sich ja jedes Jahr aufs Neue vom Phänomen „Winter“ überraschen lässt und umgestürzte Bäume auf Bahngleisen sich irgendwie immer noch nicht wirksam verhindern lassen. Wer in einer größeren Stadt wohnt, kann darüber höchstens lächeln. Denn dort sind die öffentlichen Verkehrsbetriebe seit jeher vollkommen überfordert mit einem ganz anderen Phänomen, und zwar fünf Tage die Woche: den zwei Berufsverkehr-Rushhours am frühen Morgen und Abend. Gestapelte Menschenmassen, routinierte Entschuldigungs-Anrufe bei diversen Chefs, fremder Atem im Nacken. Die Verkehrsbetriebe selbst garnieren das Ganze  mit Stimmungsbomben wie Zugausfall, gestauten Zügen, technischen Störungen. Und mittendrin: Du! Wie überlebt man das?

Zunächst mal gilt es, einen weit verbreiteten Mythos zu entzaubern. Die Schuld am Chaos versuchen die Verkehrsbetriebe nämlich permanent auf die Fahrgäste zu übertragen. Die Durchsage „Steigen Sie bitte an allen Türen zu!“ suggeriert, dass sich die Massen einfach nur klüger verteilen müssten. Schuld ist also nie das System, sondern immer das individuelle Fehlverhalten, klassisch-liberale Denke sozusagen. Fall nicht darauf rein! Meist bleibt dir gar nichts anderes übrig, schließlich ist der Bahnsteig eh so voll, dass du dich nur unter einem lebensgefährlichen Balanceakt am Gleisrand ans andere Bahnsteigende begeben könntest.

Du stehst nun also vor einer der Türen, welche ist – wie gesagt, aber lieber noch mal – vollkommen egal. Die Türen gehen auf und wie ein Teenager nach zu viel Erdbeerlimes erbricht die U- Oder S-Bahn nun erstmal einen Haufen Menschen. Um nicht plattgewalzt zu werden wie der Vater in König der Löwen, musst du einen guten Kompromiss aus Abstand und Nähe zur Tür finden. Beste Position: Die toten Winkel links und rechts der Tür, direkt an der Bahn-Außenwand.

Hat sich dann der erste Schwall aus der Bahn gepresst, solltest du nicht voreilig sein. In einem zweiten Schwung finden sich immer ein paar, bewusst etwas langsamer gehende Seniorinnen, die jeden Einstiegsversuch mit „ERST AUSSTEIGEN LASSEN“ bestrafen und dich damit zurecht als rücksichtsloses Wesen, Touristen oder Dorftrottel markieren.

Beim Einsteigen musst du außerdem bedenken, wann du aussteigen willst. Bist du unter den ersten Einsteigern, wird dich der Menschenstrom zwischen zwei Abteile spülen und dort schließlich einklemmen. Falls du also nicht bis zur Endhaltestelle mitfahren oder dich beim Aussteigen wie ein Baby im Geburtskanal fühlen willst, lass lieber ein paar Leute vor dir einsteigen.

Du spekulierst auf einen Sitzplatz? Eine schlechte Idee. Erstens chancenlos und zweitens wirst du ihn früher oder später eh für Bedürftige räumen müssen. Außerdem droht gerade morgens Gefahr durch eine besondere Spezies: Schüler und deren Ranzen. In jungen Jahren hat man in der Ubahn nämlich einen Hang zu völlig unvorhersehbaren 180-Grad-Pirouetten. Wer sich schon einmal von einem 400-Kilo-Rucksack die Wangenknochen hat zertrümmern lassen, steht lieber. Oder, Pro-Tipp: Du kannst dich wieder durch eine geschickte Positionierung dem Strom entziehen, nämlich direkt links und rechts der Tür – nur diesmal natürlich innerhalb der Ubahn. Hierzu braucht es allerdings ein bisschen Selbstbewusstsein, denn es wird immer mindestens einen Menschen geben, der „BITTE IN DIE GÄNGE DURCHGEHEN“ ruft, womit er theoretisch ja Recht hat, aber leider immer einen so dermaßen unsympathischen Tod-oder-Leben-Ton anstimmt, dass du ihn getrost ignorieren kannst.

Eine Regel allerdings solltest du auf jeden Fall befolgen, auch zu deinem eigenen Wohl: Befindet sich dein Stehplatz in Türnähe, musst du an jeder Haltestelle mit aussteigen. Glaub mir einfach. Am besten springst du immer zwischen den beiden Top-Positionen (toter Winkel innerhalb der Ubahn, toter Winkel außerhalb der Ubahn) hin und her. Wer glaubt, an einer hochfrequentierten Haltestelle seinen Platz an der Tür behaupten, oder den Strom wie ein Fels in der Brandung teilen zu können, unterschätzt das Aggressionspotential seiner Mitmenschen. Von Ellbogen-Checks bis zertrampeltem Brustkorb ist eigentlich alles drin.

Du bist an deiner Haltestelle angekommen? Glückwunsch! Aussteigen beherrscht du ja bereits. Versuche, dich in der Arbeit maximal zu entspannen. Schließlich geht danach der Spaß von vorne los.

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