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3500 Euro brutto für die Fliesenlegermeisterin

Lisa hat ihre Ausbildung im eigenen Familienbetrieb gemacht.
Foto: Privat / SZ Jetzt

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Was man als Fliesenleger:in macht 

Das ist von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich. Meine Firma ist auf die Sanierung von Bädern und Küchen ausgerichtet. Viele unserer Kunden glauben, eine Sanierung geht einfach und schnell. Bevor wir aber überhaupt anfangen können zu fliesen, liegen meistens schon zwei Wochen Arbeit hinter uns. Schon das Entfernen der alten Fliesen dauert lange, denn wir klopfen sie von Hand heraus. Manchmal tut mir das ein bisschen leid, vor allem wenn der Stil zwar alt, aber schön ist.

Für einen Quadratmeter brauche ich, je nach Größe der Fliese, zwischen 20 Minuten und einer Stunde. Ein ganzer Raum dauert drei oder vier Tage. Ein neues Bad kostet daher schnell mal um die 10 000 Euro. Die Fliesen, die ich wegmache, sind aber meistens schon 30 Jahre alt und die neuen werden mindestens genauso lange halten. Einige Kunden verstehen trotzdem nicht, wie der Preis in unserem Angebot zustande kommt und versuchen, einen Nachlass auszuhandeln. Einige werden dabei auch unhöflich, das sind aber Ausnahmen. 

Wie ich zu dem Beruf gekommen bin 

Mein Vater hat einen Fliesenlegerbetrieb. Als ich mit der Realschule fertig war und nicht so recht wusste, was ich machen soll, hat er vorgeschlagen, bei ihm in der Firma anzufangen. Mir gefiel die Idee, weil ich es schön finde, wenn der Familienbetrieb weiterläuft. Meine Schwester ist Bürokauffrau und wollte nie etwas Handwerkliches machen. Mein Vater hat mir anfangs gesagt, er würde mir gerne einmal die Leitung seines Betriebs übergeben – unter einer Bedingung: Ich solle die Ausbildung und anschließend die Meisterschule absolvieren. Meine Ausbildung habe ich dann 2019 in unserem Betrieb abgeschlossen. Das hat sich so ergeben, weil ich keine andere Stelle bekommen habe. Da unser Verhältnis sehr harmonisch ist, hatte ich keine Bedenken. 

Der Weg zur Fliesenlegermeisterin 

Die Ausbildung dauert drei Jahre und ist sehr vielseitig. Man hat Blockunterricht, das heißt man ist drei oder vier Wochen an der Berufsschule und dann wieder ein paar Wochen im Betrieb. Es gibt aber auch noch die überbetriebliche Ausbildung, dabei lernt man zusätzliche Techniken und macht andere praktische Erfahrungen als im Betrieb. Vor drei Jahren ist dann die Meisterpflicht wieder eingeführt worden. Das heißt, wenn man sich selbständig machen, oder einen Betrieb übernehmen will, muss man den Meister machen. Als Fliesenlegergeselle in einer Firma ist das nicht unbedingt notwendig. Ich würde es aber trotzdem empfehlen, weil man dadurch deutlich mehr Erfahrung sammelt. 

Wie mein Arbeitsalltag aussieht 

Mein Tag startet meist gegen halb acht, ich räume das jeweilige Werkzeug und Material in mein Arbeitsfahrzeug und fahre zum Kunden. Wie lange ich dort bin, ist sehr unterschiedlich. Manchmal bin ich am frühen Nachmittag wieder zurück und kümmere mich im Büro um Rechnungen oder Angebote. Weil wir auch bei Fliesenausstellungen dabei sind, kommen noch Kundenberatungen dazu. Manchmal bin ich aber auch den ganzen Tag auf der Baustelle unterwegs. Mein Tag endet meistens zwischen vier und halb fünf.

Was ein Trend-Bad heute ausmacht

Bei unseren Aufträgen und auf den Fliesenausstellungen machen sich gewisse Trends bemerkbar. Anders als noch vor ein paar Jahren werden Wände und Böden heute wieder einheitlich gefliest. Und seit zwei oder drei Jahren sind vor allem schlichte Farben wie grau und beige gefragt – grelle Grün- oder Blautöne sind out. Ich sehe auch immer öfter Bäder, die ganz in schwarz gehalten sind, sogar das Waschbecken und die Toilette. Kombiniert wird das zum Beispiel gerne mit einem goldenen Wasserhahn. Ist zwar schwer zu pflegen, scheint aber der neuste Trend zu sein. 

Wie viel ich verdiene

Nach der Ausbildung habe ich etwa 2600 Euro brutto verdient. Durch meinen Meister liege ich inzwischen bei 3500 Euro. Das ist recht durchschnittlich, ich denke, da ist noch ein bisschen Luft nach oben. Das Gehalt im eigenen Familienunternehmen zu verhandeln, finde ich dabei eher unangenehm. Ich versuche, das nebenbei in die Unterhaltung einfließen zu lassen, zum Beispiel beim Frühstück. Meine Familie geht aber immer darauf ein und fragt mich, was ich mir so vorstelle.

Wenn ich den Betrieb mal übernehme, verdiene ich wahrscheinlich das Doppelte bis Dreifache, habe dann aber auch viel mehr Arbeit. Bevor das passiert, werde ich das Unternehmen eine Zeit lang zusammen mit meinem Vater leiten. Der ist ohnehin noch sehr jung, bis zu seiner Rente dauert es noch etwa 15 Jahre. Allerdings ist die Arbeit körperlich anstrengend, vor allem das Abklopfen der Fliesen. Zudem sind die Baustellen auch mal im fünften Stock und wir gehen zwanzig Mal am Tag mit den schweren Geräten die Treppen rauf und runter. Ich könnte mir vorstellen, dass bei ihm mit solchen Arbeiten mit 60 Jahren Schluss ist. 

Welche Eigenschaften man braucht 

Man braucht auf jeden Fall viel Motivation und muss Spaß an der körperlichen Arbeit haben. Ich wusste zwar schon vor der Ausbildung, dass es ein physisch anstrengender Beruf ist. Wie hart die Arbeit aber wirklich sein würde, habe ich nicht geahnt. Außerdem sollte man kontaktfreudig sein, schließlich hat man täglich mit Kunden zu tun und muss sich auf sie einstellen. Sauber zu arbeiten, ist auch ein absolutes Muss. Denn ohne präzise Planung kann man kein Bad gut fliesen. 

Die Frage, die mir auf Partys immer gestellt wird 

Wenn ich erzähle, was ich beruflich mache, ist die andere Person erst einmal im positiven Sinn überrascht. Oft ist er oder sie auch ein bisschen beeindruckt und findet cool, was ich mache. Die meisten fragen nach, wie es dazu kam. Mit „Ich auch“ hat übrigens noch nie jemand geantwortet. Außerhalb der Branche treffe ich kaum andere Fliesenleger:innen, da macht sich der Fachkräftemangel deutlich bemerkbar. Das ist mir schon in der Meisterschule aufgefallen. Wir waren über ganz Deutschland verteilt, aus meinem Landkreis war ich die einzige. Das hat aber durchaus Vorteile, denn wir können uns alle unsere Aufträge aussuchen.  

Wann ich als Frau auf Vorurteile treffe 

Schlechte Erfahrungen habe ich zum ersten Mal in der Berufsschule gemacht. Ich war das einzige Mädchen unter lauter sechzehnjährigen Jungs. Sie haben mich ausgegrenzt oder nur sehr herablassend mit mir gesprochen. In der Meisterschule war das dann zum Glück ganz anders. Eigentlich arbeite ich nämlich gerne mit Männern zusammen. Wenn es zu Meinungsverschiedenheiten kommt, nehmen sie das meiner Erfahrung nach recht locker und sind selten nachtragend. Auf Baustellen habe ich aber manchmal dennoch das Gefühl, von Kollegen anders behandelt zu werden. Ich glaube, auf meine Meinung wird seltener gehört und ich werde weniger ernst genommen. 

Die meisten Vorurteile kommen jedoch von Kunden. Wenn ich mit einem Azubi auf die Baustelle komme, spricht zum Beispiel der Kunde immer mal wieder den Azubi an – obwohl ich schon gesagt habe, dass ich zuständig bin – und kann es gar nicht fassen, wenn ich ihm die fachlichen Dinge erkläre. Das ist schon herablassend.

Wie ich damit umgehe

Wenn so etwas passiert, sage ich sehr klar, sie sollen ihre Fragen bitte an mich richten, weil ich zuständig bin. Einmal hat ein Kunde noch mal bei meinem Vater angerufen, weil er sich rückversichern wollte, dass das auch alles so stimmt, was ich ihm erzähle. Mein Vater hat ihm dann aber deutlich vermittelt, dass er auf mich hören soll. Von solchen Situationen lasse ich mich nicht beirren und würde das auch anderen Frauen raten, die sich für ein Handwerk interessieren. Traut euch! Obwohl es nicht immer einfach ist, können Frauen in meinem Beruf viel Gutes beitragen. Ich glaube zum Beispiel, ich bin kreativer als viele Kollegen, wenn es um die Gestaltung geht und habe vielleicht auch etwas mehr Feingefühl. Das ist für jedes Team eine große Bereicherung. 

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